„Also, was machst du jetzt noch so?“, frage ich ruhig, fast schon leise nach und denke noch immer an meine Geschwister, meine Familie.
„Ä-Ähm, i-ich weiß nicht.“, höre ich den neben mir glaube ich zum ersten Mal stottern. Normalerweise hat er doch auf alles sofort eine Antwort, ist nicht viel anders als ich. Bei der folgenden Frage komme ich mir dann schon irgendwie blöd vor aber ich stelle sie trotzdem: „Kommst du also noch mit zu mir?“ „Z-Zu dir?“, klingt er jetzt auch noch verwundert. Was denn, einmal gefickt und er wird zum kleinen, unsicheren Mädchen? Ehrlich? „Ja, zu mir nach Hause.“ „D-Du wohnst hier? Ä … Äh, ja klar doch.“ „Na dann komm.“, fordere ich ihn lediglich auf. Meine Gitarre stecke ich wieder ein und schnalle mir den Gurt um die Schulter. Beide Hände landen in meinen Hosentaschen und ich fixiere mehr den Boden. Tzz, also ist nicht nur er anders, ich bin es auch gerade. Na ja, war irgendwie auch eine Situation mit der ich zur Abwechslung mal nicht gerechnet habe. Schritt für Schritt entfernen wir uns vom Grab und anschließend vom Friedhof. Er folgt mir, läuft immer neben mir und irgendwie … muss ich ihm das eine noch sagen, erleichtert und wesentlich weniger geknickt als zuvor: „Eigentlich bin ich auch ganz froh nicht allein hier herum rennen zu müssen. Also, was machst du nun in Amerika?“ „Ich? Ich mache hier nur Urlaub, trampe durch die Staaten und schlafe da wo es gerade passt.“ „Trampen? In Amerika? Du bist schon etwas leichtsinnig oder?“ „Kann schon sein aber ich wollte schon immer mal hier her und per Anhalter ist eben am günstigsten.“ „Das sagt man so lange bis man bei einem Psycho daheim ist und nicht weiß, was der mit einem anstellen wird.“ „Thehe, da sprichst du aber nicht gerade von dir, oder?“, grinst er mich lachend an. Tzzz, muss ich wirklich auf so etwas reagieren? Nein, nicht wirklich. Als er es merkt, spricht er gleich weiter: „Nachdem wir mit der ganzen Klasse in England waren und da schon 'Urlaub' gemacht haben, brauchte ich nun wirklich Urlaub und das am besten von allem!“ Als er England nur erwähnt, richtet sich mein Blick komplett auf ihn. „Noch auffälliger kannst du mir nicht zeigen, dass du wirklich auch da warst oder?!“, ranzt er mich von der Seite aus an und er hat recht. Ich habe viel zu heftig reagiert. „Wie gesagt, wir waren mit der ganzen Klasse eine Woche lang da. Ich – Ich war mir nicht sicher, ob du es wirklich warst. Ich wollte auch nicht wirklich wem davon erzählen, also keine Panik. Keiner weiß davon.“ Mein Blick geht wieder geradeaus und formt sich zu einem heiterem Grinsen, als ich ihm entgegen setze: „Dein ernst? Du wolltest doch nur nicht, dass es sonst noch jemand weiß, thahaha! Ein kleines Stück Wissen nur für dich.“ „Also, deinen schlechten Humor hast du jedenfalls behalten.“, protestiert er, murrt er mich an. „Nun komm schon, ich bin echt nicht blöd. Ich weiß – Ich weiß doch eh schon längst, dass du uns in der Schule überall hinterher gerannt bist. Das nennt man Stalking, haha, aber spätestens eben gerade hätte man doch den Beweis dafür bekommen. Selbst wenn ich es die ganze Zeit über nicht mitbekommen hätte, hast du dich bei der Sache mit dem Kaufhaus verraten. Du warst doch gar nicht mit, woher also solltest du wissen, dass da ein Mädchen war, das ebenfalls Mina hieß.“ Aus einem Augenwinkel kann ich sehen wie rot er deswegen wird. Herrlich, wirklich göttlich wie sehr ihn das mitnimmt. Sollte man die Möglichkeit des Erwischtwerdens nicht in den Plan mit einberechnen? Hat er sich echt so sicher gefühlt, dass er nicht darüber nachgedacht hat?! Ich kann nicht anders als darüber zu lachen. Ich habe ihn für klüger gehalten und dass er für jede Situation Ausreden parat hat. Thaha. Sein Gefühl vom ertappt worden sein schwindet je mehr er merkt, dass ich ihm deswegen keine Vorwürfe mache. Ich amüsiere mich darüber, ja, natürlich mache ich das. So etwas würde ich doch immer ausnutzen. Die Röte weicht von seinem Gesicht und er denkt wohl eben nach wie er mir Einheit gegen mein Gelächter bieten kann. Gespielte Wut und eine geballte Faust sind das Ergebnis, mit knurrender Antwort:„Vollidiot! Ich habe nichts gesagt, um dich nicht zu verraten. Hätten sie es gemerkt, wäre dir bestimmt mindestens einer hinterher gerannt und das nicht gerade um dich freundlich zu begrüßen. Ich denke doch mal, dass dich das ziemlich verle... äh, g-genervt oder gereizt hätte. Nur deswegen habe ich nichts gesagt, dabei hättest du es echt verdient!“ „Du willst mich verletzen? Geht das? Und wieso?“, hake ich nach. Ich verstehe nicht ganz, was er mir wirklich sagen wollte. Es macht keinen Sinn dass mich ein kleiner Verrat verletzt hätte, zumal man das nicht mal als Verrat hätte betrachten können. So sehe ich das zumindest. „Ach man, Harmony! Nachdem du weg bist und alle im Stich gelassen hast, ist Alexy … Er – Er hat dir doch bestimmt mal von Tyron erzählt oder? Die zwei sind halt irgendwie zusammen gekommen, keine Ahnung wie schnell. Ich war die meiste Zeit eher abwesend.“ Das meint er also mit verletzen. Ja, den hat er mal erwähnt, ab und zu. Hätte er damals in England etwas gesagt, hätte ich die Beiden mit Sicherheit gesehen. Hätte mich das verletzt? … Darauf will ich gar nicht antworten müssen. In dem Moment wie er mir das erzählt, kann ich jedenfalls nur darüber lachen, schmunzeln. „Du lachst? Spinnst du?!“, ranzt der neben mir mich an und ja, vielleicht tue ich das aber … „Ich erinnere mich einfach zu gut an das was er mir gesagt hat, bevor ich gegangen bin.“ Er sagte doch, dass er mich liebt und für immer mit mir … na ja, was soll's. Ich werde schlecht etwas daran ändern können und verdient habe ich es wohl wirklich. „Er hat dir etwas … A-Also, wenn dir das irgendwie weiterhilft, ich glaube eh, dass dieser Junge nur so etwas wie Ablenkung ist. Ich weiß wie gesagt nicht genau, wann sie zusammen gekommen sind aber es ging auf jeden Fall viel zu schnell. Trotzdem wirkt es, als würde er es ernst meinen. Ist wirklich schwer einzuordnen aber wer versteht schon Alexy?“ Auch mit diesen Sätzen verstehe ich nicht, was er mir damit sagen will. Die sind weder beruhigend, noch wirklich zutiefst verletzend und hilfreich erst recht nicht. Er wirkt, als wäre er selbst verwirrt und würde gleichermaßen nach einer Antwort suchen aber diese Antwort, die er sucht, betrifft wohl eher weniger Alexy und Tyron. Ich denke, dass ich die passenden Worte habe, um in seinem Kopf für etwas mehr Klarheit zu sorgen: „Weißt du … Es war mir schon klar, dass ich ihn verlieren würde, wenn ich gehe.“, was wohl genau der Grund dafür ist, dass es mich nicht zutiefst verletzen kann, es jetzt auch in Worten zu hören. Ich habe mich ja oft genug damit auseinander gesetzt, „Mir – Mir blieb aber nichts anderes übrig. Ich musste gehen. Es war … Es war einfach zu wichtig, denke ich. Warum sonst hätte ich mich auf den Kuss und das alles eben einlassen sollen, wenn ich es nicht irgendwo geahnt hätte?“ Und ich scheine Recht zu behalten. Solche Dinge sind es, die er wirklich hören will. Es geht nicht um Tyron und Alexy. Er wollte nur sehen wie ich auf die Nachricht reagiere. Sein Gemüt erhellt sich und er schaut offen zu mir. Was auch immer er aus meinen Worten folgert, er wird es mir gleich sagen: „Du trauerst ihm also absolut nicht nach? Du – Du bist also …“ „Halt, stopp mal.“, unterbreche ich seine Vermutung sofort, kann kaum glauben, was er mir da sagt. Ich bin sogar stehen geblieben und habe ihn an seinem Arm gepackt, damit er auch ja stehen bleibt. Ist es echt das, worauf er die ganze Zeit hinaus will?! „Ich … so etwas habe ich doch nie gesagt und – und …“ „Also nichts neues … und wohl noch weniger mit mir …“, unterbricht nun auch er mich, klingt dabei sehr missmutig und ich habe meine Bestätigung. Also wirklich, es ging ihm die ganze Zeit nur darum? Deswegen wollte er wissen, wie ich auf die Sache mit Alexy reagiere, um sicher sein zu können, dass ich wirklich frei bin, frei für ihn bin?! Ich habe seinen Arm wieder los gelassen und stehe ein paar Sekunden bedröppelt da. Was antworte ich darauf schon? Ich kann ihm keine leeren Versprechungen geben. Als sich meine Füße Schritt für Schritt wieder vorwärts bewegen, weiß ich dann irgendwie doch, was ich ihm antworten will. Natürlich kann es nur die Wahrheit sein. „Ach Dummkopf, auch das habe ich nicht gesagt. Ich meine … wenn da etwas neues wäre, dann wohl nur mit …“
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Jaaa, also, ich denke, dass so langsam offensichtlich wird, um wen es hier so geht °^° wer es noch nicht weiß, über den bin ich echt froh xD dann habe ich kompliziert genug geschrieben, dass es nicht gleich klar wird :D
Aber ich vermute doch, dass man es spätestens nach diesem Kapitel weiß :D Wörter: 1489
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