Es stimmt. Alles was Harmony mir damals auf dem Friedhof erzählt hat stimmt und ich habe nie mitbekommen, dass er es wusste. Er wusste, dass ich ihnen überall hin gefolgt bin aber ich konnte nicht anders. Ich wollte mich vor ihm dafür noch nie rechtfertigen, weil ich das Thema einfach vergessen wollte und er hat auch nie danach gefragt aber nur zu oft werde ich daran erinnert, dass ich letztes Schuljahr keinen Tag ohne Blicke von und für Harmony aus kam. Ich werde jedes Mal von neuem daran erinnert, wenn er irgendwo hin geht und mir nichts sagt oder schreibt. Es passiert beinahe jede Woche einmal und genau das lässt mich alles von neuem im Kopf durchgehen.
Als ich ihm damals noch nicht so nahe stand wie jetzt und er all seine Zeit nur in Alexy investierte, habe zumindest ich gemerkt, dass er oftmals mittwochs fehlte. Mittwochs, so wie heute und so wie die Tage, der letzten Wochen, in denen er ohne Begründung und ohne Bescheid zu sagen gegangen ist. Versteht mich nicht falsch, obwohl das bestimmt schwer geworden ist, ich fordere ihn nicht dazu auf mir, immer zu sagen wo er hin geht aber er ist sich bestimmt klar darüber, dass mir das so wirklich lieber ist und er tut es ja sonst auch immer und immer freiwillig, ohne Aufforderung. Wenn er es dann aber nicht tut, so wie jetzt, dann kann ich nur schwer widerstehen und falle in alte Muster zurück. Wie ich bereits sagte, genau so wie jetzt. Er hat wieder nichts gesagt und nach den paar Monaten zusammen kann ich schon nicht mehr anders und muss dem nachgehen. Es ist so unfair und hat nichts mit Vertrauen zu tun aber ich muss das tun. Ich weiß nicht woher dieser Zwang kommt aber er ist da. Wenn ich noch länger im Dunkeln sitze und nicht weiß, was er an solchen Tagen macht, dann drehe ich demnächst durch. So schlecht diese Eigenschaft an mir auch sein mag a-aber nur dadurch weiß ich ja, dass er mittwochs immer irgendetwas macht. Er vertraut mir nur nicht genug, um es mir zu erzählen und Alexy ist es in all der Zeit ja nicht mal aufgefallen. Also versuche ich mir immer ein gutes Gewissen einzureden. Ich bin einfach aufmerksamer … nur halt etwas zu extrem … Jedenfalls … ist Harmony an diesem Mittwoch mit dem Bus auf dem Weg in die Stadt. Er ist ein ganz paar Stationen vorher ausgestiegen und die restlichen gelaufen. Es wirkte, als wolle er einfach Zeit schinden. Was sofort auffällt … er kennt sich in der Stadt recht gut aus. Ich meine, ja, er hat eine ganze Weile lang hier gewohnt und war sicherlich viel unterwegs mit seinem Scateboard aber so gut? Sein Weg führt ihn viele kleine, enge und unwichtig wirkende Straßen entlang. Mit der tiefen Innenstadt, den vielen Einkaufsmöglichkeiten und dem vollen Leben hat das hier nichts mehr zu tun. Am Ende bleibt er vor einem kleinen Laden stehen, einem wirklich kleinen. Es ist nur wie ein Nebengeschäft für eine kleine Familie. Sie haben ein Loch neben ihre Tür eingelassen, eine Luke zum hochklappen als Überdachung davor geschraubt und verkaufen aus ihrer Küche heraus Kleinigkeiten. Sieht ganz gemütlich aus, vor allem aber ruhig. Was macht Harmony an so einem Ort? Und woher kennt er den Laden? In so eine Ecke kommt man nicht mal rein zufällig. Trifft er sich hier wohl mit wem? Recht regelmäßig immer mit dem selben? Ich darf mir darauf echt nicht zu viel einbilden, das macht die Situation bestimmt nur schlimmer a-aber wenn da jetzt wirklich ein Kerl ankommen sollte … Ich würde bestimmt nicht ruhig hier stehen bleiben können – bei meiner sicheren Hausecke weit genug im Hintergrund. Ich mache mir dennoch weiter sorgen. Nicht mehr wegen eines anderen Kerls, an so etwas will ich nicht länger denken müssen aber Harm sagte, dass er es jedes Mal gewusst hat, wenn ich ihm nachgelaufen bin a-also … wie sieht es dann jetzt wohl aus? Er hat sich nie umgedreht oder einen Blick nach hinten schweifen lassen. Ich würde nicht sagen, dass er es weiß aber stimmt das? Noch vor einem halben Jahr hätte ich auch gesagt, dass er nichts mitbekommen hat aber nun? „Einen Milchshake.“, bestellt er monoton, ohne bitte und danke, so wie man ihn eben kennt. Der Verkäufer nickt das lediglich ab und geht zurück zur Küche. Harmony hat sich zwischen zwei der hölzernen Barhocker gestellt, die extra für Kunden vor dem Laden stehen. Er lehnt sich rücklings mit beiden Ellenbogen auf den Tresen und wartet da. Worauf wartet er wohl? Auf wen? Die Zeit bis zum Auftauchen einer weiteren Person vertreibt er sich mit geräuschhaltigem Schlürfen seines Getränkes. Er tut es mit Absicht, das sehe ich ihm sofort an. Im Hintergrund stehend und die Situation betrachtend, muss ich mich zurückhalten nicht zu lachen. Der Mann hinter ihm wirkt reichlich genervt davon aber sagt nichts. Wohl weil er einen seiner wenigen täglichen Kunden nicht verjagen will. Harmony nutzt die Situation voll aus, thahaha. Am Ende bleibt zumindest ein Schmunzeln, welches mir entflieht und dann – dann taucht auch endlich die andere Person auf. Ich weiß ja nicht mal, ob es die beiden sind, die sich da treffen. Vielleicht nur Zufall oder so. jedenfalls … eine Frau. Sie ist schlank und groß für eine Frau. Vielleicht so um die 1,75m-1,80m? Sie trägt einen engen, schwarzen Schlauchrock und eine weiße Bluse. Sieht nach einer typischen Business-Dame am Empfang jeder Firma aus. Brünettes, rückenlanges Haar und eine Brille sind von hier aus noch zu erkennen. Bei ihrem Alter allerdings kann ich nur schätzen – vielleicht so im die 30-35 Jahre? So etwas in der Art wird es schon sein. Ich bin sofort erleichtert deswegen, ich geb's ja zu und noch mehr als ich merke, dass das wirklich die Person ist, auf die Harmony gewartet hat. Sie tun viel zu auffällig so, als wären sie zwei Fremde, die sich eben erst begegnen würden. Er schaut ab und zu zu ihr und sie regelmäßig zu ihm. Es bleiben trotzdem noch genügend Fragen, auf die ich keine Antwort weiß. „Ich hätte gern zwei Schoko Shakes.“, bestellt sie im Gegensatz zu ihm nett und freundlich. Sie sind schon gleich darauf allein, zu zweit und ich kann noch gerade so mit hören, wie sie wieder spricht und es geht nicht um so sinnloses Vorgeplänkel. Sie spricht gerade heraus, was sie wissen will: „Also, sage mal … kann es vielleicht sein, dass du meine Tochter mit Mina verwechselst?“ Ihre Stimme klingt dabei so unschuldig und lieb, dabei müssen ihre Worte voll eingeschlagen haben. Harmony ist sofort ruhig geworden, trinkt nicht mehr. Er wirkt, als müsse er ihre Worte erst wirklich klar realisieren. Ich verstehe einfach nicht, was das alles zu bedeuten hat.
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Vielleicht gar nicht mal so schlecht auch mal über Castiel ein paar Kleinigkeiten zu erfahren, oder? xD
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