Alexy hört natürlich wie immer nicht auf mich. Da kann man ihm sagen was man will. Er zieht viel zu stark am Joint. Er lässt gleich darauf auch schon davon ab und muss lautstark husten. Er dreht sich direkt zu mir um, versucht sein Husten zwischen uns zu ersticken.
„Ich sagte doch, nicht ganz so stark! Machst du immer gegenteiliges von dem, was ich von dir will? Wer bist du?“ „T-Tut mir doch … doch leid.“, presst er schwer hervor, doch sein Wasser hilft dann endlich. Eine Weile später ist dann auch die selbsternannte Künstlerin aufgetaucht, hat endlich verstanden worum es geht. Sie war daraufhin irgendwie eine ganze Weile lang ruhig, Lex genauso. Er liegt halb abwesend auf mir, will auch gar nicht von mir ablassen. Mein Schädel arbeitet auch nur noch so halb, nimmt zwar alles auf, verarbeitet aber nur die Hälfte. Vielleicht habe ich deswegen ja erst so laut gelacht? A-Ach wer weiß, will doch nicht nachdenken … Mir bleibt nur nichts anderes übrig, bei folgender Bitte des Mädchens: „Kannst … Kannst du mir dabei helfen?“ Ooohhh na toll, das hat gerade noch gefehlt. Da gebe ich ihr schon ungewollt so einen blöden Anstoß in die richtige Richtung und jetzt liegt so etwas wie Verantwortung komplett auf mir oder was? Bevor ich etwas sage, tut es Alexy. Er kann froh sein, dass er THC in sich hat und ich genauso, ansonsten wäre das eine böse Aussage, mit noch böseren Reaktionen: „Harmony, helfen? Wobei? D-Das kann ja nicht gut gehen …“ Stattdessen blicke ich ihn nur schief an und ignoriere ihn anschließend. Er bemerkt es schneller als gedacht, bettelt förmlich wieder um meine Aufmerksamkeit. Diesmal ist es keine Wut, die mich das ignorieren lässt, eher Gleichgültigkeit oder so. Jedenfalls stimme ich dem kleinen Mädchen zu. Hhjaaah klein, sie ist ein paar Zentimeter niedriger als ich. „Na gut, wenn du so darum bettelst. Du machst auch wirklich alles, was ich von dir will?“, sehe ich sie überlegen an. Sie weiß hoffentlich, was es heißt, mir jetzt zuzustimmen! „Ä-Ähhh, hj-jaah, gut ok.“, stottert sie überlegend zusammen, ob das wohl wirklich die richtige Entscheidung gewesen ist. Das klingt nun wieder nach einer Menge Spaß und nach einer perfekten Ablenkung von Sonstigem. Lex folgt uns natürlich, klebt mit ein paar Fingern an meinem bauchfreiem Top, nur um irgendwie an meine Aufmerksamkeit zu gelangen. Irgendwie gewöhnt man sich schnell an die von ihm ausgesuchten Sachen. Nach dazu, wenn man seinen Griff dadurch noch leichter ausblenden kann. „Zuerst zum Friseur.“, berichte ich dem Mädchen links von mir knapp. Viola widerspricht nicht. Wir schauen auf einem der großen, beleuchteten Pläne nach, wo der nächstbeste Laden ist. Hier gibt es echt zu viele davon. Ich habe also keine Ahnung, wo genau es mal langgehen soll. Fast schon unbewusst entfernen wir Drei uns dabei von den Anderen und das in so einem Kaufhaus. Wenn wir Glück haben, sehen wir die heute nicht nochmal wieder. Lex erklärt uns, zu welchem er immer geht und von welchen Läden er Gutes und Schlechtes gehört hat. Irgendwie geht die Hälfte von dem was er Erzählt zwischen drinnen verloren, noch während er spricht. V-Vielleicht war das ja doch ein wenig zu viel Gras aber was soll's, ich wollte mein Hirn ja eh wegballern. „Wir nehmen den da.“, dabei tippe ich eigentlich eher wahllos auf einen drauf und entziffere auch erst hinterher, was genau da eigentlich steht. 'Sidecut' Ahhh, klingt genau nach dem, was wir vor haben. Lex beschwert sich noch, ob wir nicht zugehört haben, was er gesagt hat. Muss also 'n Laden mit 'nem schlechten Ruf sein. Na ja, werden wir ja sehen. Schmollend hängt sich mein Großer wieder an mich und lässt sich mit zerren. Als wir es dann endlich mal geschafft haben zu dem Laden zu kommen, würde ich vom ersten Betrachten her sagen, dass der Laden einer Frau gehört aber falsch gedacht. Mit einem lauten: „Ohhhh, hallooohooo!“, werden wir begrüßt. Ein … Mann? Wenn man den so nennen kann. Er hat auf jeden Fall einen schwarz-weißen Anzug mit sofort auffälligem Leo-Muster an, hat blondes Haar, zu einem kleinen Irokesen hoch gestylt und so … keine Ahnung … so pinkes, rosanes Federnzeugs um den Hals und die Arme. Ohne richtig in sein Gesicht zu sehen, weiß ich, dass er leuchtet wie eine Discokugel. Überall Glitterzeugs, pinke Augenbrauen und furchtbar geschminkte Augen. Für einen Moment schlucke ich stark aber okay, der Laden wird schon reichen. Außerdem … wer steht ihm denn bitte gegenüber? Mir fehlt doch selbst nur dieser Glitzerstaub im Gesicht und ich könnte genauso ausschauen … oder zumindest so ähnlich. „Jo, hi.“, halte ich mich knapp, komme gleich zum Wesentlichen. Ich schubse die Kleine direkt vor den Mann, als würde man einem Hai Futter vorwerfen. „Die da braucht Hilfe.“, mache ich genauso knapp weiter wie bereits angefangen. „Hmm, uuu, lass mal sehen. Was hätte das junge Fräulein denn gern?“, fragt er direkt sie, mit künstlich hochgestellter Stimme und ganz furchtbarer Aussprache. Lex krallt sich mit beiden Händen an meinem Arm fest, hat sogar Gänsehaut wegen dem Kerl. „Ich hab's Kommando. Rechte Seite ganz ab, ihre Zöpfe raus und etwas unanständigere Frisur. Muss auffallen die Kleine.“ „Hmmhmmm, unanständig also, rrooaaarrr. Na das bekommen wir hin.“ Dabei zeigt er auch noch seine ach so tollen Krallen, die er ausfahren kann. Mein Gott, wie alt ist der Typ? Ich bin ja schon krass aber der? Da bin ich nun doch wieder ganz froh meinen Lex zu haben. Ach ja, was macht der überhaupt? Zu ihm zurück schauend, bereitet mir sein Verhalten wie so oft eine menge Spaß! Der schweigt nach meiner Ansage erst mal. Man sieht ihm an, dass er etwas gegen meine Anweisung hat, doch traut sich nicht zu sagen, weil ich ihn ja eh schon die ganze Zeit ignoriere. Er kann sich das Mädchen wohl nicht so vorstellen aber das wird er schon bald. Der Typ setzt sich sofort daran sie wilder zu gestalten. Wir warten in der Zeit, setzen uns. Ich jedoch bin irgendwie hibbelig, schleiche ständig um die Zwei herum und schaue, ob auch wirklich alles läuft, wie ich das will. Ich glaube, das lenkt den Friseur ab. Schon allein deswegen kann ich doch nicht so einfach damit aufhören! Innerlich feiere ich das nur wieder und schnaube jedes Mal belustigt, wenn er innehält und wartet, dass ich ein Stück weiter gehe. „A-A-Also so kann ich nicht arbeiten!“, versucht er sich zu beschweren, klingt aber mehr nach heulendem Kind. Ich höre nicht drauf, tanze weiter um Beide herum, bis er seine Aussage wiederholt und weiter ausführt, „Bei so einem Schnuckelchen wie dir kann ich mich wirklich nicht auf die Arbeit konzentrieren.“ „B-Bei was?!“, frage ich entsetzt nach, will mir das gar nicht vorstellen müssen u-und gehe zumindest mal zwei Schritte zurück. Boaaar, widerlich! Ich musste heute schon einmal kotzen, bitte nicht gleich wieder! „Danke mein Lieber. Das gibt mir etwas Platz zum Atmen. Im Übrigen ist dein Outfit zum anbeißen, echt heiß. Und wir haben beide Leo-Look. Das ist bestimmt ein Zeichen.“ M-Macht der mich echt an?! Ehrlich gesagt reicht es mir gerade, dass mich hier drinnen einer auf die Art mag. Genau dieser Welche, der sich nach letzterer Aussage von seinem Platz erhoben hat und mir von hinten um den Hals fällt. Er schlingt sich härter als sonst um mich, zittert aus Angst, dass ich seine Arme losreißen könnte. „H-He-He-He, i-ich gehöre dem hier schon!“, stottert er nervös zusammen. Die kleine Biatch erfreut sich natürlich daran. Ungläubig zieht der Kerl vor uns eine Augenbraue hoch. „St-Stimmt, d-der hier gehört echt mir.“, gerate sogar ich ins Stottern. Der Kerl ist ja wirklich zu viel. Also, wenn mein Outfit echt solche Homo's anzieht, dann wird das gleich morgen weggeschmissen. Gruuuuselig. Er nimmt seinen Zeigefinger an seine Lippen, fährt darüber und spricht: „Naaaw, seid doch nicht solche Spielverderber. Ich habe auch nichts dagegen von euch beiden unterworfen zu werden. Ihr seid doch Beide richtig süß, mioooww.“ Jetzt bekommt auch Lex wieder Gänsehaut, weiß nichts zu sagen und versteckt sich mehr hinter mir, als dass er mich für sich beansprucht. Mist, jetzt wäre ein bisschen mehr Hirn echt von Vorteil. Stattdessen deute ich einfach auf die Tür. „Ä-Ähhh, w-wir warten dann wohl dr-draußen.“ Ich brauchte das nicht mal richtig aussprechen, da stehen wir schon vor dem Laden. „Und DESWEGEN meide ich den so sehr! Hoffentlich überlebt Vio das.“, knurrt der Junge hinter mir, der sich nach wie vor da versteckt. „Beschwere dich nicht! Laber' kein Scheiß, dann ignorier' ich dich auch nich'.“ „I-Ich vertraue dir doch sonst bei allem aber … Vio ist eben …“ „Brav? Das ändern wir! Und jetzt setz dich endlich oder willst mich hier allein am Boden hocken lassen?“, murre ich ihn gleich wieder an. Also echt Lex, so langsam scheinst du alles zu verlernen und das nur wegen dem bisschen Gras in dir! Als ich ihm das auch nur sage, dauert es nicht lang bis er neben mir sitzt. Manno, das ging mal alles ohne Aufforderungen. Dummkopf! Dummer Dummkopf! Verlerne doch nicht alles, nur weil wir uns ab und zu mal zoffen! Je länger er aber bei mir sitzt, desto mehr kann ich den Gedanken wieder loswerden. Wir warten darauf, dass sie endlich nach draußen kommt. Der Mann braucht gar nicht mal so lange wie vermutet. Den Cut hat sie, die Zöpfe hat er ihr auch genommen, hinten ist ihr Haar kürzer geworden aber vorn hat er lang gelassen. Mit bisschen Spray und vielen, vielen Stufen sieht das schon ganz in Ordnung so aus. „Akzeptiert. Wie viel?“, sind mal wieder meine knappen Worte. Immerhin, es könnte jedes Wort zu viel sein, sodass er wieder anfängt so seltsam Sachen zu sagen. Der Typ schafft mich, aber so was von! Ich bezahle und bin eigentlich recht froh endlich da weg zu sein. Das Mädchen jedoch schaut besorgt ihr langes Haar am Pony an. Sie sagt nichts. Ihre Zweifel sind aber umso größer und noch viel einfacher aus ihr heraus zu lesen. Tja, Pech gehabt, wolltest es ja so. „Du sagtest, ich darf machen, also los jetzt. Das wird auf jeden helfen, glaub's mal.“, grinse ich sie breit an. Das ist nur die Umgewöhnung, wegen der sie so skeptisch schaut. Es war ja immerhin auch ihre eigene Entscheidung. Außerdem haben wir noch ein bisschen was vor, keine Zeit um vor sich hin zu schmollen. „Jetzt runter. Diesmal weiß ich genau wo hin.“ Mein gehässiges Grinsen verrät, dass ich etwas mehr vor habe, als nur diesen neuen Haarschnitt. Als wir uns dann aber vor einem Piercingladen wieder finden, steht beiden Begleitern der Mund weit offen. „Du willst doch nicht wirklich …“ „Doooch Lex, klaro!“, wird mein Grinsen immer breiter. Er getraut sich nicht mehr zu sagen und das ist eindeutig besser so für ihn. Am Ende gäbe es nur nochmal Ärger deswegen und das will er sich ganz offensichtlich ersparen. Im Laden drinnen, schaut uns ein ziemlich großer, extrem bulliger Glatzkopf an. So ein typisches Rocker-Auftreten. Sein Charakter … hmm, hier stehen Stofftiere herum. Ich glaube, das verrät alles. „Wie kann ich euch denn weiter helfen? Erstes Tattoo? Erstes Piercing?“ Ich sehe einmal nach links zu Lex und dann nach rechts zu Viola, grinse zu breit, zu herausfordernd. „Hmmm, vielleicht ja doch gleich …“ Man sieht die Anspannung in beiden Gesichtern noch bevor ich ausspreche. So ein göttliches Bild, einfach perfekt. Tränen lachend kann ich endlich antworten: „Sie nimmt nur ein paar Piercings am Ohr, so wie bei mir. Rechts. Zwei.“ Der Rocker sieht Biatch überlegend an, stützt sich auf einer Faust auf seinem Tischchen ab und lässt seine Blicke nicht mehr von ihr. Ich glaube, an ihrer Stelle wäre ich auch nervös, also noch nervöser als zuvor. „T-Tut das auch nicht w-weh?“, jammert, stottert sie. Bulli schaut wieder zu mir: „Sicher, dass sie so etwas will?“ Grinsend bestätige ich nochmal, dass sie das nicht nur einfach will, sondern richtig braucht! Also erhebt er sich endlich mal, geht nach hinten und holt Handschuhe, Desinfektionsmittel und so Zeugs, was er eben braucht. Alexy hält Händchen, weil die Kleine viel zu viel Panik schiebt. Letztendlich merkt sie zwar die Stiche aber Schmerzen hat sie kaum welche. Erst im Nachhinein spürt man ein leichtes Ziehen und das gerne mal für mehrere Wochen oder Monate aber das muss sie ja nicht wissen. Hach, es sah auch so toll aus, wie ein so affenähnlicher Typ einem kleinen Mädchen mit seinen Wurstfingern kleine Schmetterling-Ohrstecker ins Ohr sticht. Ehrlich, jeder Cent lohnt sich für diese Anblicke. Das Alles ist wohl auf meinen Mist gewachsen, also ist es auch selbstverständlich, dass ich wieder zahle. „So Lexy, jetzt kommt dein Teil. Es wird aber nichts gekauft ohne meine Zustimmung. Leg los!“, fordere ich erneut seine Kaufwut heraus. Er darf sich mal 'ne ganz neue Viola zusammen basteln, die zumindest so aussieht, als wäre sie selbstsicher. „Ah, ihr seid wieder hier? Habt ihr etwas verge... we-wen habt ihr denn diesmal mit dabei?“, werden wir vom gesprächigen Verkäufer begrüßt. „Hi Leigh, wir haben nichts vergessen. Wir stylen nur um.“, berichtet Lex nun wieder überglücklich. Ist eben sein Element - dieses shoppen. „A … AAHHH! Vi-Viola, bist du das? Na WOW, zeige dich mal!“, wirkt er echt begeistert davon, dabei habe ich ihn erst noch als ziemlich kühl eingeschätzt, gesprächig aber kühl. Er kommt direkt auf uns zu, Viola fühlt sich etwas unwohl, stellt sich aber in die Mitte. Leigh nimmt ihre Hand, hebt sie weit über sie und Biatch dreht sich einmal ganz vornehm. „I-Ist es schlimm?“, fragt sie schon wieder viel zu leise und viel zu stotternd. Hac, wird sie es denn jemals lernen?! „Nein, gar nicht. E-etwas ungewohnt, ja, aber sieht trotzdem gut aus.“, spricht er ihr gut zu und meint es auch so. „Leigh, hilf mir. Ich soll doch Sachen raussuchen für sie a-aber … “, Lex braucht nicht mal aussprechen, da stimmt der Halberwachsene ihm auch schon zu. Wie kommt es eigentlich, dass der Kerl in meinem Alter schon einen eigenen Laden führt? Der ist wohl echt erfolgreich, hmm? Na toll … fühlt man sich gleich richtig klasse daneben. Na ja, hab's mir ja selbst so ausgesucht, also was beschwere ich mich. Allein im Raume stehend, sehe ich mich auch mal etwas um. Ich kam ja erst nicht dazu, mir mal etwas anzusehen. Das Meiste sind so 08/15 Sachen, die alle tragen und mit denen man in der Masse unter geht. Man sollte inzwischen gemerkt haben, glaube ich zumindest, dass ich da nicht so drauf abfahre. Nach langem Suchen finde ich sogar etwas interessantes. Meine Augen hängen an den Accessoires, die da so im Regal hängen. Dieser enge Rucksack, über meinem Brustkorb geschnallt, hat es mir irgendwie angetan. Meine Augen fixieren sich auf die Hosenträger. Leider keine bunten dabei, nur Basics. Hmmm … ahh! Gute Idee, fehlt nur dieser Verkäufer, den ich mal fragen kann. „Na, doch noch was gefunden?“, ertönt seine Stimme auch schon direkt hinter mir. Er beäugt mich und sein Regal ganz genau. „Hosenträger? Für Jogginghosen?“ „Woher weißt du …“ „Lys. Als du draußen warst, habe ich ihn mal bisschen was gefragt.“, unterbricht er mich, kassiert gleich darauf ein genervtes Knurren und Zischen. Zum Glück ist der Junge klug, kapiert mich auch ohne große Erklärungen. Er kommt ein paar Schritte näher, steht zu einem Teil dicht hinter mir. „Was interessiert's dich?“, murre ich leise. „Wie gesagt, er ist mein kleiner Bruder. Ich sage ja auch nicht viel, nur … Er hat dir echt mal vertraut. Lysander schaut ja immer recht ernst aber bei Erinnerungen an dich … zeigt er plötzliche Extreme an sich, die man so gar nicht kennt. Da steckt wohl ganz viel Wut dahinter und wer weiß was noch alles.“ Trauer? Hass? Irgend so ein Restgefühl von Freundschaft? Ich würde ihm alles zutrauen aber eigentlich ist es mir auch egal. Das ist alles so lange her. Wen interessieren schon so alte Geschichten? „Tja, Eigenschuld. Mir darf man eben nicht vertrauen.“, reagiere ich patzig auf seine Worte, nur um endlich meine Gedanken los zu werden. Er schnaubt belustigt, versucht mich von hinten mit seinen Blicken zu durchschauen, doch fragt dann ganz direkt nach: „Wenn du das wirklich glaubst, warum dann die Beziehung?“ Ich sehe noch immer nicht zu ihm hinter, schaue die Wand mit den Accessoires an und antworte: „Geht dich das echt was an? Die kleinen Dorfbewohner geben nur Tipps und Info's, mehr nicht!“ Doch er lässt sich davon nicht beeinflussen, spricht munter weiter: „Ich glaube … er vertraut dir immer noch. Versaue es diesmal nicht. Warst immerhin mal sein – sein bester Freund. Sein erster Freund.“, versucht er mir da irgendwie ins Gewissen zu reden aber ich – ich habe kein Gewissen. Das brauche ich nicht, niemals. „Und das hätte er mir nicht selbst sagen können? Deswegen hasse ich Dorfbewohner! Die nehmen es sich raus Info's raus zu rücken, die man vielleicht lieber für sich hätte behalten sollen. Solche … Probleme, Konflikte, löst man nicht über Dritte.“ „Er hat recht.“, ertönt es nun lauter hinter mir. Neugierig geworden, drehe ich mich nun doch mal ein Stück zu ihm um, „Er?“ „Ja, Lys meinte, du gibst manchmal klügere Sprüche von dir als man es erwarten würde. Das mit Viola … hat sie es schon durchschaut?“ „Als ob! Ich weiß nicht wovon du sprichst, Alter. Jetzt fang endlich mal an deinen Job zu machen und zurück zum richtigen Thema: Hast die Träger noch in weiß?“, unterbreche ich diese viel zu verweichlichten Gespräche. Das nervt! Was will der eigentlich von mir! Kopfschüttelnd geht er endlich wieder zum Tagesgeschäft über: „Wenn du willst, sehe ich mal nach. Komme gleich wieder.“ Die Zeit nutze ich, gehe mal zu den Umkleiden und schaue nach, was die Beiden so treiben. Vor mir steht ein völlig neues Mädchen. Sie haben sie in der knappen Zeit komplett umgestylt, schrill, auffällig eben. Am Haken in der Umkleide hängt noch eine graue Lederjacke. Das Innenfutter ist mit weißen Sternchen auf rotem Untergrund gemustert. Auf ihrem weißen Shirt steht groß 'POOOW!' ansonsten überall Katzengesichter wie Smiles. Darunter ein ähnliches schwarzes Basic wie meines, nur sind die Ärmel halblang. Eine American-Jeans-Hotpant. Rechts normaler blauer Stoff, links die Flagge. Drunter trägt sie eine graue Leggins, das rechte Bein hat weiße senkrechte Streifen. Ihre Boots sind ganz normal schwarz, sehr locker und mit umklappbarem Schaft und Zunge. Sooo gefällt mir das schon besser. Viele Muster, die nicht zusammen passen. Damit fällt man auf jeden Fall auf. „So ok, Liebster?“, fragt Lex mal vorsichtig nach. „Perfekt!“, gebe ich nur zu wissen, „Jetzt fehlt nur noch dein Ton. Übe mal bisschen laut zu sein.“ „L-Laut? D-Das kann ich nicht.“ „Hmmm … was geht dir denn gerade so auf den Sack? Erzähl mal.“ „Ich … will einfach nur auffallen, meine Zeichnungen sollen auffallen. Die Mädchen haben erst nichts gesagt und das obwohl Armin laut ausgesprochen hat, was sie da machen auf den Bildern. Ä – Ähhh, i-ich meine.“ „WOW, so flüssig?“, staunt Lex nicht schlecht. „Das war jetzt nicht gerade laut. Komm schon, das geht besser und unanständiger!“, fordere ich sie auf, selbst lauter, strenger werdend. „A-Aber …“, versucht sie sich raus zu reden, sieht in unser beider Gesichter und versucht es nochmal. Nervös schließt sie ihre Augen und ballt sogar ihre Hände zu Fäusten, „Mi-Mich n-nervt es, dass – dass sie meine B-Bilder nicht sehen.“ „Das war ja nich' ma' halb so laut wie ich. Nochmal! Deutlicher! Na los!“, stichle ich weiter. Lex stellt sich zu mir, nickt zur Bestätigung Viola zu: „Es ist doch eh keiner mehr da außer wir.“ Damit liegt er gar nicht mal so falsch. „Genau, tief Luft holen und einfach schreien!“, fügt der letzte noch anwesende Kerl hinzu - der Verkäufer. Viola nimmt echt ihren Mut zusammen, atmet tief durch. Man sieht, wie es in ihrem Kopf rattert, dass sie es eh nicht schafft so laut zu sein. Mit angehaltener Luft zögert sie, zweifelt, gibt schon fast wieder auf, als ich mich einfach vor sie stelle und laut, direkt vor ihrer Nase in die Hände klatsche. „AHHH!!!!“, platzt es aus ihr heraus, auch wenn ungewollt. Die anderen Beiden grinsen einfach nur, schmunzeln, haben nicht damit gerechnet, dass im selben Moment ihre Zweifel schwinden und sie tut, was ich ihr eben noch befohlen habe. Sie schreit, was sie so sehr ankotzt: „Mich nervt es, dass sie mich immer übersehen und nur ankommen, wenn sie etwas von mir haben wollen!!! Rrraaarrr!!!“ Daraufhin wird das Schmunzeln zum erfreute Lachen. Auch ich muss darüber lachen, mache gleich darauf mit, lauter als sie. „JAAAA, so gefällt mir das schon fast!“ „RAAAAAAARRR!!! Ich weeeiiiß!!!“ „PERFEEEKTT!!!“ Letztendlich kann sie nicht mehr mithalten, weil sie dafür viel zu offen, viel zu laut und erleichtert drüber lachen kann. Durchatmend, sich ihre leichten Tränen aus den Augen wischend, meint sie nur: „Danke, wirklich Harmony. Ich glaube, ich hab's jetzt richtig begriffen. Schüchternheit … entsteht im Kopf, richtig?“ „Hööh? Ich weiß gar nicht was du meinst. Hauptsache du nervst mich nicht mehr mit so banalem Zeug.“, leugne ich … und weiß natürlich trotzdem, was sie meint. Wie gesagt, ich leugne, ich lüge nicht! „Seid ihr dann fertig? Kaufst du die Sachen Viola oder soll ich sie zurück hängen?“ Sie sieht sich selbst musternd an, dann die beiden Jungs jeweils links und rechts von mir und meint selten entspannt: „Wenn ihr noch eine coole Mütze findet, behalte ich alles.“ Ich reiche ihr eine, welche ich vom Accessoire-Regal mitgenommen habe. Eine Katzenmütze, unbewusst passend zum Shirt. „Passt?“ „Hjjahh, passt.“, wird sie schon wieder zurückhaltend. Na ja, hat ja keiner gesagt, dass das Wunder wirken würde. „Gut, also alles?“, freut sich der schwarzhaarige Verkäufer sichtlich. Wir stimmen dem alle zu, „Wer zahlt?“ Da muss ich dann wohl meine Hand heben. An der Kasse liegen dann die weißen Hosenträger auch dabei. Lex wundert sich schon, wann ich die wohl ausgesucht habe. Man sieht es ihm sooo leicht an, doch er sagt nichts dazu. Mehr spricht der Verkäufer erneut: „Also ehrlich, ihr dürft gern alle zusammen jedes Wochenende wieder kommen. Ihr macht heute bestimmt ein Viertel des Tagesumsatzes aus.“ „Und das verrätst du uns so einfach? Wirklich klug, Old's Bro.“ Er sieht mich fragend an, Lex beantwortet sie. Ich vergebe gern irgendwelche Spitznamen. Das heißt nur, dass ich mir mal eine Person gemerkt habe, mehr nicht. Auf dem Weg zurück, ich darf nach wie vor alles tragen, starrt mich mein Blauschopf noch immer an. Ich wühle aus einer der vielen Taschen die Träger hervor, gebe sie ihm. „Hier, lass dir was einfallen, dass ich die auch trage.“ Jetzt versteht auch er endlich. Stimmt, es gab keine bunten, also lasse ich Lex machen. Ich weiß doch, wie sehr ihm das Spaß machen wird und ich habe dann was, was ich tragen werde. Biatch läuft etwas vor, neben dem Verkäufer, der auch mitgekommen ist. Wir haben nur darauf gewartet, dass er Feierabend gemacht hat und versuchen jetzt mal irgendeinen Weg zurück zu finden. Die meisten Läden machen schon zu. Trotz der vielen nervigen Sachen und meinem Kotzanfall geht’s uns jetzt eigentlich wieder ganz gut. Lex lächelt, Viola freut sich über alle Sachen und ich … na ja, lassen wir das mal so stehen. Flüsternd, weil die Gänge immer leerer werden, kommt mir Lex näher und fragt nach: „Ich habe echt lange gebraucht, um es zu verstehen a-aber es ging schneller als bei Vio. Hast du … das wirklich so geplant?“ Ich antworte ihm nicht darauf, sehe nur auf, direkt in sein Gesicht und seine so ruhigen, entspannten, violetten Augen. Er hat wirklich eine komische Augenfarbe aber damit passt er wohl ganz gut zu mir. Am Ende hakt er sich wortlos mit einem Arm bei mir unter. Eigentlich bin ich einfach nur froh darüber, dass der Tag hoffentlich bald vorbei ist …
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