Tja, da passt man einmal nicht auf und schon passieren so unübersichtliche und dumme Dinge.“, erklingt eine Stimme.
„Was? Wovon sprichst du?“, frage ich sofort nach. „Hast du es denn noch nicht bemerkt?“, spricht der erste erneut. „Was soll ich bemerkt haben?“ „Deine beiden Wächter, die dir neu zugeteilt wurden.“ „Was? Ach ja die, die sind heute nicht aufgetaucht. Ist aber auch kein Wunder. Als ob die mir folgen könnten!“, spiele ich mich auf, als wäre ich der Beste und könnte alles. Ich hoffe, man hört den Sarkasmus in meiner Stimme! Ich sehe zu meinem Gesprächspartner und wende mich schon gleich darauf ab. Ich liege ganz lang auf einem schwarzen Ledersofa und starre zur Decke. Man sieht mir die lange Weile geradezu an. Unter unser beider Stimmen, tut sich eine dritte auf, eine weibliche. „Nun tue nicht so, das heute ist eine wichtige Angelegenheit.“, spricht sie kindlich. Im selben Satz noch habe ich mich von meinem Rücken auf meinen Bauch gerollt und stecke meinen Kopf deprimiert in das Leder. „Was soll daran denn wichtig sein? Eine neue King, die noch dazu ziemlich lange gebraucht hat. Na gut …“, meine Blicke fallen den getönten Scheiben zu, „ … schön anzuschauen ist sie ja aber ansonsten ist da doch nichts besonderes dran.“ „Doch, doch. Wir brauchen doch auch mal wieder etwas Spielzeug. Wir langweilen uns nur zu Tode, wenn das so weiter geht.“ „Wenn das alles ist First, dann nimm dir paar Newbys und mache die fertig.“ „Langweilig … langweilig, langweilig, langweilig!!!“, beschwert er sich immer lauter werdend, bis er sogar wutentbrannt aufsteht und in die Reihen der etlichen Zuschauer blickt. „Fourth, sei nicht so gemein zu ihm. Er will doch nur Beschäftigung suchen, auch für dich.“ „Lilie, halte dich da bitte raus und vergiss endlich diese Zahlenfolge!“, beschwere ich mich und richte mich endlich wieder auf, nur um im nächsten Moment meinen Kopf verkrampft festzuhalten. „Siehst du, das hast du nun davon Seroll. Außerdem hast du doch mit den Zahlen angefangen!“, beschwert das Mädchen sich kindlich. Ich, Seroll, blicke nach ein paar Sekunden wieder auf und sehe in die weißen Augen eines jungen Mädchens im Rollstuhl. Ich nehme vertraut eine Hand hervor und legt sie leicht auf ihren Kopf. Sie lächelt einfach weiter und lässt sich die kleine Streicheleinheit gefallen. „Das habe ich doch nur gemacht, weil sein Name so unaussprechlich ist!“, murre ich die kleine nochmal an, doch diesmal antwortet sie nicht. Ein Glück. Ich muss irgendwie immer das letzte Wort haben. Hingegen der Halbmann mit dem Unaussprechlichen Namen: „Seroll, lass das. Nimm deine Pedohände von meiner kleinen Schwester!“ Gereizt stehe ich endlich mal auf und nähere mich dem First. Lauthals beschwere ich mich: „Was soll das denn heißen? Sehr erwachsen von dir, ehrlich!!!“ „Ich sage das nicht grundlos, ich sage nie etwas grundlos.“, gibt er zu bedenken und beruhigt mich so wieder. Ich werde nicht oft laut aber was solche übergrifflichkeiten angeht, bin ich äußerst empfindlich. Unser First deutet inzwischen mit einem Finger in die Zuschauerreihen: „Also entweder bist mal wieder auf Mädchenjagt oder die da gehört hier wirklich nicht hin!“ „ … Was?“, hinterfrage ich, nachdem ich begriffen habe, was er von mir will. Der First weiß genauso gut wie ich, dass ich nicht auf Mädchenjagt gehe und das noch weniger mithilfe meines Status. Diese Eigenschaft ist ganz allein dem Third zugeschrieben, welcher mal wieder in Begleitung zweier Mädchen auf dem größeren, ganz hinten stehendem U-Sofa liegt. Ich mache mir endlich mal die Mühe meine Augen anzustrengen und der Deutung meines obersten King's nachzugehen. Ich brauche eine Weile, eh ich in den Massen meine beiden Wächter entdecke. Ich braucht gerade deswegen so lange, weil ich sie bisher auch noch nicht gesehen habe. Ich weiß nur, dass es sich um Zwillinge handeln soll, große Zwillinge. „Na toll … “, stöhne ich frustriert. „Ich höre raus, dass das nicht dein Mädchen ist?“, hinterfragt eine zweite weibliche Stimme. Shiva. Es ist das erste Mal in dieser Nacht, dass sich der Third von seinen Begleitungen lösen kann. Er steht auf und will nun auch sehen, was sich alle schon so interessiert ansehen. Noch neugieriger will er wissen: „Was wirst du jetzt mit ihr tun? Also wenn du keine Ideen für Bestrafungsspiele hast, ich könnte da durchaus behilflich sein.“ Wenn er wenigstens seine Blicke auf das Mädchen in meiner Position richten könnte aber neeein! Es müssen unbedingt wieder seine Begleiter sein. Von mir aus soll er sie … „Ich weiß noch nicht. Lass mich das mal etwas genauer beobachten.“ Okay, ich weiß, schneller Wechsel meiner Entscheidungen aber als ich eben gesehen habe, wie die drei sich unterhalten, hat mich das irgendwie neugierig gemacht. Als ich damals angefangen habe, habe ich es auch geschafft mich unbemerkt zu unterhalten. Sie bewegen fast gar nicht ihre Lippen und schauen nach wie vor in die Area. Sehr durchdacht die drei. Dieses Mädchen schafft es nicht nur meine Wächter für sich zu gewinnen, sondern sich alles in allem als Fourth in die Menge zu schleichen und das ohne überhaupt aufzufallen. „Du willst dir das wirklich genauer betrachten?“, hakt unser King der Kings nach. Erst dann begreife ich selber, was ich da eben von mir gegeben habe aber ja … „Ja, mach ruhig. Ich bin gespannt auf ihre Reaktion.“, gebe ich mit finsterer Miene und finsterem Lächeln von mir. Es interessiert mich wirklich. Es fühlt sich an wie ein Spiel, ein Spiel abseits des Spiels. Fast automatisch mache ich das, was ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr getan habe. „Was ist jetzt los? Reizt die Kleine da unten dich doch so sehr?“, muss sogar unser First darüber grinsen aber soll er nur, mir egal. Nur Lilie's Kommentar ist kaum zu tolerieren. Sie quietscht so laut, dass es alle hören „Uuuu, sieh mal Shiva, Seroll holt seine Kamera raus. Ist das wirklich so interessant?“ Sie stellt sich zur Linken der Kleinen und muss nur Grinsen. Wie schade. So wird aus meinem Spiel wohl doch kein Spiel. Wenn alle dieses Mädchen da unten anstarren, wird sie schnell einen Rückzieher machen … Eben habe ich noch daran gedacht, wie eigenartig es ist, dass sich alle zu uns wenden. Inzwischen fange ich an zu verstehen. Was die Blicke anderer angehen, die auf mich halten, bin ich sehr empfindlich, egal ob hinter einer Scheibe oder nicht. Obwohl auch das verboten ist, so schaue ich doch von der Area weg, direkt zu diesen sogenannten Kings hinauf. Diese ganze Geschichte hier, dieses Spiel, dieser Fight, was auch immer, kommt mir so falsch vor. Es werden Personen auf einen Thron gestellt, der gar nicht existiert. Wieso macht man so etwas? Wieso lässt man Leute hier unten antreten, wenn sie gesundheitlich überhaupt nicht dazu in der Lage sind? Ich weiß, ich weiß nur zu gut, dass Sally sehr beharrlich sein kann, wenn sie etwas will aber … irgendwo muss man doch mal einen Schlussstrich ziehen oder? Sally, bitte … wenn du mich irgendwie hören kannst … gib bitte auf. Aufgeben ist keine Schande. Deine Gesundheit auf's Spiel zu setzen schon! Ich weiß nicht was hier läuft, wie das alles funktioniert und warum es dir so schlecht geht aber ich kann doch eins und eins zusammen zählen. Wenn du damit seit Monaten unser Geld verdienst, ist doch klar, woher deine Beschwerden kommen. Sally … „Oh, oh, oh, oh, ohhhhh! Soeben kommt die Nachricht des Tages rein meine Lieben!“, unterbricht der Kommentator all meine Gedanken. Er kündigt in heller Freude an: „Hört, hört, hört, hört, hört doch mal! Na, was für Laute werden da von sich gegeben? …“ Noch eh er überhaupt sagen kann worum es geht, freut sich die Menge schon wieder. Ich kann rein gar nichts hören, wenn die so brüllen. Den Kommentator scheint das nicht zu stören, Er spricht einfach weiter, sodass ich am Ende kein Stück weiser bin. Die anderen alle schauen nach wie vor auf das Feld, nur ich nicht. Nur ich Blicke zu diesen Leute herauf und bete für Sally's Gesundheit, als während der undeutlichen Ansage die getönten Scheiben der Kabine da oben herunter fahren. Ich wende meine Blicke trotz allem nicht davon ab. Ich finde nach wie vor, dass das hier nicht richtig ist und dazu stehe ich auch. Nur die beiden Jungs bei mir versuchen an mir zu zerren, so dass es keiner außer mir bemerkt. Ich soll wegsehen, ich soll wegsehen, verlangen sie innerlich bestimmt auch von mir aber nein! Das – hier – ist – falsch! Und dazu stehe ich auch! Ab der Hälfte etwa könnte man bestimmt Gesichter erkennen, wenn sie nicht so weit weg wären. Ja Gesichter! Zumindest das wird ganz klar sichtbar. Sie tragen alle keine Masken und nur die wenigsten haben ihr Gesicht mit Schminke verdeckt. Mein Blick ist eisern … also hart … noch … gut ok, wenn mich wer genauso anstarrt, kann ich dem überhaupt nicht stand halten. Gerade, weil sie wirklich alle hier runter schauen. Nervös erhasche ich nur einen Blick ganz genau. Ein Junge. Er sieht ziemlich kräftig aus, zumindest unter seinem langen Mantel, den hohen Springern und dem Militärslook darunter. Erst dachte ich noch, dass er ein Halstuch trägt aber das muss seine Maske sein, die er verkehrt herum umgebunden hat. Er schaut mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten kann. Ich weiß auch nicht, ob ich es könnte, wenn er denn vor mir stehen würde. Jedenfalls wendet er sich nicht von mir ab, ich jedoch umso mehr, gehe zwei Schritte zurück und versuche verkrampft wieder auf das Spielfeld zu achten. Es hat noch nicht mal angefangen und ich bin schon völlig fertig – als Zuschauer! „Also meine lieben Leute. Die Regeln sollten allen bekannt sein und trotzdem hier nochmal alle Erklärungen! Die Teilnehmer begeben sich in Startposition. 3 Minuten zum warmlaufen, gelten ab … jetzt!“ Danach sind alle wahllos gestartet, springen, hüpfen und gleiten über die Positionen. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob sie das wirklich des Aufwärmens zuliebe machen. Ihre Blicke tasten das ganze Gebiet ab. Gerade Sally gibt sich mühe, weil es ihr schwer fällt überhaupt ihre Augen offen zu halten. Ich will nicht in ihrer Haut stecken … wobei … wenn ihr das helfen würde. Aber eine der Regeln verbietet genau das doch. Ich kann also nicht … Die 3 Minuten nutzt der Kommentator um die Regeln laut zu verkünden: „Zuschauer und Teilnehmer aufgepasst, hier nun die Regeln: Im gesamten Gebiet sind kleine Goldmünzen versteckt, welche die Teilnehmer finden müssen. Wer am Ende die meisten hat, der gewinnt. Alle 3 Minuten, werden neue Fallen aktiviert. Vorher wird nichts angekündigt. Nicht erlaubt bei anderen Mitspielern sind: offensichtliche, körperliche Attacken, bis hin zu treten, beißen, spucken, fesseln. Teambildungen sind ebenfalls nicht erlaubt. Jeder kämpft für sich. Alles andere ist ERLAUBT! Ach und noch etwas … für die Newbys gilt wie immer einfach nur zu überleben!“ W-WAS?! Wie bitte?! Erst erzählt er von Fallen und dann von überleben? Was – Was wird das hier denn bitteschön? Wieder gehe ich ein paar Schritte zurück, doch diesmal nur, weil ich mich so sehr erschrocken habe. Die Blicke der Obersten sind mir so etwas von egal geworden. Es bringt nichts darüber zu philosophieren was richtig und was falsch ist. Sally, überlebe das einfach, klar?! „Wieso überleben? Was ist mit den Neuen?“, rutscht mir sofort raus. Die beiden Jungs fragen schon gar nicht mehr. Sie sehen geradeaus, wie alle anderen auch, stellen nicht in Frage, ob ich der 4. King bin oder nicht. Sie antworten einfach, soweit es ihre Mimik zulässt. „Keine Panik, nur ein Scherz … hofft man. Die Neuen wissen genau, worauf sie sich einlassen.“, kommt natürlich wieder von Séox. Heyvo macht es etwas ausführlicher für mich: „Sie testen nur, haben keine wirkliche Chance. Einfach nur zum üben.“ „Wer von den Zuschauern aber will, kann sich in Listen eintragen zu Zweier- oder Gruppenspielen mit oder gegen die Neuen.“ „Mit machen nur diejenigen, die Mitglieder für ihre Teams suchen und Potential in den Neuen sehen.“ „Wenn jemand genug Interesse hat, holen sie den jeweiligen Neuen auch gleich raus aus den A-Klasse-Kampf.“ „Also nur eine Show.“, fasse ich mal ganz knapp zusammen. „Hofft man immer.“, geben die Zwei letztendlich ganz frei zu. Show, ja aber eine gefährliche Show. Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, was das für Fallen sind. Das Mädchen da unten hat echt Mut. Die lässt sich nicht davon abschrecken, dass es Bestrafungen geben könnte. Vielleicht sollte man einfach mal eine Bestrafung durchziehen, als Einschüchterung für Eindringlinge. Sie sollte zumindest bemerkt haben, dass sie da MEINE Position einnimmt! Zumindest so viel Hirn kann man ihr bestimmt zutrauen aber … Warte mal. Warum geht sie jetzt zurück? „Warum ist sie nach hinten gegangen Seroll?“, ertönt die liebliche Stimme unserer Kleinsten. Ihr Bruder nimmt es sich an, genau auf diese Frage zu antworten: „Sie hat endlich Respekt vor uns bekommen. Sobald die Scheiben runter gehen, haben das alle.“ „Sie war ja eben noch ziemlich hartnäckig, hat noch keine großen Erfahrungen mit Bestrafungen. O man, die hätte ich echt gerne mal hier oben.“, mischt sich natürlich gleich Third wieder mit ein. Ich weiß nicht aber irgendwie fängt es an mich zu reizen, gerade weil er es sich heraus nimmt sich in ihr und mein Blickfeld zu stellen. Gemütlich hat er sich auf den hohen Fenstersockel gelehnt und sieht verträumt zu ihr herunter. „Hey, stell dich nicht in mein Bild!“, rutscht es mir fast automatisch heraus. So ungezähmt. Eigenartig für mich. „O, o, o, da ist heute aber jemand mutig. Erst First und dann Third. Als Fourth sollte man sich das nicht getrauen.“ „Sei endlich still! Das ist nicht deine Angelegenheit!“, ertönt mal eine neue Stimme, eine … leise, murrende Stimme. Schläfrig. Den kenne nicht mal ich bisher. Gut, ich bin auch selten bei solchen Veranstaltungen dabei aber was sagt das schon. „Seltsam, Fourth hat nichts zu sagen aber Sixth schon, solange er dein großer Bruder ist, hmm?“ Autsch, sein Bruder und unser First gegen ihn, da kann er sich kaum wehren. Schon fast freiwillig geht er vom Sockel, setzt sich anschließend sogar zu seinem Bruder, anstatt zu seiner Begleitung. „Sei endlich still und leg dich hin!“, murmelt der Ältere seinem Bruder zu. Trotz seiner Begleitungen hört er wieder auf seinen Bruder und legt sich direkt neben ihn. Der Kerl im dauerhaften Halbschlaf zieht den Jüngeren an sich, indem er seinen Arm um ihn legt. Ich habe ja schon von dieser verkorksten Familie gehört aber dass zwei Brüder, 19 und 17, noch immer im gleichen Bett schlafen, es sogar so wollen! Da fällt mir nur eins zu ein: unpraktisch als Brüder geboren worden zu sein, wenn man etwas voneinander will. Meine Blicke gehen trotzdem für den Moment zu ihnen nach hinten. Ach was, nein … Ich kenne Sixth zwar nicht aber seinem Ruf entsprechend schläft er 80% des Tages. Als jüngerer Bruder macht man das bestimmt nur noch, weil man wenigstens etwas Zeit mit seinem Älteren verbringen will. Sie verstehen sich halt gut. Wäre manchmal vielleicht einfacher zu verstehen, wenn ich auch Geschwister hätte. „Was ist? Neidisch?“, toleriert der Ältere meine Blicke nicht wirklich. Seine trägen Augen, von Augenringen umrahmt, erreichen gerade so meine Silhouette vor seinen Augen. Sein getrübter Blick verrät ihm nicht, wer da weiter entfernt alles vor ihm steht. Seinen Kopf wieder sinken lassend, murmelt er irgendetwas vor sich her, was Third anschließend für uns übersetzt: „Es tut ihm leid, war nicht so gemeint.“ „Was wird nun aus deinem Mädchen da? Was hast mit ihr vor?“, interessiert sich langsam auch First wieder. Die anderen hat er inzwischen angewiesen sich um Cat Doll zu scheren. Nur er und ich haben noch einen Blick auf die Kleine. Ich nehme meine kleine Kamera vor mich und halte damit genau auf die Kleine zu, während ich mich nun mit meinen Ellenbogen auf den Sockel stütze, so wie es Third zuvor getan hat. Ich zoome soweit ran, dass ich sie so ziemlich genau sehen kann. Kein gewagtes Outfit, nichts besonderes. Sie kann nicht geplant haben hier her zu kommen, erst Recht nicht als King. Ich weiß, ich habe mein Ticket erst verloren aber dass es jemand finden und benutzen würde, damit hätte ich wohl kaum rechnen können. Sie dafür zu bestrafen wäre daher eigentlich falsch, schließlich war es meine Schuld. Ob sie wohl weiß … Kaum gehe ich diesen einen Gedanken ein, schon zuckt sie zusammen und fragt meine Wächter irgendetwas aus. Der Typ liest eben die Regeln vor. Alles klar, jetzt verstehe ich langsam. „Alles klar, ich habe eine Bestrafung.“, gebe ich so deutlich von mir, dass plötzlich alle anderen aufmerksam werden, ja sogar Sixth. Der sieht zwar nicht hin, weiß aber ganz genau, dass es hier um einen Eindringlich geht. Er erhebt sich mal wieder etwas. Schon verwunderlich, dass so ein kleines Mädchen die Aufmerksamkeit aller auf sich ziehen kann. „Was hast du vor Seroll?“ „First … hast du vor nachher mitzulaufen? Wir wissen eh alle, dass Cat Doll aufsteigen wird. Also …“ „Nochmal die Frage: Was hast du vor?“, wird der neben mir strenger. Ich schaue lediglich mit offenen Augen zu ihm. „Wenn es nicht nötig ist, dann mache ich nicht mit. War ja nur meine Idee jemand neues zum spielen hier hoch zu holen!“, schmollt er halb. Ja, wie bereits erwähnt, unser Ältester und First ist hier auch 'der Erwachsenste'. „Also … ich laufe nicht mit diesmal.“, erwähnt Lilie mal so ganz beiläufig. „Alles klar … dann wären wir ja 10!“, gebe ich mal so ganz knapp bekannt. Die anderen wissen sofort, was ich meine, verstehen aber rein gar nichts. „Erklär's uns, warum?“, hält sich First ganz kurz. „Sie kann nicht viel Erfahrung haben. Ich rate mal, sie ist höchstens in der E-Klasse, wenn überhaupt. Sie wird leiden, wenn wir sie die Runde mitmachen lassen. Als Fourth!!!“ „Damit machst du deinen Ruf kaputt.“ „Mir egal First.“ Schultern zuckend wendet er sich endlich von meinem Spielzeug für heute Abend ab. Soll sich First ruhig Cat Doll krallen, ich nehme die Kleine! Doch irgendetwas an ihr erscheint mir komisch. Sie ist wieder näher ans Geländer getreten und schaut sich voller Begeisterung aber auch irgendwie voller Sorge mit an, was da alles passiert. Vor etwa 15 Minuten wurde das Spiel begonnen. Jeder hat schon seine Münzen und jetzt wird sich nur noch gegenseitig abgezockt. Die Fallen kennen die meisten der A-Klasse-Spieler bereits. Erst die Fallgruben, dann die beweglichen Netze, danach das Feuer, das sich ausbreitet, anschließend werden Windströme erzeugt, die einen mehr überlegen lassen, was man tun muss und jetzt müssten die beweglichen Säulen dran kommen. Wer das schon hundert mal gemacht hat, so wie wir, der muss da keine Angst mehr drum haben. Also … was hat sie? Warum ich meine Kamera immer auf so etwas halte? Weil die Kamera oft Dinge einfängt, die man im ersten Moment gar nicht begreifen kann. Ihr Blick … verrät eigentlich schon alles … Ja, natürlich habe ich bemerkt, wie sich die Blicke derer über uns verändert haben. Erst sind es mehr geworden, dann weniger, bis nun letztendlich fast gar keine mehr übrig sind. Lediglich 2 Augenpaare richten sich auf uns, was es nicht gerade beruhigender für mich macht. Nur alle 3 Minuten, alle 3 Minuten verfalle ich in eine Art neue Panik. Was sie sich hier für Tricks haben einfallen lassen, nur damit die Spieler außer Kontrolle geraten und somit 'ihre Münzen' verlieren. Sehen sie denn nicht, dass sich die Scater dabei wirklich schwer verletzen können? „Beruhigt euch King-sama.“ „Bitte, wir fallen noch auf.“, reden mir beide Jungs dazwischen, je mehr ich zusammen zucke und je mehr mein Körper zittert. Anfangs haben nicht mal sie es mitbekommen, doch inzwischen strömt mir der Duft ihrer ausbreitenden Sorge auch noch entgegen. Wie soll ich denn da noch ruhig stehen bleiben können? Ich bin so nah an den Fenstersims heran gegangen, dass ich mich fest daran festhalten kann. Meine Finger bohren sich schon bald in die Steinbauer und das nicht nur wegen der Spannung. Sally kann kaum noch richtig atmen. Sie kann ja nicht mal richtig stehen. Warum sieht das denn keiner? Kann denn keiner Cat Doll so wirklich einschätzen? Gerade schaue ich wieder gebannt auf meine Armbanduhr. Ja, Handys kann sich eben nicht jeder leisten und eine Armbanduhr tut es eben auch. Noch 5 Sekunden, bis sich wieder etwas ändert. 5 Sekunden, die ich kaum noch aushalte. Mich halb von der gefühlten Exekution meiner großen Schwester abwendend, muss ich noch eins von den beiden wissen. „Wie lange geht die Runde?“ „Kommt darauf an, 5 Minuten noch mindestens. Wenn die Spieler noch fit genug sind, wird es länger gehen oder wenn die Anzahl der Münzen bei einigen Spielern gleich ist, wird erneut eine Runde gestartet. Jeder wird in eine Ecke gestellt und es ginge weiter.“ Dass die Beiden sich langsam nicht mal fragen, warum ich keine Ahnung von dem Spiel habe, wundert mich wirklich sehr. „Séox hat schon Recht aber …“ „Vergiss das Heyvo. Als ob der First-King-sama eingreifen würde!“ Mein fragender Blick sagt alles. Ich will wissen, was sein Bruder am besten vergessen sollte. Also gehe ich merklich einen Schritt zu ihm. „Der First-King kann, wie die Teams bei den Newby's, einfach sagen Stopp. Dann ist die Runde komplett vorbei und die betreffende Person wird aufgestuft. Danach kommt der zweite Lauf, zur Krönung zum King.“ Séox hat also Recht. Das wird nicht passieren. Sie wollen sie krönen, ja, aber dafür ein Spiel unterbrechen würde heißen, dass sie sie nötig hätten. So etwas würden Könige, erst Recht solche, doch niemals zugeben … oder? Die 5 Sekunden sind zum Glück schon herum. Das erste Mal, dass ich nicht zusammen gezuckt bin. Als ich wieder hinsehe und merke, wie sich die Säulen mal langsam, mal schnell auf und ab bewegen, kann ich es kaum noch glauben. Wie soll man jetzt noch ordentlich spielen können? Exekution, wie bereits gesagt, mehr ist das nicht! Mich beschleicht ein immer übler werdendes Gefühl, welches sich beinahe als übergeben ausdrücken möchte. Mein Magen spielt völlig verrückt, als dann wirklich das passiert, wovor ich mich die ganze Zeit gefürchtet habe. Man konnte es ihr schon vorher ansehen. Dieser eine Aufschwung die Säule hinauf, war zu viel. Ihre Beine wollten ja schon nicht mehr, als sie von unten her versucht hat hinauf zu fahren. Jetzt, wo sie da in der Luft schwebt und keine Kontrolle mehr darüber hat, was passiert und wie es passiert, musste es ja soweit kommen. Stünde sie in meiner Position, hätte sie das alles sicher berechnen können aber da unten, auf sich allein gestellt, ist das völlig unmöglich. Einer der künstlichen Luftströme reißt sie mit. Damit kann sie ja noch gerechnet haben aber nicht mit dem zufällig aufkommenden, ECHTEN Luftstrom. Man kann sehen, wie sie weiter getragen wird, als es ihr lieb ist und wie sie nicht weiß, was darunter auf sie wartet. Für sie ist das vielleicht wieder nur irgendeine Säule, die sie rauf und runter fahren kann aber der angeschlagene Takt dessen Bewegung sagt mir, dass sie sich gleich wieder schneller bewegen wird und Sally … nein … Natürlich reicht das noch nicht. Natürlich muss man meine Schwester noch weiter quälen, indem sich ihre Beine gar nicht mehr bewegen lassen. Warum sieht das keiner? Warum … Mir wird schlecht, schlecht vom zusehen aber vor allem vom nichts tun. Mir egal, was darauf nun für eine Bestrafung folgt. Alles egal … völlig egal … Aus dem Bauch heraus, lasse ich meiner Übelkeit freien lauf. Sie drückt sich anders aus als erwartet. Ein lauter Aufruf durchdringt die Stille, ein Aufruf nach Cat Doll. Wenn ich schon gegen die Regeln verstoße, dann wohl gegen alle, muss sich mein Unterbewusstsein gesagt haben. Ihr Name erklingt lauthals im Aufschrei und ich spüre nur noch, wie sich mein völlig fremd anfühlender Körper von allein bewegt. Erst als ich den Anlauf sehe, den mein Körper nehmen will, bekomme ich wieder Gefühl in meinen Gliedmaßen. Wirklich in den MEINEN Gliedmaßen. Ich muss nur … Hauptsache sie fällt nicht … Auf den Sockel des offenen Fensters zu sprintend, spüre ich sogleich auch nur noch, wie die beiden mir aus den Weg gegangen sind und ich mich kräftig mit dem noch standhaften Bein abdrücke. Meinen Arm strecke ich schier unendlich weit aus, zumindest gefühlt. Sally, du darfst nicht fallen, nicht so … verzeih mir bitte, dass ich mich da mit einmischen muss … … Ihr Blick … der verrät doch alles … Sie wird doch wohl nicht? Was hat sie denn bitte vor für Scheiße zu bauen?!? O nein … O Gott! Das ist mit keinem Argument eines Kings mehr zu rechtfertigen. Was wird aus meinem Spiel kleines Mädchen? „Ähm … First …“ „Schon gesehen. Greif ein!“, befielt er mir streng. Ich soll einfach ins Spiel springen? Ohne Bestrafung? ... Egal! Ich drücke schon völlig automatisch die Knöpfe an meinen Knien. Es braucht nur Sekunden … „SALLY!!!!!“, rufe ich nochmal, so laut es meine Lunge noch zulässt. Es muss das erste Mal sein, dass sich jemand so in diese Spiele einmischt. Sofort wird das Schweigen der Masse durchbrochen. Zumindest einen Arm strecke ich soweit nach vorn, dass ich sagen kann, weiter geht’s nicht. Trotzdem … ich muss noch weiter kommen. Sie ist doch noch so weit weg und trotzdem … trotzdem kann ich ihre entsetzten, von der Bewusstlosigkeit inzwischen wieder weit entfernten Blicke, einfangen. Sie starrt mich geradewegs an, kann mich kaum erkennen. Diese Maske … diese dämliche Maske … ich verstoße so schon gegen alle Regeln, warum also nicht auch noch gegen diese? Was zögere ich noch? Gar nicht! Ich zögere nicht, nicht wenn es um Sally geht. Die Maske fällt hinter meinem Rücken schon fast automatisch runter. Erst als sie mein Gesicht sehen kann, erkennt sie auch mich darunter. Ihre Augen gehen nur noch weiter auf. Sie glaubt es nicht. Sie glaubt nicht, dass ich hier bin. Mehr, mehr, mehr! Ich muss weiter kommen, weiter!!! Mein Körper brennt schon fast, so sehr schmerzen all meine Knochen vom weiten strecken. Ähm, was? Schmerzen? Scheiße! Die Mittel vom Arzt helfen langsam nicht mehr. Scheiße! N-Nein … „Verdammte Gören, alle Beide!!!“, mischt sich eine dritte Stimme mit ein. Ich weiß sofort, wer da spricht. Es ist dieser Unbekannte, den die Jungs erst auch nicht erkannt haben. Kopfschüttelnd kann ich nicht zulassen, dass sein Gebrüll mich ablenkt. Es reicht schon, wenn meine Schmerzen ihr bestes geben, mich von Sally's Rettung abzuhalten. Sally, Sally, Sally!!!! Meine Augen verkrampft schließend, spreize ich Arm, Hand und jeden einzelnen Finger so weit von mir, dass alles darin knackt und … endlich … kann ich ihren flauschig weichen, verdreckten Bolero an meiner Hand spüren. An der gesamten Hand. Ich zögere nicht sie an mich zu ziehen, doch Sally bleibt nicht stumm. Sie stellt die Frage, über die ich mir vorher vielleicht mal hätte Gedanken mache sollen: „Und jetzt?“ Ganz genau: und jetzt? Ich habe nicht so tolle Boots, mit denen ich mich abfangen kann. Dem ganzen denken, fallen und gewusle der Menschenmassen wohnt plötzlich noch ein lauter, schriller Ton bei. Ein Ton, wie er erst beim Start auch schon gefallen ist. „Dummköpfe! Erst denken, dann handeln!!!“, ertönt wieder die Stimme des Unbekannten. Meine zum Boden geneigten Blicke können hier in der Luft nicht erahnen, wie nah dieser Kerl uns schon ist. Kaum habe ich Sally im Griff und sie mir diese bedeutend gute Frage gestellt, spüre ich auch schon einen Arm um meine Hüfte. Seinen anderen sehe ich nur um meine Schwester gleiten. Egal wer oder was er ist aber eins sollte er ganz dringend tun: „Halte sie gefälligst mehr fest. Sie kann doch kaum noch laufen!!!“ Ungehalten reagiere ich nur selten, zumindest so ungehalten wie hier in der Area. Ich kann nur froh sein, dass zwischen meinem Geschrei eine weitere Stimme Laute von sich gibt und mich so übertönt. Die dritte Person bei uns war für Sekunden so perplex, dass er uns beinahe wieder losgelassen hätte. Bevor wir mit voller Kraft auf dem Boden aufschlagen können, tut er endlich, was ich verlangt habe. Meine Augen schon wieder panisch schließend … spüre ich zumindest keinen harten Aufprall. Damit das keiner falsch versteht, ich spüre zumindest den harten, sandigen Boden unter uns. Also tot bin ich nicht. Schwerfällig öffnen sich meine Lider. Blinzelnd ergibt sich nach und nach ein klares Bild vor mir und ich schaue endlich wieder auf, mit dem Ergebnis, dass mich der Schock sofort nach hinten gegen die nächstbeste Säule fallen lässt. Wer ahnt denn auch, dass man beim ersten Blick nach oben sofort einen Drachen erblicken würde?!? Ich meine … einen Drachen!!! Erst danach fällt mir ein, zumindest meine Kapuze wieder aufzusetzen. Nicht wegen dieser doofen Regeln. Es ist einfach … von so nahem … und fremde Menschen … Damit umzugehen ist nicht so einfach. Ich verstecke mich immer lieber vor solchen Situationen. Als Sally mit ansieht, wie ich mir verkrampft meine Kapuze über die Ohren zerre, kann sie nicht anders, als darüber zu lachen. Sie kann lachen. Sie kann in ihrer Situation wirklich noch lachen. Das macht mich glücklich und traurig gleichermaßen. Besorgt krauche ich auf Knien zu ihr herüber. „Wie geht’s dir Sa …“, ich unterbreche mich schon selbst, doch sie korrigiert nochmal. „Cat Doll. Ich denke nicht besser als dir.“ Wie kann das denn sein? Sie kann kaum noch aufstehen oder laufen. Wie kommt sie dazu solche Dinge zu behaupten? Lügen liegt ihr sonst doch besser. Von wegen ihr geht es gut, ihre Arbeit ist schön, macht ihr riesen Spaß und alle sind nett zu ihr. Tzzz, Sally … geglaubt habe ich dir das ja noch nie aber jetzt zu wissen, in was für Gefahren zu dich begibst ist einfach nur noch … „Hey du … setz deine Maske auf!“, unterbricht der dritte unserer Runde unser kleines Gespräch, als er auch schon wieder schweigt. All diese Gedankenfetzen in meinem Kopf haben sich zu einer Handlung zusammen gefügt, bevor sich mein Hirn einschalten konnte. Mit meiner Hand weit ausholend, habe ich einfach zugeschlagen, in ihr Gesicht. Ihr Gesicht hat sich zur Seite dem Boden zugeneigt, so kräftig muss mein Schlag gewesen sein. Dieser Typ hinter der Drachenmaske ist inzwischen aufgestanden und sieht zu den Massen herauf. Sie haben uns nicht gesehen, sehen auch nicht, wie mir die Tränen in den Augen stehen und ich böse meine Zähne zusammen beiße. Sally wirkt nach wie vor ruhig, sieht mich aber nicht an. Sie hat diese Ohrfeige einfach akzeptiert und auch meine Tränen akzeptiert sie. Ihre Beine mögen zwar nicht mehr funktionieren aber der Rest ihres Körpers schon. Also stemmt sie sich auf ihre Arme, holt aus einer Tasche alle gesammelten Münzen und legt sie vor mich. Ich weiß wirklich nicht was das bringen soll, denn meine Wut verstummt nicht … meine Wut um ihr Wohlergehen, auf sie. Nur ist das alles völlig fehl am Platz. Sie jetzt dafür anzuschreien und weiter vorzuführen bringt nichts. Ich beiße mir schmerzhaft auf die Zunge und balle meine Hände zu Fäusten. Sie sagt nichts. Ich habe erwartet, dass sie mir irgendwie versuchen würde zu erklären, was dieses Selbstmordkommando zu sagen hätte aber nichts. Sie schaut mich nur mit klaren, offenen Augen an, so wie ich es tue, wenn ich von etwas vollstens überzeugt bin. Trotz der Schmerzen steht sie völlig hinter diesem Sport. Warum? Warum tut man so etwas? Ich kann es nicht verstehen aber … aber für Sally, muss ich das jetzt einfach vergessen. Als sich mein Verstand klart, greife ich nach den gesammelten Münzen vor mir und stehe auf. Es dauert keine Sekunde, da stehen schon die nächsten beiden hinter mir. Nur einer handelt und hält mir die Maske entgegen. Séox. O nein, jetzt wissen sie es auf jeden Fall. Ich nehme die Maske entgegen, ohne die Zwei dabei anzuschauen. Ich schäme mich ja auch dafür aber jetzt … jetzt weiß ich auch, dass sich dieses ganze Theater gelohnt hat. Ohne das hätte ich niemals herausgefunden, was sich Sally da antut. Also … egal, wie sehr die Beiden mich dafür hassen sollten … „Danke! … Ich danke euch und … tut mir leid.“
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