Wie bei einer Verrückten gibt es in meinem Kopf nur noch eins: Ich will ein Haustier, ein Frettchen. Ich will nicht mehr allein sein.
Ich bekomme mit einem mal zu spüren, wie einfach ich mir das vorgestellt habe. Schon seit Tagen sitze ich vor meinem alten aber dennoch treuen Laptop und lese mir etliche Seiten durch. Ich bekomme ein immer besseres Bild über und für die Tiere. Die Haltung ist alles andere als billig. Nichts desto trotz, plane ich das Geld dafür aufzutreiben, doch ein Hindernis bleibt mir noch: Ich bin einfach zu jung! Tiere darf man erst ab einem Alter von 18 Jahren kaufen und doch hängt der Gedanke weiterhin in meinem Kopf. Allein aus diesem Grund habe ich mir inzwischen sogar schon zwei Bücher gekauft. Mir ist es wichtig, etwas handfestes zu haben. Im Internet kann jeder schreiben was er will, doch so ein Buch erscheint mir seriöser. Über die Haltung habe ich inzwischen alles im Kopf. Einen Käfig, Spielsachen, Einstreu, Futter und und und gibt es jedoch noch nicht. Allein dafür, muss ich schon mal anfangen zu sparen. Im Kopf habe ich schon mal etwas durchgerechnet, wie viel ich ausgeben müsste und wie lange das wohl dauern würde. Die komplette Rechnung klebe ich mir in ein Buch. Zugleich will ich für einen Führerschein anfangen zu sparen. Das wird ein strammer Plan, denn alles in allem will ich nicht länger als ein Jahr und vier Monate benötigen! Umso öfter ich drauf schaue, umso mehr frage ich mich, wie ich das schaffen soll. Trotzdem, aufgeben war nicht drinnen! Obwohl ich inzwischen noch mehr gelesen habe, stellen sich mir nach und nach immer noch Fragen. Da ich eh Zeit habe, will ich also wirklich ALLES wissen. Sogar auf Arbeit denke ich nur noch daran. In den seltenen ansprechbaren Momenten, fragen die andere Mädchen mal rum, wer mit shoppen gehen möchte. Ich beschließe, mich mal etwas abzulenken. Es kann ja nicht schaden und da wir uns eh alle verstehen, wird es umso mehr Spaß machen. Der Tag war wirklich ausgelassen und ausgelastet. Die Mädchen konnten und wollten einfach nicht genug bekommen. Ihre Hormone sprudelten geradezu über, bei jedem Teil mehr, was sie sich kauften. Kopfschüttelnd konzentriere ich mich wieder auf meinen Laptop. Inzwischen haben sich viele Leute auf meine Fragen gemeldet. Ruhig lese ich mir alle Antworten nach und nach durch, doch am Ende steht eins fest: „Bist du dir sicher, dass du eins haben willst? Hast du denn schon mal welche gesehen?“ „Ich würde dir dazu raten, sie dir erst mal live anzuschauen.“ „Weißt du überhaupt wie man mit ihnen umgehen soll? Lesen kann man viel aber in Realität sieht das ganze doch noch mal anders aus!“ Das sind nur ein paar der Texte. Ich versinke fast im Computer, als ich es endlich selber bemerke. Ich brauche dringend Abwechslung. Ich wirke ja schon, wie ein Süchtiger! Wie gerufen folgt gleich darauf auch eine SMS. Diesmal sind es zwei der Jungs von Arbeit. Beide schreiben mir. „Beach Club! Sofort!“ „Heute – Party – Beach Club!“ Also kurz halten können sie sich und doch verstehe ich genau, was sie wollen. Ich bin begeistert, dass sie mich freiwillig fragen. So langsam bekomme ich das Gefühl zum Strom dieser Stadt zu gehören. In heller Begeisterung klappe ich meinen Laptop zu und mache mich sofort fertig. Heute wird es ein knapper Rock und ein bauchfreies Top. Wenn ich schon nicht mit einer vollen Brust dienen kann, dann ja vielleicht mit einer halbwegs angenehmen Figur. Diesmal stecke ich all mein langes, blondes Haar nach oben. Stulpen für Arme und Beine werden auch noch rasch übergezogen und zu guter Letzt die Schuhe an und los! Am Eingang warten schon neun Leute. Das sind alle anderen aus der Ausbildung. Jeder ist gekommen. Ich merke, wie mich die Mädchen streng mustern und die Jungs sich lieber wegdrehen. Ich bekomme das Gefühl, vielleicht doch etwas übertrieben zu haben. Was ich nicht weiß, die Jungs brauchen Luft zum atmen. Mir ist egal was sie denken, auch wenn es förmlich in ihre Augen geritzt steht. Schlampe! „Na los oder seit ihr angewachsen?“, lenke ich einfach mal ab, mit Erfolg. Zum Glück komme ich ohne Probleme rein. Unsere Jungs begebe sich gleich in Richtung Bar, die Mädchen hingegen tanzen. Sie tanzen und tanzen und tanzen ohne Pause. Irgendwann, schon halb betrunken, getrauen sich auch die Jungs zu uns. Interessiert schaue ich den zwei Jungs zu, die mehr mit sich beschäftigt sind als mit anderem. Natürlich behaupte beide da wäre nichts, doch ihr Verhalten sagt anderes und nur das zählt doch. Die Mädchen lästern ein wenig darüber, nicht bösartig, eher neugierig, interessiert. Schließlich leben wir im 21. Jahrhundert, da ist das alles ja kein Problem mehr. Die Party geht bis früh um 4, dann müssen alle gehen. Die Bar schließt. Eher unfreiwillig gehen auch wir. Als ich die anderen anschaue, kann ich nicht anders als jeden einzelnen Heim zu bringen. Ich überlege, ob sie überhaupt noch wissen wo das sein soll. Ein Glück gibt es immerhin eine, die auf den Konsum von Alkohol verzichtet. Ich habe es noch nie gebraucht und sehe auch keinen Grund das zu ändern. Als ich erneut auf mein altes LG schaue, ist es bereits um 5. da bin ich grade auf dem Heimweg. Ab da an bin ich mit meinen Gedanken nur noch bei meinem vorherigen Thema. Ich spüre gerade jetzt, wie allein ich doch bin. Um mich abzulenken laufe ich einfach quer durch die Stadt. Irgendwann gelange ich in ein Viertel, welches mit vollkommen unbekannt ist. Mich umringen von allen Seiten und in Massen die größten und schönsten Villen, die ich je gesehen habe. Ich bin begeistert. Auch wenn es mir nie möglich ist, so eine jemals von innen zu sehen, ich bewundere sie in jedem Moment mehr. Sogar der Weg ist hier ganz anders angelegt, elegant und in wunderschönen Farben. Langsam geht die Sonne vor mir auf. Sie strahlt über den Rand der Villen. Ich atme tief durch und stelle fest, dass es langsam Herbst wird. Der Duft von Blättern, feuchtem Boden und Pilzen liegt in der Luft. Natürlich auch der von Parfum, doch das liegt allein an der Gegend, in der ich mich gerade befinde. Auf dem Rückweg lasse ich mir weitaus mehr Zeit. Unterwegs Frühstücke ich in einem kleinen Café. Als ich endlich die Stufen hinauf bin und zur Tür herein tapse, lasse ich mich sofort in mein Bett fallen. Für eine Weile kritzle ich noch etwas in meinen Zeichenblock, doch dann siegt endlich die Müdigkeit. Seit langem träume ich mal wieder etwas. Ich träume von genau diesem Tag. Er ist etwas ganz besonderes für mich gewesen. Zugleich legt sich auf meine Lippen ein erleichtertes und zufriedenes Lächeln. Als ich wieder wach werde ist es bereits Nachmittag. Schleppend stemme ich mich auf. Nebenbei nehme ich einen Schluck aus der Wasserflasche. Ich fühle mich ein wenig komatös von letzter Nacht, auch ohne Alkohol. Lustlos zupfe ich mir einen Salat auseinander und schmeiße ein paar Gurken und Tomaten hinein. Damit lasse ich mich vor den Laptop fallen. Inzwischen beschränkt sich meine Suche auf Züchter, Organisationen oder Auffangstationen für Frettchen in meiner Umgebung. Es ist wirklich nicht einfach, denn obwohl die Tiere so populär geworden sind, gibt es kaum jemanden, der sie verkauft oder abgibt. Nach Stunden der erfolglosen Suche, will ich schon aufgeben, doch dann taucht irgendwo auf einer Seite ein Familienname auf. Neugierig suche ich im Netz nach dieser und finde heraus, dass sie die Tiere hobbymäßig züchten und auch verkaufen. Sie haben ihre eigene Internetseite und zum Glück auch Bilder darin. Sie erklären einiges, eigentlich nur Dinge, die ich schon weiß. Sie preisen ihre Aufzucht an und auf was sie achten, wenn sie ihre Lieblinge verkaufen. Die Familie wirkt sehr seriös. Eine Telefonnummer steht auch mit dabei. Fast eine Stunde lang hänge ich vor dem Telefon. In der einen Hand halte ich einen Zettel mit der Adresse und der Nummer, in der anderen den Hörer. Nach der Stunde lege ich mein Handy stöhnend und frustriert zur Seite. Warum getraue ich mich nicht da anzurufen? Ach egal, dann halt nicht! Verärgert verlasse ich die Wohnung. Nach langem hin und her laufen in der Stadt, fährt gerade eine Bahn an mir vorbei. Die trägt die Nummer 3 und hat eine Aufschrift mit dem Namen 'Waldplatz.' in meinem Kopf legt sich ein Schalter um und ich laufe der Bahn nach. Was ist, wenn ich jetzt einfach da mitfahre? Die Entscheidung ist ja schon längst gefallen. Jetzt muss ich nur noch die Bahn bekommen. Ich sehe, wie sich die Türen gerade vor mir schließen, als sich eine freundliche Person für mich einsetzt und einen Fuß dazwischen hält. So kann ich noch gerade so in die Bahn stürzen. Meine schweren Beine schaffen es nicht die Stufen hoch zu kommen und so falle ich hinauf. Hochrot starre ich auf den Boden und stehe vorsichtig auf. „E-E-E-E-Entschuldigung, d-d-d-danke!“, stottere ich irgendwie zusammen., so leise wie es mir möglich ist. Lächelnd setzt sich die Frau wieder und alles war vergessen. Bis zur Endstation waren es noch 20 Haltestellen. Die Bahn ist gerammelt voll, doch nach ein paar weiteren Stellen finde auch ich einen Sitzplatz. Im sitzen vergeht die halbe Stunde wie im Flug. Hoffentlich kann ich sie mir wenigstens mal ansehen, wenn ich mir schon keine kaufen kann!
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