In einem Vorraum musste ich mich umziehen. Ich habe so einen 'schönen' Kittel bekommen. Meine 'Unterwäsche' durfte ich anbehalten. Anschließend haben sie mich unter Vollnarkose gestellt, weil es ja schließlich eine Augen-OP ist. Den Rest habe ich selbstverständlich nicht mitbekommen. Erst als die OP vorüber ist und ich im Aufwachraum liege weiß ich, dass ich es, wie erwartet, gut überstanden habe. Müde bin ich noch immer, also nutze ich die Zeit und schlafe weiter.
Der schwarzhaarige Zocker machte sich sofort auf den Weg in die Schule. Auch wenn er mich begleiten wollte, Ärzte mag er einfach nicht und erst Recht nicht, wenn es um Operationen geht. Deswegen war er auch recht froh, dass er nicht bei mir bleiben sollte bis ich einschlafe. Eigentlich war es ja eh klar, dass ich das nicht wollen würde. Ihm fällt schnell auf, dass der Weg zur Schule etwa gleich dem Weg zu mir nach Hause ist. Er fühlt sich wirklich schon um einiges besser als gestern. Vielleicht liegt es daran, dass er zwei Decken bei sich hatte. Oder daran, dass ich nicht allein … Ach verdammt, vergiss das endlich Vollidiot! Stimmt, er hat noch immer daran zu knabbern, dass gerade IHM das passiert ist. Wüsste Alexy das, würde er ihn wohl nie wieder Heim lassen. Bevor er zum Tor herein stolpert, schaut er noch schnell auf seine Uhr. Es muss gerade große Pause sein, praktisch für ihn. Meistens findet er Alexy hinten im Schulgarten, also sucht er auch heute da. Als er über den Hof läuft, sehen auch alle anderen ihn. Sie wundern sich natürlich was er schon wieder in der Schule macht, doch bekommen kaum Zeit ihn danach zu fragen. So schnell wie er auch im Schulgarten ist, so schnell kommt er auch schon wieder zurück. Er sieht sich suchend um, bis ihm jemand den Weg versperrt. „Kentin? W-Was ist?“ „Das wollte ich dich eben fragen. Bist du nicht krank?“ „Doch klar, nur … ich muss mit Alexy sprechen. Weißt du wo er ist?“ „Er ist drinnen. Er sitzt ziemlich bedröppelt auf dem Platz hinter mir. Ach, wie war's denn eigentlich? War er denn zu Hause?“ „Ja, schon … das ist kompliziert. Jetzt muss ich erst mal zu meinem Bruder, ich hab's ihm versprochen und dann … dann werden mal ein paar schlagkräftige Worte mit jemand anderem gewechselt!“, knurrt er böse, fast so böse wie es sonst nur die Charaktere in Spielen tun. Doch der Brünette lässt sich nicht so einfach abwimmeln. Als der Zocker an ihm vorbei will, packt er ihn am Arm, zieht ihn zu sich zurück und hält ihn so. „Mit WEM willst du solche 'Worte' wechseln? Was ist los?“ „Ach nichts … es ist nur … du hättest ihn sehen müssen.“, wirkt er plötzlich mitgenommen, irgendwie fast verzweifelt. „Was? Von wem genau sprichst du jetzt?“ „Ach verdammt, ich meine Mino. Die Gerüchte sind wahr, das hat er mir gesagt und nicht er hat jemanden verletzt sondern ER wurde verletzt!“, versucht er zu flüstern, doch er ist zu aufgebracht. Ein paar Jungs in naher Umgebung haben es auch mitbekommen, doch nur Lysander reagiert auch darauf. „Was? Wirklich? War Cas deswegen so komisch drauf?“, wirft er die Frage in die Runde. Armin will eigentlich lieber erst mit seinem Bruder sprechen, schließlich darf er nach der Pause nicht mehr auf dem Gelände sein aber die zwei verlangen ja anscheinend eine Erklärung. „Ja, also nein, also …“ Die beiden anderen ziehen eine Augenbraue hoch und sprechen zugleich, „Na was denn nun?“ „Nicht direkt. Er hätte zwar etwas tun können aber Mino meinte nur er ist vorher weggelaufen. Es ging ihm echt nicht gut aber heute geht’s schon besser. Er ist jetzt wieder beim Arzt. Meine Erkältung ist auch nicht mehr soo schlimm. Ich muss jetzt wirklich meinen Bruder finden, nachher will ich ihn noch abholen.“ „Mino? Abholen?“, sprechen die anderen beiden erneut zugleich und unbeachtet auch der dritte Zuhörer. Perplex lässt der Braunschopf ihn endlich los und er geht zu seinem Bruder nach drinnen. Er sitzt wirklich auf meinem Platz und sieht niedergeschlagen aus. Armin kann sich denken warum aber nur zur Hälfte. Eher vorsichtig gesellt er sich zu ihm. Leise setzt er sich auf Kentin's Platz und dreht sich zu ihm um. „Hey Brüderchen, was denn los?“ Er sieht auf und gleich wieder auf die Bank, „Tut – Tut mir leid, wegen gestern meine ich.“ Umso besser für Armin, dann muss er das Thema nicht erst anfangen. Grinsend antwortet er, „Aaach was, nicht so schlimm. Hauptsache du lässt mich wieder zu Hause rein.“ „Ja, na klar.“, ist der Blauschopf erfreut und erleichtert zugleich. Seine Haltung öffnet sich sofort wieder und es tut ihm inzwischen leid, dass er sich zuvor wie ein kleines Kind benommen hat. „Armin? Wo hast du die Nacht denn verbracht, wenn nicht zu Hause?“ Da jedoch fängt er an zu schweigen. Sein Bruder wird misstrauisch. Er sieht ihm an, dass ihm die Antwort unangenehm wäre. „WO warst du Armin!“, wird er ausdrücklicher und antwortet auf seine eigene Frage, „Du warst doch nicht wirklich?! Doch oder! Sage mal weswegen haben wir uns überhaupt gestritten? Hast du mir überhaupt zugehört?“ „Na klar, deswegen bin ich ja mit den Spielen zu ihm gegangen. Ich sollte weniger mit ihm spielen also …“ Genervt schlägt der andere sich eine Hand vor den Kopf, „Du hast mir wie immer NICHT zugehört! Ich will, dass du aufhörst dich jedes mal dazwischen zu drängeln. Deine vielen Spiele nerven zwar auch manchmal aber dass du dich zwischen Mino und mich stellst ist viel schlimmer! Er – Er soll mir gehören!“, spricht er seinen letzten Satz eher missmutig aus. Es geht ihm deswegen wirklich nicht gut. Dieses Mal hört Armin genauer hin und fängt endlich an zu begreifen. Gerade sein letzter Satz lässt nun Armin verzweifeln. „Alexy! Meinst du nicht, dass er andere Interessen hat als du? Er geht doch überhaupt nicht auf dich ein.“ „Das wird er schon noch.“, versucht er Armin, nein, sich selber, zu überzeugen. Der Zocker legt endlich seine böse Miene wieder ab. Es gibt schon einen Grund warum die zwei sich immer so gut verstehen. Keiner kann es sehen, wenn der andere sauer auf ihn ist. Also legt sich auf dessen Lippen ein schmales Lächeln. „Meinst du echt? Dann sage es ihm endlich, bist doch sonst nicht so schüchtern.“ Daraufhin zerwühlt Armin dessen Haar bis der bunte Vogel ihn wieder ansieht. Er sieht ihn von unten an, wie ein wehleidiger Welpe mit ganz großen Augen und zusammengeschobenen Augenbrauen. „Das kann ich nicht. Ich trau mich nicht.“, gibt er schmollend zu. Armin kann es wie immer nicht lassen weiter zu sticheln. „Sage bloß du bekommst doch noch Angst vor ihm?“ „Jetzt hör schon auf, das ist nicht witzig!“, versucht dieser zu protestieren, doch mit einem gezwungen unterdrücktem grinsen wirkt das wenig überzeugend. Am Ende sitzen beide da und lachen darüber. Alexy weiß jetzt zumindest, was er zu tun hat. Kann man nur 'hoffen', dass er das schaffen wird. So wie die zwei sich endlich wieder normal Unterhalten, erfährt Alexy nun auch, was sie die meiste Zeit gemacht haben. An alles was nicht unter 'die meiste Zeit' fällt, mag Armin nicht mal denken. Geschickt lässt er den Teil aus. Armin will als Entschuldigung heute sogar mal etwas zu trinken ausgeben. Also begeben sich beide zum Automaten und der Blauschopf wählt wie ein verzaubertes, kleines Kind unter all den Knöpfen aus. Noch bevor er drückt, richtet sich die Aufmerksamkeit beider wieder zum Flur. Sie hören ein Jammern und ein Zischen zwischen all den Schülern. Es ist nicht unbedingt laut, so dass es alle hören könnten aber irgendwie ist es anziehend für beide. Als sie sehen, wie die Tür zur Schülervertretung auf geht, weiß zumindest Armin Bescheid. War das wohl Kentin? Lysander bestimmt nicht aber … Kentin? Hier mitten auf dem Schulhof? Nein, ganz bestimmt nicht! Aber … wer dann? … Dieser jemand hat mir jedenfalls meine 'Arbeit' abgenommen. An wem soll ich denn jetzt meinen Frust rauslassen?!, ärgert er sich. Sein Körper bebt deswegen, doch die Frage bleibt offen stehen. „Was ist? Weißt du etwa, was hier los ist?“ „Hmm? Ach nein, nein! Es ist nur …“ „Und was genau hat Mino eigentlich?“ Mist, jetzt werden die Fragen doch etwas zu speziell … Armin überlegt wie er sich am besten ausdrücken sollte. Es gibt nichts um die Situation zu verharmlosen ohne dabei zu lügen und genau das will er nicht tun. Alexy weiß nun ganz genau was er trinken mag. Wie von mir gewohnt wählt auch er sich eine Milch aus! Als ich erneut wach werde liege ich noch immer so da wie vor … vor einer halben Stunde. Lange geschlafen habe ich ja nicht gerade aber länger liegen will ich auch nicht mehr. Ich fühle mich schon viel besser. Außerdem kann ich genauso gut zu Hause weiter schlafen, da fühle ich mich auch viel wohler. Also rappel ich mich etwas auf, schlucke die Schmerztablette und gehe nachsehen was die Schwestern so machen. Sie sitzen alle an ihren Computern und sehen alle zugleich auf als sie mich sehen. Eine Hand hebend begrüße ich alle mit einem stumpfen, „Jo!“ Irritierte Blicke durchbohren meinen Körper, wie lustig. „Kann ich jetzt gehen? Ich kann nicht mehr schlafen.“ „Sie sollten sich lieber noch etwas …“, versucht es eine Schwester sanft, ohne Erfolg. „Haben Sie nicht zugehört, ich kann hier nicht mehr schlafen! Ich lege mich zu Hause hin, das wird ja wohl reichen.“, maule ich sie sofort an. Sie schreckt zurück. „Ja o-okay. Ich spreche mal mit dem Arzt. Deine Sachen liegen unter deinem Bett.“ Also muss ich wieder zurück und mich auch noch bücken. Wer kommt denn auf die Idee so eine Ablage unters Bett zu bauen? Sollen sich die Patienten dabei wieder etwas brechen oder wie? Naja, was soll's. Das Hemdchen kann ich ja ohne große Probleme ausziehen. Höchstens einer der Ärzte käme hinein aber die wissen ja eh, wie ich aussehe. Es macht mir nichts weiter aus. Als ich meine Augen schließe und mir eben das Shirt von gestern überwerfen will, höre ich wirklich wie die Tür aufgeht. Das Oberteil habe ich eben in Höhe meines Kopfes, als die Person hinter mir auch schon näher tritt. Diese Person greift in die Mitte des Hemdes und zieht es weiter nach hinten, so dass ich meine Arme nicht mehr bewegen kann. Sie haben sich im Stoff verheddert und ich bin noch zu geschwächt, um mich dagegen zu wehren. Das kann auf keinen Fall ein Arzt sein. Als meine Gedanken endlich soweit sind, kommt mir diese Person auch schon näher. Er befindet sich in Höhe meines rechten Ohres als er auch schon bittersüß schnurrt, „Na, wer bin ich?“ Jede einzelne Faser in meinem Körper spannt sich an und immer mehr an, je öfter er mir gegen mein Ohr haucht. Ich merke, dass sich diese Person weit nach unten beugen musste. Hätte ich nur früher besser aufgepasst! Denn als ich es endlich wage meinen Kopf ein Stück zu ihm zu drehen erkenne ich sein schwarzes Haar, seine dunkle Kleidung und diese schwarzen, tiefschwarzen Augen. Als er mein entsetztes Gesicht sieht und die Röte, welche mir aufsteigt spüre ich zugleich, wie sehr er in diesem 'Genuss' badet. Sein Grinsen wird breiter und gerade als ich glaube er entfernt sich ein Stück, nimmt er es sich heraus mir in mein Ohr zu beißen. Naja, was heißt beißen, viel mehr knabbert er genüsslich daran. Ich jedoch springe sofort ein Stück auf und falle, unbeweglich wie ich gerade bin, nach vorn auf meine Knie. Meine gefesselten Unterarme liegen flach auf dem Boden. Ich spüre wie mein Gesicht bald platz vor Röte. Es fühlt sich so furchtbar warm an, als würde sich all mein Blut nur noch in meinem Kopf befinden. Die Person hinter mir jedoch bleibt stehen. Und grinst breit. Bis er sogar anfängt heiter zu lachen. „Ich habe dir zwar gesagt, dass du beim nächsten Mal nichts an haben sollst aber dass du dich gleich so vor mich werfen würdest! Unglaublich, einfach unglaublich!“ Er genießt es wirklich, dieser Verkäufer!!! Ich lasse mich auf den Boden fallen und rolle mich da auf meinen Rücken. Irgendwie komisch aber als ich ihn mir da so betrachte, wirkt es so unglaublich künstlich und lebendig zugleich. Seine Ausstrahlung ist abartig elegant und sogar wenn er lacht wirkt es so geplant und so frei zugleich. Als ich dachte, dass ich aus Castiel nicht schlau werde, habe ich ihn ja noch nicht gekannt. Dieser Junge, dieser Mann ist nun wohl das größte Rätsel für mich. Er merkt natürlich, dass ich ihn anstarre und das nicht wütend, sondern butterweich. Er kann sich endlich wieder beherrschen und ich habe meine gewohnten bösen Augen zurück. Helfend beugt er sich zu mir herunter und sogar als ich ihm sage, er solle mich nicht anrühren, tut er es erst recht. Er nimmt mich auf seine beiden Arme und setzt mich auf das eben erst verlassene Bett. Meine Arme hat er dabei wieder hinter mich genommen. Wie gemein! Nochmals betrachtet er mich so, von oben herab zu mir runter, eh er endlich meine Arme hinter meinem Kopf löst. Eigentlich hat er ja nicht viel gemacht außer daran gezogen aber wie gesagt, die Vollnarkose hat mich ziemlich mitgenommen. Anziehen kann ich mich immerhin noch alleine, als dann endlich wirklich der Arzt auftaucht. Er gesteht mir zu, weil mein Weg ja so kurz ist, dass ich gleich nach Hause darf. Auf eine Begleitung besteht er auch. Das kommt dem Verkäufer ja gerade Recht. Seine Blicke verraten es mir. Ich ziehe mich in der Zeit einfach weiter an und nehme nur mit einem halben Ohr wahr was er da von sich gibt. So wichtig kann es ja nicht mehr sein, denke ich mir mal. Letztendlich trage ich wie immer meine Boots, die Armyh-Hose und die Stoffjacke. Die Kapuze setze ich erst auf, als wir den Raum verlassen. Den Schwarzkopf neben mir scheint das zum Glück nicht zu stören. Er ist nun eben einer von dreien der weiß, dass mir das so lieber ist. Trotzdem, obwohl er so komisch ist und mich zum durchdrehen bringt mit seiner Nähe, ist er der einzige, der seit langem so nahe an mich herangekommen ist. Wieso gerade so einer?! Grauenhaft! Auch er fängt auf dem Weg an mir von sich und Rosalia zu erzählen. Ich frage mich ein wenig ob das eine Art Plan von ihm sein könnte. So oder so ist es schön zu hören, dass es Menschen gibt die zu so etwas wie einer Beziehung fähig sind – auch mit solchen Macken. So etwas … würde nicht zu mir passen. Nein, auf keinen Fall! … „Sage mal, woher wusstest du, dass ich da bin?“, will ich dann endlich mal wissen. „Lysander hat mich erst angerufen und da ich eh gerade in der Gegen war um Stoffe zu kaufen, bin ich eben vorbei gekommen.“ „Und woher wusste er das?“, frage ich mehr mich als ihn. Er antwortet dennoch, „Von Armin. Er war doch in der Schule und hat erzählt, dass du beim Arzt bist, mehr aber auch nicht.“ Also weiß auch dieser Verkäufer nicht mehr? Warum fragt er dann nicht danach? Komisch … Er schafft es, wie Castiel vor einer Weile, dass ich ihm Folge ohne nachzufragen, geschweige denn mich zu wundern. Als ich dann endlich wieder nach vorn schaue, wird mir klar wo wir sind. Er hat mich den ganzen Weg bis zur Schule geführt und ich dumme Nuss habe es nicht mal mitbekommen. Als wir vor dem breit geöffnetem Eisentor stehen verstumme ich wieder. Meine Kapuze rutscht weiter nach unten und meine Blicke wandern zum Boden. „Warum? Warum hast du mich hier her gebracht?“, wieder keine Wut, viel mehr ist es das blanke Entsetzen was diese Worte aus mir herausbringt. Innerlich schreie ich, ich schreie meine ganze eigene Welt zusammen. „Lysander hat mich darum gebeten und ganz ehrlich, ich fände das auch besser so. Du … du musst dich nicht durch alles allein durchkämpfen. Lass dir helfen.“, spricht er mir gut zu. Seine Stimme ist wieder ganz anders. Sie ist wieder weich, doch diesmal ganz anders als sonst. Er macht sich wirklich Gedanken deswegen und das obwohl wir uns nicht mal kennen. Ich glaube so wie er jetzt ist, das ist sein wahres Ich. Der Rest ist nur gespielt. Das kommt mir … so bekannt vor!
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