Es ist so lange her, dass er bei mir geschlafen hat, dass er bei mir lag und ich mich an ihn schmiegen durfte. Er küsst mich nur noch sparsam und seine Intensität lässt irgendwie nach. Armin hat versucht mich immerzu zu beruhigen, hat alles runter geredet, als würde er nichts sehen. Als ob … als ob ich nicht merken würde, dass irgendetwas nicht stimmt. Was denkt sich Harmony eigentlich dabei? Warum sagt er es mir nicht? Oder zeigt mir wenigstens seine neuen Wunden, wenn er denn welche hat? Dann wüsste ich wenigstens, wo das Problem läge. Wenn? Wie dumm! Natürlich hat er neue Wunden, da bin ich mir ganz sicher. Er hält sich anfangs immer zurück mit Zeigen aber kann es denn sein, dass Wunden 2 Wochen brauchen, um so zu verstummen, dass ich es mir ansehen könnte?
Halt? Was? … Das ist doch eigentlich egal! Ich will nur, dass er endlich wieder ehrlich zu mir ist, dass er bei mir ist. Ich weiß, er erzählt mir niemals alles über sich a-aber … diesmal sagt mir mein Gefühl etwas anderes. Irgendwie als – als könnte er nichts sagen. Ich habe doch nur Angst – Angst davor, dass ihm etwas passiert ist und dass ich ihn verlieren könnte. Mein Wahn aus Angst, Schweiß und Sorge macht mich blind und taub gleichermaßen. Ich bin irgendwie kein Mensch mehr. Erst das leise, warme und spielerische Flüstern an meinem Ohr ruft mich zurück. Mit dem ersten Schrecken breitet sich eine tiefe Gänsehaut über meinem Körper aus. Sein Atem an meinem Ohr ist so … einfach … so! „Naaa, mein Großer. Mal wieder so schreckhaft? Wie schön … und sexy, wenn du so zuckst. Einfach unwiderstehlich!“ Und das zeigt er mir auch gleich. Mit seinen Lippen, die beim Sprechen über die Außenseite meines Ohres fahren, spüre ich immer mehr seine Zähne daran, einen leichten Biss, ein Schnurren und ein sehr leises, anturnendes Stöhnen. Mein Herz macht einen Sprung, einen ungehaltenen und zwingt meinen Körper, bevor ich genauer darüber nachdenken konnte, mich zu ihm umzudrehen und ihm um den Hals zu fallen. Mein Körper ist verkrampft, einmal um die eigene Achse gedreht und im Rücken durchgedrückt, aber alles andere fühlt sich nur noch erleichtert und locker an. Meine Augen haben sich geschlossen und mein Gesicht vergräbt sich an seiner Halsbeuge. „Harm!“, presst sich mit schwerem Atem aus meiner Kehle. Es ist die Erleichterung pur. Endlich. Endlich! Er ist wieder hier, bei mir und ist wie immer - wie immer und doch ganz anders. Er legt sich sofort zu mir, mit dem beiläufigen Kommentar: „Super! Dachte schon, machst mir keinen Platz mehr.“ und denkt, ich würde es nicht merken. Es hat sich nichts geändert. Wir sehen uns in der Schule kaum, in seiner Freizeit hängt er lieber mit seinen Leuten oder sogar allein herum und trotzdem – trotzdem weiß ich, dass er sich immer anders bewegt hat als sonst. Jede Bewegung erscheint nun nicht einfach nur geplant, sondern richtig streng überlegt. Wie – Wie ein Bereich, in dem es ihm noch möglich ist, sich zu bewegen und den er voll ausnutzen will, um mir vorzutäuschen, dass nichts wäre. Er ist doch sonst nicht so gutgläubig. Warum weiß er denn nicht, dass ich es sehen kann? Er muss alles an Kraft darin eingebüßt haben mich kurz zu begrüßen. Seine Arme liegen nun um mir, doch er hat mich nicht fest an sich gezerrt, mich nicht voller Leidenschaft geküsst oder mich so hin gerückt, wie ich liegen darf. Harmony hat sich einfach vor mich gelegt, starrt die Decke an und schläft dabei ein. Mehr und mehr. Ob ich dabei einschlafen kann? Niemals! Nichts ist wie sonst, er ist hier und doch irgendwie abwesend. Mein Kopf zerspringt, bis aus Minuten schon Stunden werden wollen. Ich höre in Momenten, in denen mein Kopf nicht zerspringen will, seinem Herzschlag zu. Es rast, obwohl er schläft, rast es unerbittlich weiter. Es zeigt mir nur noch deutlicher, dass etwas nicht stimmen kann. Es reicht! Es reicht einfach!!! Ich kenne meine Grenzen, weiß was ich darf und was nicht, doch das hat alles keinen Wert! Nicht in diesem Moment. Meinen Mut zusammen nehmend, lege ich mich näher zu ihm, habe ein Bein über ihn gelegt und meinen Kopf auf seine Brust gebettet. Wieder verkrampft mein Körper. Ich habe irgendwie damit gerechnet, dass er mich trotzdem von sich weist, doch wieder falsch. Er scheint eben nicht mal Schmerzen zu haben, doch wach ist er auf jeden Fall wieder. Meine unumstößliche Sorge um ihn zwingt mich zu diesen Worten, leise und voller Furcht: „H-Harmony? B-Bitte … meine – meine alte Krankenkarte liegt – sie liegt in der zweiten Schublade im Schreibtisch. Ich weiß, dass du … dass du sie früher schon ein paar Mal benutzt hast.“ Meine Worte sind immer leiser geworden. Ich weiß nicht, ob ich es bereuen sollte, es ihm so deutlich gesagt zu haben. Mein Körper bebt vor Angst und doch lege ich mich wieder hin, einfach neben ihn. Er rafft sich dazu auf mir zu antworten, schwerfällig, genervt, vor allem aber provokant und damit einherziehend, ist sein Schmunzeln zu hören: „Noch deutlicher hätte man es nicht sagen können oder?“ Ich antworte ihm nicht, traue mich nicht. „Ich gehe morgen.“, berichtet er mir leise, sieht nun aber endlich mal von der Decke ab, mir direkt in die Augen. Seine Worte eben haben es nur schlimmer gemacht. Ich kann nichts mehr sagen, so groß ist der Kloß in meinem Hals. Ich weiß doch, wie sehr er Sorge hasst, doch die leichten Tränen haben sich nicht zurück halten lassen. Mein Bauchgefühl macht mir zu schaffen. Was ist, wenn es Morgen zu spät ist? Er rappelt sich nun komplett auf, sieht mich abwertend von oben herab an und stöhnt aufgebracht: „Naaahhh, ist ja gut, ich gehe ja schon!“ Ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass er sich noch laut beschweren kann. Er nimmt sie sich, setzt sich für den Moment auf die Bettkante und sieht mich an. „Hör auf zu heul'n Großer. Is' alles ok, wirst schon sehen.“ Doch seine ruhige Tonlage in diesem Moment sagt mir nur wieder etwas anderes. Ein leichter Kuss schwebt über meine Stirn, dann geht er auch schon. Das Letzte, an was ich mich erinnere, sind meine eigenen Worte: „Danke Harmony, vielen Dank!“
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