Gleich am nächsten Morgen hole ich alle Sachen wieder heraus. Sie sind wirklich trocken geworden, auf mehr kommt es ja nicht an, zumindest mir nicht.
Ganz verschlafen und noch mit Sand in den Augen kommt jemand um die Ecke geschlendert. Er lehnt sich gegen den Zaren der Tür und sieht mir zu. „Morgen! Gib die Sachen gleich mir.“ Ich sortiere schon seine aus, als er sich hinter mich stellt und gleich den ganzen Stapel in die Hand nimmt. „Ich meinte alles, Dummkopf! Ich werde sie dir waschen …“ „Brauchst du nicht!“, unterbreche ich ihn schroff. „Ich sagte doch, ich bleibe niemandem etwas schuldig!“ Zögernd lasse ich die Sachen endlich los. Er bleibt nicht mal mehr zum Essen mit der Begründung, „In der zweiten Stunde will ich wieder da sein, das wird immer lustig.“ Da ich noch immer keinen Plan habe, weiß ich nicht wovon er spricht. Ich weiß nur, dass ich mich langsam auch mal auf den Weg machen sollte. Die anderen sind bereits alle drinnen. Die erste Stunde haben wir nur wieder Geschichte und so wie ich die anderen betrachte heißt das für die schlafen. Jeder von denen die gestern anwesend waren sind hundemüde. Sie liegen alle auf ihrer Bank, sogar Lys. Hinter mir höre ich schon die nächsten zwei kommen. Die eine Stimme liegt mir noch von gestern in den Ohren. Wo bleiben die Unterlagen! Nörgel, nörgel, bla! Auf den habe ich wirklich keinen Bock und auf seine Begleitung auch nicht. Sofort setze ich mich, nur Alexy hat genug Kraft über um mal zu mir zu schauen. Mein Kopf sinkt sofort auf die Bank und ich schaue dem Geschehen in der Klasse zu. Als die alte Neue hinein kommt, will sie sofort zu ihrer weißhaarigen Freundin. „Und wie lief es gestern?“, versucht sie leise zu sein, doch nicht leise genug für mich. Nörgelnd erhebt sie mal ihren Kopf und jammert nur, „Naaaa, nicht jeetzt!“ Deswegen ist sie also bei uns geblieben. War ja fast zu erwarten, na was soll's! Als sie merkt sie kommt bei ihr nicht weiter, sieht sie sich in der Klasse um und bleibt mit ihren Blicken bei mir hängen. Verwundert kommt sie näher. Sie wird doch wohl nicht wirklich vor haben mit mir sprechen zu wollen oder? Nein! Sie gesellt sich hinter mich. „Du Lys? Wo ist denn Cas heute?“ „Keine Ahnung, soweit ich gehört habe, ist er erst spät nach Hause gekommen. Seit wann darfst du ihn eigentlich Cas nennen?“ „Ach, nicht so wichtig. Außerdem hört er es hier ja eh nicht.“ Spät kann man durchaus dazu sagen. Je nachdem wie man es sehen mag. Ich könnte ihr ja verraten wo er ist, wo er war und was er jetzt gerade macht aber … ich glaube damit handle ich mir nur Ärger ein. Viel mehr verkrümel ich mich weiter im Dunkeln unter meiner Kapuze und ratze noch etwas weiter, so wie die Hälfte der Klasse. Der Lehrer bemerkt schon beim betreten, dass er heute noch weniger weit kommen wird als gestern. Keiner der bisher aufgerufenen hat geantwortet. Jetzt will er es sogar bei mir probieren und irgendwie rechnet jeder damit, dass ich nicht antworte. Also machen wir heute doch mal ein Spiel daraus. Er fragt freundlicherweise nur ein paar Zahlen ab. Schon nur als ich mich normal aufrichte kleben plötzlich alle Blicke an mir. Sogar Kentin schielt mit einem Auge durch seine Arme hindurch zu mir. „Gut, immerhin einer der etwas macht. Fangen wir an. Zuerst etwas einfaches: Wann wurde Jesus Christus geboren?“ „Ähhh, keine Ahnung. Vielleicht gestern. Schauen sie mal in die Zeitung.“ Nervöser stellt er die zweite Frage, „Wann begann der zweite Weltkrieg?“ „Ich würde raten so – gestern, gegen 20.15.“ Da heben sich schon mehr Köpfe die dann noch dazu anfangen zu kichern. „Nein tut mir leid, wieder falsch. Und wann endete er?“ „Habe ich nicht ganz aufgepasst, glaube aber gegen 23 Uhr.“ Erneut lachen einige Leute aus der Klasse auf, sogar die Weißhaarige. Das gefällt ihrer Freundin natürlich überhaupt nicht und am aller wenigsten begeistert ist der Streber von alle dem. „Na gut, noch eine Frage. Wann entstand das römische Reich?“ „Ähh, naja … vielleicht ja morgen wieder.“ „Tut mir Leid, das ist leider alles falsch aber ich werde dir keine 6 geben. Du wirst stattdessen eine Stunde nachsitzen ok.“ Dieser Lehrer ist einfach zu freundlich, furchtbar. Schon fast tut es mir leid, dass ich ihn jetzt so durcheinander gebracht habe. Im nächsten Moment geht die Tür auf, es ist Banknachbar. Er schließt sie laut hinter sich. „Jo, sorry, habe verschlafen!“, entschuldigt er sich locker, schon auf dem Weg zu seinem Platz. Herr Faraize darf nicht mal etwas dazu sagen. Ignorant dreht sich der Rotschopf sofort zu seinem Freund nach hinten um. „Habe ich irgendetwas verpasst?“, flüstert er. Noch immer leise kichernd, so wie viele andere, antwortet er, „Ja, das kann man so sagen. Mino wurden eben ein paar Daten abgefragt.“ Sogar jetzt schmunzelt er noch darüber. Verwundert schaut Reiskuchen nun zu mir. „Du hast echt geantwortet?“ „Du hast echt noch das Shirt an?“, frage ich ihn kühl. Zusammenzuckend schaut er auf sein Oberteil. Ich habe recht, verdammt! Jetzt fällt ihm auch wieder ein, was er vergessen hat. Sofort zieht er seine Jacke zu, doch für die meisten zu spät. Auch ich belächle das ganze mal. „Und, was ist nun? Hast du geantwortet?“ „Jo aber kein Plan warum die lachen.“ Der Lehrer wird komplett ausgeblendet. Wir unterhalten uns als wäre es das normalste der Welt. Sobald es zur Pause klingelt bricht jeder sein gehaltenes Lachen. Der halbe Raum wird erfüllt von Gelächter. Noch währenddessen stapft der Schülervertreter zu uns rüber. „Also gut, es reicht. Noch einen Tag halte ich meinen Kopf für deine dämlichen Albereien nicht hin! Gib mir sofort das fehlende Zeug!“, befielt er mir streng. Ich kann gar nicht so schnell gucken, da schmeißt Castiel Foto und Geld auf den Tisch. „Hier hast du was du brauchst und jetzt verschwinde!“ Ohne zu kontrollieren nimmt er es und geht tatsächlich. Die anderen Fragen sich jetzt natürlich umso mehr, warum er wohl die ersten Stunden gefehlt hat. „Ach ja, da war übrigens noch ein Foto in deiner Tasche. Sage mal, willst du mich vielleicht …“ „Das wollte ich ihr unter die Nase halten!“, unterbreche ich ihn sofort. „A-Ach so … ich dachte schon …“ „Was denn? Auf die? Nein danke!“ Erleichterung setzt sich in seinem Gesicht frei. Warum muss er mir das auch noch so deutlich zeigen? „Wo sind meine Sachen?“ „Wie war das eben? Fehlt da nicht etwas?“, macht er sich über mich lustig. Er spielt doch tatsächlich auf meinen Vater an, dieser Bastard! Ich stehe sofort auf, schubse ihn einmal an der Schulter, damit er ins wanken gerät und trete im nächsten Moment gegen seinen Stuhl. Er fällt sofort um. Mein Bein bleibt auf dem Stuhl verharren und er liegt mir nun zu Füßen. Mit meinem einen Auge fixiere ich ihn bösartig. Sogar ihm jagt es nun Gänsehaut über den Körper. „Sprich nicht über Dinge die du mit deinem kleinen Hirn eh nicht verstehen kannst, verstanden!“, knurre ich tief. Den Stuhl trete ich ein Stück zur Seite, dann kauere ich mich zu ihm herunter. Sein Körper gefriert erneut, bei dem Blick dem ich ihm zuwerfe, „Und vergiss nie, nie, dass ich auch einiges zu erzählen hätte! Verstanden!!! Schließlich … standest du zweimal fast nackt vor mir und wie du bereits treffend sagtest hing dein bloßer Schwanz in MEINER Hose! Was meinst du, wie die anderen auf einen solchen kranken Fetisch reagieren würden, hmm?“ Er bekommt kein Wort mehr heraus aber ich gehe davon aus, dass er es begriffen hat. Meine leiseren Worte entgehen jedoch nicht Kentin, Lysander und Alexy, der gerade zu uns herüber wollte. Die anderen waren taub genug dafür. Ohne noch weiter auf etwas zu warten flüchte ich nach draußen und hole da tief Luft. Es geht ihn einfach nichts an! Das ist meine … Familie … Ich hole mir mal wieder eine kalte Milch aus dem Automaten und bin wirklich froh darüber endlich mal wieder meine Ruhe zu haben. Eigentlich wäre jetzt bald die zweite Stunde, doch mir ist die Lust danach vergangen herauszufinden weshalb sich dieser Idiot so darauf gefreut hat. Also verbringen sie die Zeit ohne mich. „Und, wie war es nun gestern Rosa?“ „Es war super! Also ich meine wirklich super!“ „Du verarscht mich doch oder? Hast du das eben denn nicht mitbekommen?“ „Doch – Doch klar aber ich glaube, er ist einfach so! Es hat wirklich Spaß gemacht und vor allem seine vielen dummen Kommentare. Außerdem hat er Armin ein Spiel gekauft und Lys scheint ihn auch zu mögen.“, erzählt sie begeistert und hört fast nicht mehr damit auf. „Du … das gibt’s doch nicht! Du solltest dich doch nicht um den Finger wickeln lassen!“ „Habe ich ja nicht, glaube es mir doch!“, versucht sie ihre Freundin zu überzeugen, ohne Erfolg. Die zwei sagen lieber nichts mehr, bevor sie sich noch streiten. Als es zur nächsten Stunde klingelt, gesellt sich Kentin sofort zu Alexy. Er hat ihm deutlich angesehen, dass für ihn die halbe Welt zusammengebrochen ist. „Hey, mach dir nichts draus. Mino war bestimmt nur sauer. Hättest ihn ja gleich mal fragen können.“ „Ja aber … Ich will mir das mit den beiden gar nicht erst vorstellen. Davon wird mir schlecht.“, prustet er niedergeschlagen. „Glaube mir, Mino ist nicht so einer. Er lässt sich bestimmt nicht von jemandem wie Castiel anrühren. Außerdem war ich die meiste Zeit auch noch dabei.“ Da wird der bunte Vogel schon hellhöriger. Nun muss der Braunschopf wirklich noch erklären wie es zu alledem gekommen ist. Er hat zwar geschlafen, kann sich aber dennoch alles zusammenreimen. Am Ende ist Alexy sogar erleichtert. Es bestätigt mal wieder seine Theorie, dass ich nicht 'der Böse' bin. Nur die Tatsache, dass er mich und ihn an der Haltestelle alleingelassen hat, lässt er geschickt aus. „Na, immer noch so sauer?“, wird jemand aus seinen Gedanken gerissen. Er selber sitzt am Boden, während der andere ihn von oben vertraut ansieht. „Sauer?! Tzz, das ist gar kein Ausdruck.“ „Du hättest ihn eben nicht so reizen dürfen. Gestern war schon kein so guter Tag für ihn und heute gleich damit weiter zu machen.“ „Lys, weißt du überhaupt worum es ging?“ „Nein nicht ganz, ich habe nur gehört was er dir am Boden noch gesagt hat.“ Beschämt duckt er sich noch etwas weiter nach unten und hält sich errötend eine Hand vors Gesicht. „Und ich habe Kentin bis eben zugehört was er Alexy erzählt hat.“, erzählt er erst hinterher, „Also, ist doch halb so wild aber du … musst wirklich etwas gesagt haben, was ihn aufregt.“ „Ich habe ihn nur etwas provoziert, so wie er es mit anderen auch immer macht.“ „Schon aber für gewöhnlich ist er der stärkere und er weiß ziemlich genau was er tut. Zwischen provozieren und verletzen ist nicht viel Platz. Ach übrigens, schickes Shirt!“ Erneut wird er rot im Gesicht, „Ach verdammt! Das ist doch gar nicht meins. Das hat er mir gegeben, bei ihm zu Hause. Ist das denn zu fassen? Er hat sogar in seiner eigenen Wohnung noch diese Jacke an und er lebt genauso alleine wie ich.“, berichtet er. Das ruft in Lysander Erinnerungen an gestern zurück. Er weiß ja nun, warum ich tue was ich tue. Die Sache mit der Jacke und das das seinen besten Freund so aufregt, zaubert ihm ein weiches Lächeln auf die Lippen. Sie scheinen sich wirklich zu verstehen aber darauf, dass er sich entschuldigen sollte, sollte er schon alleine kommen. Also wechselt er lieber das Thema. „Sage mal, wie sieht es denn nun eigentlich aus wegen den Proben?“ „Ach das? Super!!! Von mir aus kann es sofort weitergehen.“ „Wie das denn? Sage nur du hast sie dir geklaut?!“, wird nun auch mal Lysander etwas ernster. „Nein, nein, ehrlich nicht. Ich habe sie geschenkt bekommen.“ „Seit wann lässt du dir denn etwas schenken?“ „N-Na ja … diese Flachbrust hat mir die Seiten geschenkt und noch dazu sind es die richtigen! Ich vermute, dass sie etwas mehr Ahnung von Gitarren hat als ich dachte.“ Der Junge neben ihm schließt seine Augen. „Na jetzt wird mir einiges klar. So war das also.“, spricht er leise. „Was wovon sprichst du?“ „AAAch, du bist nur der größte Dummkopf den ich kenne! Hast du nicht mal erzählt, dass du den Neuen ausgenutzt hast für's Zigaretten klauen? Wo genau war er denn da, hmm?“ „Was – Was willst du mir damit sagen?“, wird der Rotschopf leiser. „Mino hat mir erzählt, dass er letzten in einem Musikgeschäft für ein bisschen Unruhe gesorgt hat und da war Misa auch da. Er hat … ER hat Ahnung von …“ Noch bevor Lysander aussprechen kann, hält ihm sein bester Freund den Mund zu. Auch er schließt nun seine Augen aber eher gequält. Was er in der Klasse gesagt hat tut ihm nun umso mehr Leid. „Fuck!“, flucht er böse. Alle Instrumente im Raum verstummen und jeder sieht zu ihm. Anstatt noch mehr Worte zu verschwenden läuft er einfach aus den Raum. Alle Blicke folgen ihm. Sein Verhalten scheint ihnen zu eigen zu sein. „Was ist heute nur mit Cas los?“, wundert sich die Blondine, Schülersprechers Freundin.
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