Sally holt tief Luft, eh sie mir die lang ersehnte Antwort endlich gibt: „Es ist am einfachsten, wenn ich es dir zeige.“
Mit diesen leidigen Worten, wenden sich meine Blicke ihren Beinen zu. An ihren Knien hat sie jeweils 2 Pflaster, zumindest sehen sie so aus. In der Mitte stecken 2 Kabel und so wie es aussieht, dringen diese in ihre Knie ein. Sie löst vorsichtig eines der Pflaster und zieht zugleich den fest gesaugten Noppen ab. Also doch kein Pflaster. Es soll die Kabel wohl besser am Knie halten. „Wofür …“ „Schon gut … das erkläre ich dir später, erst einmal musst du wissen … dass für diese 'Kabel', wie du sie nennst, Zugänge gebraucht werden. Diese Zugänge bleiben, für immer. Somit muss man sie nicht jedes Mal vom neuen stechen. Glaube mir, das erspart viele Schmerzen. Wenn die Kabel der Skates nicht darin sind, werden einseitig verstopfte Kanülen oder auch Plastikteile eingesetzt. Man gewöhnt sich mit der Zeit an das leichte ziehen aber … das wichtigste ist, dass man dich anhand dieser kleinen Zugänge erkennen kann.“ „Kanülen? E-Einseitig ver was? G-Gibt es so etwas überhaupt?“, frage ich nach. Sally schließt ihre Augen, versucht auf meine Frage einzugehen: „Keine Ahnung ob es so etwas gibt. Hier sitzen keine Ärzte nur Hobbysportler, die nicht verbluten wollen. Sollte es die nicht geben, hat die irgendwer extra dafür erfunden.“ „U-Und Inwiefern erkennen?“, hake ich verwirrt weiter nach. „Ist das wirklich so wichtig? Jetzt?“ „I-Ich weiß nicht, s-sage du es mir. Warum erzählst du mir sonst davon?“, werde ich irgendwie nervös, wenn sie davon erzählt. Angst? Ich weiß nicht … „All das hier ist einfach gefährlich. Das schreckt dich aber nicht wirklich ab oder?“ „Nein.“ „Dein Herz?“ „Du weißt doch: Mit der Zeit gewöhne ich mich an die Aufregung vor Kämpfen, Spielen oder Auftritten.“ „Trotzdem, wer sich einmal dafür entscheidet, muss weiter machen und … dieser Sport … kann deiner Gesundheit noch mehr schaden.“, versucht mir auch Séox klar zu machen aber ich verstehe es nicht. „Wieso muss ich denn weiter machen? Ich kann diese Kabel doch einfach raus reißen und alles wächst wieder zu.“ Sally spricht schwach: „Wenn es nur so einfach wäre.“ „Ändern lässt es sich eh nicht mehr. Sally, lass mich dir bitte einfach etwas Arbeit abnehmen. Du musst das hier ja nicht allein schaffen.“ „Sage mal, bist du mir etwa bis hier her gefolgt?“, zweifelt das ältere Mädchen an mir, „Wie bist du überhaupt bis hier her gekommen?“ Ich überlege, sehe sie ganz normal an, „Ich … weiß nicht. Ich habe gehört, wie ihr euch gestritten habt und bin abgehauen wie immer. Irgendwann kam ich hier an. Außerdem … als ob ich mich freiwillig an so einen Ort verirren würde!!! Spinnst du! Das war alles eher Zufall, hat sich eben irgendwie so ergeben und – und – und … Sally, vertraue mir. Ich kann dir bestimmt helfen, ohne dass es andere merken. Du musst zugeben, dass du es bestimmt nicht nochmal durchhältst. Ich will nicht, dass du vielleicht bald nicht mehr laufen kannst. Vielleicht ist das hier ja einfach … Schicksal.“ Stimmt, ich kann selbst kaum glauben, dass ich so etwas von mir gebe. Ich und das Schicksal, wir standen noch nie auf einer Seite aber … als was soll ich das hier denn sonst ansehen? Ihre Blicke fallen jedoch ihren Beinen zu. Sie wird ganz leise: „Weißt du Miki … ich habe nie geglaubt, dass du das nicht schaffen würdest … oder dass du zu schwach dazu wärst. Ich hatte – habe nur Angst, weiß aber nicht wieso. Ich – Ich kann dich bestimmt nicht mehr davon abhalten oder?“ Energisch balle ich eine Hand zur Faust: „Nein. Also, los geht’s! Es ist auch nur dieses Mal, ich versprech's dir.“ Unsichere Blicke erreichen mich. Sie denkt nach und kommt zu einem Schluss, der mich wirklich freut : „Also, wenn das wer schaffen sollte … dann bestimmt du. Versprich es, wirklich.“ Noch energischer nicke ich, „Auf jeden Fall! Versprochen!“ Also stimmt sie zu, endlich! Daraufhin bereiten die 3 irgendetwas vor. Ich soll gleich sitzen bleiben. Sie holen kleine Schälchen und die Kanülen, von denen sie gesprochen hatten, diese jedoch sind komplett offen. „Betäuben?“, hakt Séox nach. Ich zuck nur zusammen und rücke etwas von ihm weg. Meine Große setzt sich wieder auf die Liege, direkt vor meine Beine. „Ganz ruhig. Es ist nur wie im Krankenhaus, nichts schlimmes.“ „Stimmt, das schlimme kommt erst nach den Kanülen.“, gibt Séox natürlich wieder von sich. Nochmals bringt er mich zum zusammen zucken. Man, er muss mich wirklich dafür hassen. Am Ende fällt nur auf, dass Sally dem nicht widerspricht, also hat er recht. „Für Betäubung ist es schon längst zu spät. Wir müssen bald wieder raus, keine Zeit mehr dafür.“, gibt Sally ihm als Antwort. Die Kanülen als Eingang zu … zu was auch immer, taten wirklich nicht weh, als sie sie gesetzt haben. Erst danach überlegen die 3 genauer. Séox fragt nach: „Welche nehmen wir?“ „Sie hat noch keine eigenen.“, berichtet Sally. „Du trägst auch noch deine ersten, mit denen hätte es die größten Chancen gegeben, wenn sie die hätte bekommen können.“ Ich drehe langsam noch durch. Sie hat mir zwar eins, zwei Dinge erzählt aber wirklich schlauer bin ich deswegen nicht. „Hört schon auf zu diskutieren. Worum geht es?!“, werde ich langsam böse „A-Also. Du brauchst Scates, die zu dir passen. Diese … Kabel … sie werden sich mit dir verbinden. Also EIGENTLICH baut sich jeder seine eigenen zusammen und kauft sich im Shop die Gen's, die einem am meisten zusagen. Man muss aus dem Bauch heraus entscheiden, ansonsten klappt es nicht.“ Endlich erfahre ich mal mehr! Nur heißt das nicht, dass ich es verstehe – danke auch, Sally. „Inwiefern verbinden?“ „Willst du das wirklich vorher wissen?“, spricht mir nun auch schon Heyvo mit zusammengeschobenen Augenbrauen zu. Sie wirken alle so verunsichert, nur einer mal wieder nicht. „Eben verbinden … du wirst es schon mitbekommen.“ „Dann – Dann ist egal welche. Ich will Sally da draußen irgendwie helfen können.“ „Tzz! Als ob du das könntest! Du wirst schon noch sehen, was du davon hast, stellst dir das einfach zu einfach vor! Du bist so naiv, so … dumm …“ Keiner sagt etwas gegen Séox. Es würde ihn nur noch wütender machen. Ich will auch nicht, dass mich wer vor seinen Angriffen schützt. Ich habe es ja verdient. „Dann … dann gebt mir irgendwelche. Es ist nur für jetzt. Wenn ich schon dumm handle, dann eben gleich richtig!“, spreche ich mehr dem Zwilling zu, als den anderen beiden. Er sieht nur für eine Sekunde nach unten, zu mir … und gibt nach, genervt stöhnend. „Ich habe noch ein zweites Paar! Gib dich damit zufrieden!“, ranzt er mich an und hilft mir ja irgendwie doch damit. Während er sie holt, setzen sich die anderen Beiden verteilt zu mir auf die Krankenliege. Wehleidige Blicke, na toll! Ganz knapp erwähne ich: „Erklärungen sind mir lieber als Gejammer.“ „Hier, nimm das Tuch. Wenn es zu schlimm wird, beiße einfach drauf.“, hält mir Heyvo vor. Er bleibt ziemlich eng an meiner Kopfseite sitzen. Sally versteht und erklärt: „Es kann passieren, dass es nicht funktioniert. Sie sind absolut nicht für dich geeignet, im Gegenteil sogar. Wenn Séox dich so wenig leiden kann, dann könnte es zu ernsthaften Schwierigkeiten führen. Sage einfach etwas, wenn es nicht mehr geht. Miki glaube mir einfach, wir haben das alle schon durch gemacht.“ „Wir wissen, wie das ist.“, spricht mir auch Heyvo nochmal zu, bevor sein Bruder zurück ist. Sally hat recht. Die Skates sind viel zu groß und hoch, reichen bestimmt über meine Knie hinaus. Ich sehe genauer hin und entdecke, dass die Skates ganz unten, in der Nähe der Räder auch diese Zulaufstellen haben. Die enden der – der Gen's landen also dort. Ich kann nicht wirklich nachvollziehen, wie so etwas funktioniert, werde es aber gleich herausfinden. Eine gewisse Vermutung schwebt da ja doch schon in mir. „Na los, zieh an, bevor deine Beine ausbluten. Es sind immerhin offene Wunden. Die Plastikröhrchen stecken ja auch noch.“ Séox hat völlig recht, ich hatte diese Tatsache völlig verdrängt. Die ganze Zeit schon läuft mir das Blut die Beine hinab aber keiner wollte es wegwischen. Solange welches nachfließt lohnt es sich wohl nicht. Also schlüpfe ich in die Skates. Dabei passiert noch nichts aber das kommt ja noch. Er muss die Gen's seiner eigenen Boots abgenommen haben, um sie jetzt mit seinen alten und MIR zu verbinden. Teil 1 ging schon mal einfach, nur bei Teil 2 zögert er. Er schaut mich an, eindringlich. „Ganz sicher?“ „Ganz sicher!“ „Sie können dich abstoßen, dich verletzen.“ „Egal!“ „Dann lege dich hin und nimm das Tuch.“ Ich nicke nur und tue, was er für richtig hält und von mir verlangt. Noch während sich meine Blicke der Decke zuneigen, kann ich hören, wie er die Kappen von den Gen's ab nimmt und spüren, wie er die Enden anschließend in die Öffnungen schiebt. In mir kommt sofort alles zum stehen. Mir fehlt irgendwie Gefühl in … irgendwie überall. Das Bild vor meinen Augen verbleicht. Alles wird blau und Lila, als wäre man in einer anderen Welt gelandet, gefangen. Ich wette, ich bin einfach zu dehydriert und bilde mir nun irgendetwas ein. Alles um mich herum ist wie in farbige Wolken gepackt aber – aber da ist noch irgendetwas. Ich kann es nicht erkennen und auch nicht hören. Ich bin mir nicht mal mehr sicher, ob das in meinem Traum ist oder ob Sally da einfach nach mir Ruft. Ich spüre, wie sich etwas in meinem Körper ausbreitet. Wie kleine Blitze jagt es sich durch meine Gliedmaßen. Ich spüre es in jedem einzelnen Muskel und Knochen. Ich habe meinen eigenen Körper zuvor nie so sehr gespürt, auch nach keinem Training. Es tut weh, schmerzt, so wie sie es mir vorher gesagt haben aber … egal! Nach und nach bekomme ich wieder mehr aus meiner Umwelt mit. Ich spüre, dass ich mich in etwas vergriffen habe, Stoffe, die Liege. Ich habe völlig verdrängt auf das Tuch zu beißen und quäle stattdessen meine Zähne. Mein Rücken hat sich komplett durchgedrückt und meine Augen stehen weit offen. Alles ist verkrampft und noch mehr, wenn ich diese wuselnden Blitze in meinem Körper spüre. Es brennt, mein Körper brennt, überall. Es lässt nicht nach aber – aber ich kann doch nicht deswegen aufgeben, Sally alles allein machen lasse? Niemals! „Verdammt! Ich habe dir gesagt, dass das nicht klappen wird.“, ertönt die Stimme dessen, der mir seine Gen's und Boots geliehen hat. Warum – Warum habe ich so ein komisches Gefühl, dass das was er da sagt, gar nicht stimmt? Er ist doch so schwer zu durchschauen. Warum glaube ich diesmal sicher, dass es nicht stimmt? „Hmmmhaah, verdammt … nicht!!!“, rufe ich gequält dazwischen, sehe eigentlich nichts aber Séox hatte bestimmt, ganz sicher vor dazwischen zu greifen. Er, sie alle, nehmen ihre Hände wieder von mir. Wenn ich wenigstens genau sagen könnte was noch Realität und was dieser unklärbare Traum ist. „Nhhaaah!!! Verdammt, ahhh!!!“, ruft es gequält in mir auf. Ich kann mich selbst schreien hören, als wäre ich überhaupt nicht in diesem Körper. So komisch hat es sich erst schon mal angefühlt, als ich zu Sally rüber gesprungen bin. Die Blitze in meinen Adern sind noch immer am schlimmsten. Sie lassen kaum nach und doch geht es allmählich besser. Mein Körper gewöhnt sich wohl daran. Selbst als ich aus dieser Illusion wieder aufwache, spüre ich noch die Blitze, die mit meinem Blut fließen. Ich – Ich kann nun verstehen, was Sally die ganze Zeit meinte. Es ist als würden diese Boots durch die Gen's in mir leben. Ich frage mich nur, wie so etwas möglich ist. Ich lasse meine Augen lieber geschlossen. Diese Scates fühlen sich überhaupt nicht mehr an, als würde ich sie nur an meinen Füßen tragen. Es fühlt sich echt an. Ein eigenartiges Gefühl. Ich habe mir wohl lange genug Zeit genommen, mich an dieses Gefühl zu gewöhnen. Meine Augen blinzelnd wieder öffnend, erblicke ich nicht mal Sally als Erste … es ist Séox, wie ich erst schon vermutet habe. Er hat sich zu den anderen beiden gesetzt und sich wütend über mich gestützt. Es würde mich nicht wundern, wenn er reagieren würde wie ich erst bei Sally. Einfach zuschlagen. Das hilft manchmal, wirklich. Er tut es aber nicht. Schwer atmend lassen die Verkrampfungen in meinen Gliedern nach. Mein Körper fühlt sich so schwer an, so krank, verletzt. Ich kann mich kaum bewegen, gar nicht mehr, als mich Sally auch noch davon abhält. „Nicht, nimm dir ruhig ein paar Minuten mehr. Das war eine sehr heftige Reaktion. Hoffentlich geht es dir gut. Lass dir Zeit mit dem aufstehen. So lange müssen wir eben noch warten, wir und die Kings.“ Mir bleibt ja kaum etwas anderes übrig, wenn sie sich so auf mich stützt. Hauptsache Sally überlebt die nächste Runde, der Rest ist egal. Interessiert platzt die Frage aus mir heraus: „I - Ist – Ist das normal?“ Die drei überlegen, sehen mir zu, wie ich zitternd und zuckend, als hätte ich irgendeinen Anfall, auf der Liege liege. Von allen dreien kann ich ein klares Nein verspüren. Séox muss sich aus irgendeinem Grund dazu verpflichtet fühlen mir zu antworten: „Deswegen sucht sich ja jeder eigentlich seine EIGENEN Gen's aus. Es schmerzt trotzdem aber bei weitem nicht mehr so sehr.“ Die Zuckungen, ausgelöst von den vielen kleinen, unangenehmen Blitzen, die durch meinen Körper gleiten, werden weniger. Ich finde nach und nach zu meiner normalen Atmung zurück und somit auch zu einer festeren Stimme. Was nicht sofort so funktionieren will wie ich es am liebsten hätte, sind die Bewegungen meines Körpers. Ich atme tief durch, bevor ich es noch einmal wage mich aufzurichten. Ich kann mich kaum auf meinen Händen halten, um wenigstens zu sitzen aber ich muss, ich will. Ich will sehen, was sich wohl geändert hat. Doch mein Gefühl trübt. Als ich meine Beine hinab schaue, sieht alles so aus wie vorher. Sally hat diese Plastikröhrchen aus meinen Knien gezogen. Sie schweben jetzt die Gen's rauf und runter, je nachdem wie ich mich bewege. Die Boots sehen noch genauso aus wie vorher, nur das Gefühl hat sich geändert. Diese Gen's müssen dafür sorgen, dass es sich anfühlt, als wären sie echt. Da fällt mir ein: „H-Haben diese Dinger denn – denn einen Motor oder so?“ Ich weiß auch nicht, warum ich so nervös bei der Frage bin. Vielleicht liegt es einfach an der Antwort, die mir Heyvo gibt. „Was? Neeein!“, kichert er mir zu. Er tauscht ein paar Blicke mit Sally aus, eh er sich vor mich stellt und weiter erklärt. Er zeigt mir die Teile die wichtig sind und nicht kaputt gehen sollten. Natürlich ganz vorn dabei die Gen's. „Das sagst du so einfach. Die sind bestimmt immer im Weg!“, fällt mir auf. „Stimmt schon aber man gewöhnt sich irgendwie daran, dass man mehr einberechnen muss als sonst. Also es gibt keinen Motor, es hört sich nur so an als ob. Ohne die Gen's, würden sich die Scates nur bewegen, wenn man sich selbst bewegt. Es gäbe keinen Unterschied zu Inlineskates, außer dass unsere nur 3 Rollen haben. Du musst nur …“ „Genug der Pause! Die King-sama's rufen zur zweiten Runde auf!“, unterbricht ein in dunkler Kleidung umhüllter Mann. Er hat fast lautlos die Tür geöffnet und steht wie ein Schrank im Rahmen. Ich schrecke sofort zurück. Er hat sich so lautlos angeschlichen, dass ich mich nur erschrecken konnte. Er wartet auf andere Reaktionen als meinem Zucken. Nur Séox steht auf, stellt sich vor mich. Ich begreife wieder einmal nicht warum, bis Sally mir das zu auffällige Blut von den Beinen wischt. Dieser 'Bote der Unterwelt' darf es wohl nicht sehen. Heyvo konnte rein gar nichts erklären. Jetzt weiß ich nur, dass es keinen Motor gibt aber … wie bewegen die Dinger sich dann? Komplett aus eigener Kraft wird das ja wohl nicht funktionieren oder? Was soll ich denn jetzt tun? So oder so müssen wir raus. „Wir werden sie zu den Portalen führen.“, versichert Séox dem Mann an der Tür. Anscheinend hat er als Wächter mehr zu sagen als der Bedeckte. Erst danach denke ich daran, mir diese schreckliche Maske wieder aufzusetzen. Richtig, damit wird es natürlich suuuper einfacher werden … nicht! Sally ihre aufgeschminkte Katzenmaske ist mir bisher auch so ziemlich entgangen. Ich kenne meine Schwester immerhin, da muss ich nicht auf die graue Farbe in ihrem Gesicht achten. Sally wirkt sehr nervös. Sobald die Tür wieder zu ist, verfällt sie halb in Panik. Ich verstehe nicht was sie hat. Ein Glück erklärt sie sich: „M-Miki, mach dir keine Sorgen. A-Also …“ Séox nimmt das Wort sofort an sich. Sally bekommt wirklich nichts mehr auf die Reihe. „Kurz zusammen gefasst: Du darfst auf keinen Fall stürzen, den King's am besten immer nur ausweichen und versuchen so zu tun, als wüsstest du, was du da machst!“ Nur Heyvo sieht mir meine ungläubigen Blicke an: „Was mein Bruder dir damit sagen will ist, dass wir dir als erstes jetzt mal einen Avatar-Namen aussuchen.“ „Einen … was?“, kapiere ich nach wie vor nichts. Der nettere Zwilling von beiden geht nochmal einen Schritt zurück, obwohl er es mir auch so schon Haarklein versucht zu erklären: „Du wirst doch wohl gemerkt haben, dass das nicht unsere richtigen Namen sind. Du brauchst einen. Du musst ihn vorn an der Portalöffnung eintippen, damit er am großen Bildschirm angezeigt wird. Überlege dir einen, solange ich dich …“ „Du nimmst Sally mit raus. Sie sieht leichter aus.“, fasst sich Séox kurz. Ich verstehe nicht, warum er sich nun plötzlich um mich kümmern möchte? Na ja … 'kümmern' eben. Nicht mal sein Bruder wagt es dagegen noch etwas zu sagen. Er kann nur hilflos mit seinen Schultern zucken und wendet sich dann meiner Schwester zu. Sie kann wirklich noch immer nicht ordentlich laufen. All die Reaktionen hier drinnen haben wohl nur funktioniert, weil sie voller Panik und Angst war. Bevor die Beiden aus dem Raum draußen sind, kann ich nicht anders als ihr nach zu flüstern: „Mach dir keine Sorgen, ich mache das schon … irgendwie. … Irgendwie helfe ich dir bestimmt.“ Kaum hörbar gibt sie mir sogar eine Antwort. Ihre wehleidigen Blicke ergeben endlich einen Sinn: „Ich weiß … ich weiß, dass du das kannst … Nimm es mir bitte nicht weg!“ Es war so leise, dass es Séox nicht erreichen konnte. Er steht nach wie vor schweigend knapp vor mir. Deswegen wollte sie also nicht, dass ich es versuche. Nicht einfach der Gesundheit oder der Gefahr wegen … es war einfach etwas, was ihr gehörte. Keine Sorge Sally, ich habe verstanden. Ich werde nur dieses eine Mal helfen … solange du endlich anfängst, an deine Gesundheit zu denken. Wir brauchen dich noch … Sally! Als die Tür zu ist, wendet sich der große Junge zu mir. Streng fragt er nach: „Und, hast du endlich einen Avatar?“ „Ä-Äh-Ähm n-nein ich – ich glaube noch nicht.“ Verdammt, warum macht er mich so nervös? Er ist beängstigend, wenn er mich so von oben herab anschaut. „Dann los, steh auf! … Versuch es …“ W-Was war das Letzte eben? Ich hätte es ja fast überhört aber … das klang so … besorgt? Egal. Mir die Gedanken aus dem Kopf schüttelnd, hüpfe ich ganz frei und voller Schmerzen von der Liege. Als ich aufkommen, durchzieht mich ein noch viel stechenderer Schmerz als zuvor schon – als hätte mir jemand oder etwas die Beine gebrochen. Es zieht bis in meinen Steiß hinein. Ein Fremdkörper, so könnte man es nennen. Ich will nicht in mir zusammen fallen aber – aber … „Genau deswegen sollte sie vor gehen. Reicht doch, was sie bisher schon mit ansehen musste oder?“, fragt mich der Junge direkt neben mir. Mir ist nicht aufgefallen, wie er streng meinen Arm gegriffen und festgehalten hat. Kein liebliches, halb verliebtes Auffangen mit anschließender Sorge. Er hält mich auf ziemlichen Abstand, als wäre ich eine dreckige Katze, die sich in sein Haus geschlichen hätte. Fehlt nur noch, dass er anstelle meines Arms meinen Jackenkragen gepackt hätte. „Woher weißt du so viel darüber? Heyvo ist einfach raus gegangen, ohne so komische wissende Blicke. Was stimmt nicht mit dir?“ „Und was stimmt nicht mit dir? Du warst doch eben völlig weggetreten! Deine Schwester anschreien, dass sie auf ihre Gesundheit achten solle und selber halb beim Aufbau der Verbindung sterben! Sieh dir die Liege an!“, fordert er von mir und blickt durch mich hindurch. Meine Augen fallen dem hinter mir zu. Die Unterlage ist völlig rot. Ich frage mich, wie viel Blut ich wohl verloren habe. „G-Gut aber … irgendetwas muss ich doch tun, wenn es sonst keiner macht!“ „Genau deswegen habe ich dir meine Skates gegeben, nur deswegen!“, macht er mir ganz eindeutig klar. Autsch … aber wie gesagt, verdient! „Warum genau tut es so sehr weh?“, hinterfrage ich zum gefühlten hundertsten mal. Er gibt mir die Antwort, sobald ich nochmal versuche auf eigenen Beinen zu stehen. Ich kann mich nicht mal fortbewegen. Solange ich stehen kann, reicht das für's Erste auch aus. Er schiebt mich einfach an, wieder durch diesen gruseligen, metallenen Gang. „Es tut so weh, weil die Gen's … anders sind. Niemand weiß, was sich wirklich darin befindet aber es geht eine Verbindung mit dir ein. Es bräuchte die Skates nicht. Sie würden sich auch so mit dir verbinden. Sie sind wie - wie ein Zusatz, zu dem was man eh schon ist. Wenn du sie nachher raus nimmst, wirst du sehen, wie sie sich einen Weg in das innere deines Beines gefressen haben. Obwohl … besser du siehst es vielleicht nicht …“, erwähnt er nur, als er mein blasses Gesicht deuten kann. Nur die Vorstellung davon ist ekelhaft. Ich kann zumindest sehen, dass meine Adern um das Kabel herum schwarz anlaufen. Der Zweck der halboffenen Kanülen wird mir immer deutlicher. Ich befürchte, dass sich die Wunden an den Stellen nicht mehr schließen können. Dieses Schwarz wirkt wie ausgebrannt … gruselig … ekelerregend. Ich wende meine Blicke lieber ab, höre dem Zwilling weiter zu. „Wenn die Gen's nicht zu dir passen, wenn du sie dir nicht ausgesucht hast, passen sie einfach nicht zu dir. Eigentlich … ich habe schon gesehen, was EIGENTLICH passiert, wenn man das versucht, was du versucht hast! Schon dreimal … alle drei sind dabei gestorben. Nicht wegen des Blutverlustes … irgendetwas hat sie gefangen gehalten. Es war, als wären sie nicht mehr anwesend. Das soll nicht heißen, dass ich dich hätte tot sehen wollen. Nur wegen so einer dämlichen Lüge, das wäre wirklich zu viel aber … ich wollte dich leiden sehen dafür. … Wie auch immer, Heyvo ist damals noch nicht gefahren und weiß deswegen nichts davon und trotzdem … trotzdem ist er schon besser als ich. Ich kann gut nachvollziehen wie sich Cat Doll fühlen muss. Es ist, als würde man gejagt werden. Ich liebe diesen Sport genauso wie sie und weiß auch, dass ich niemals so gut sein könnte, wie es Heyvo mal wird. Das zu wissen ist grauenhaft aber er ist immerhin mein Bruder.“, weiß er nicht mehr, was er eigentlich erzählen wollte. Er ist vollkommen vom Thema abgewichen. Nachhelfend erkläre ich: „Es ist nur dieses eine Mal. Ich habe es ihr versprochen.“ „Ja, das hat Heyvo damals auch. Es wird dich fesseln, ob du nun willst oder nicht. Du wirst da draußen etwas sehen, was du noch nie zuvor gesehen hast. Es lässt dich nicht mehr los, nie mehr!“, erklärt er mir mit einem Unterton der wohl Zweifel darstellen soll. „Ich weiß ja nicht mal, was ich mache soll. Also was ist das wichtigste?“ Er stellt mich vor einer geschlossenen Klappe ab. Auf der rechten Seite befindet sich ein kleiner Computer, auf dem in großen Lettern immer wieder aufblinkt: „Avatar-Name:“ und dahinter der Unterstrich, der meinen Buchstaben vorauslaufen soll. Mir fällt ein, dass ich mir darüber noch immer keine Gedanken gemacht habe aber das werde ich auch nicht, solange ich nicht weiß, was ich tun soll. Nochmal reißt sich der wütende Junge neben mir zusammen. Er erklärt: „Das wichtigste beim Start ist nicht gleich zu fallen. Halte dich an deine Schwester und zeige niemandem, dass deine Beine noch bluten. Obwohl … es wäre den King's wohl eh egal. Hoch genug dürften die Scates ja eigentlich sein. Die Münzen sollten dir egal sein, es wirft dich weder voraus noch zurück. Wichtig ist nur Cat Doll. Versuche ein paar Sprünge hinzulegen, das wird den Zuschauern schon reichen. Sie wissen, dass die King's faul geworden sind. Sie sind froh, wenn überhaupt einer mitmacht.“ Zusammenfassend spreche ich vor mir her: „Okay also … Name, nicht stürzen, Sprünge machen und …“ „ … und überleben. Mach eine Show daraus, das kannst du ja so gut, tzzz.“ Meine Blicke fallen dem neben mir zu. Er hingegen konzentriert sich schon auf die Klappe, wartet darauf, dass sie sich öffnet. Er bemerkt überhaupt nicht, wie ich ihn anstarre. In der Ruhe, die gerade herrscht, fällt mir endlich ein Name ein. „Duu … Séox?“, spreche ich ganz vorsichtig an, was ich unbedingt los werden will. Er sagt nichts, also spreche ich weiter: „Ich glaube … ich glaube dir nicht, dass du so sauer bist. Das hier … das sind deine Gen's. Es hätte noch viel weniger geklappt, wenn du mich wirklich dafür hassen würdest … oder?“ Noch immer sagt er nichts, nur der Griff seiner eh schon gekreuzten Arme vor seinem Oberkörper wird fester. Das war zumindest kein nein … aber auch kein ja. Als sich die Klappen dann öffnen und das grelle Licht mit all den hitzigen Jubelrufen hindurch dringt, tippe ich flüchtig die Buchstaben ein, die in meinem Kopf eingeprägt waren, seitdem ich überhaupt hier stehe. Lass sie mich etwas umschreiben und raus kommt … „Begrüßt mit mir Nummer 4 unserer King's! Servoxx!!!“, ertönt die Stimme des Kommentators. Ich ziehe mir einfach die Maske über und sehe dann geradeaus. Séox schaut abwechselnd zu mir und dann zur offenen Klappe. „Warum …“ „Ich weiß doch gar nicht wie!!!“, rede ich ihm panisch dazwischen. Die Aufregung in mir hat seinen Höhepunkt erreicht. „Shit man, kannst du echt gar nichts alleine?! Ist doch logisch! Geh etwas in die Knie und beug' dich nach vorn. die Gen's laufen hinten mit den Skates zusammen. Der Abstand zwischen dir und ihnen innerhalb der Schuhe zwingt sie dazu, etwas tun zu müssen. Beim Bremsen genau anders herum. Lehne deine Fersen voll auf, damit sie anhalten!!!“, erklärt er mir lautstark. Ich habe ihn seitdem sie mich hier rein gebracht haben nicht einmal so laut … aber auch so kindlich sprechen gehört. Bevor er noch mehr herum schreit, versuche ich mal mein Glück. Nur schwer lassen sich die Boots bewegen. Es tut weh … eben wirklich ein Fremdkörper. Doch wenn die Rollen einmal in Schwung kommen, hören sie nicht mehr auf. Es ist, wie erst aus den Zuschauerreihen beobachtet. Nur diesmal bin ich es, die aus der Luke gleitet und irgendwo mitten in der Luft schwebt. Genau betrachtet befinde ich mich nun in der Höhe der zweiten Etage. Unter mir befindet sich einzig ein karger, sandiger Erdboden oder zur anderen Auswahl – Säulen oder Metallstäbe, die mir entgegen Ragen. Panik. Mein Herz schlägt so wild, als wolle es aus meinen Oberkörper brechen und das trotz der Tabletten. Ein surren in meinen Ohren entsteht. Es ist unangenehm, so lange unangenehm, bis ich die Ruhe dahinter erkenne, durch die ich die Zuschauer nicht mehr hören kann. Was bleibt mir schon anderes übrig als besagte Show abzuziehen? Meine Augen schließen sich beinahe von alleine. Wenn ich Glück habe, wissen die Boots automatisch, was sie tun sollen. Verängstigt ziehe ich meine Beine an mich. Es ist wie ein Reflex, um den Rest meines Körpers nur irgendwie möglich schützen zu können! Alles um mich herum dreht sich, bis ich eine der erst beobachteten Säulen unter meinen Füßen … ähm Rollen spüren kann. Der Aufprall war nicht hart, er war sanft, seicht, schon fast zu leicht. Der Kommentator verfolgt meinen Auftritt wohl. Seinen aufgeregten Nacherzählungen nach, stecke ich wohl wirklich in einem falschen Körper. „Und da sehen wir ihn … einen perfekten Auftritt, wie es von unserem Fourth nur zu erwarten war! Und oooh, was ist das denn? Gleich zu Beginn ein dreifacher Salto mit Schraube!!! Wie findet ihr das LEUTE?!?!“, hat er in die Massen gerufen. Okay, ich habe gespürt, wie sich alles dreht aber – aber - aber das?! Meine Augen wieder öffnend, sehe ich gerade noch so Séox, der mit weit offenen Augen zu mir herunter schaut. Die Klappe schließt sich daraufhin auch schon. Zurück bleibe ich, mitten in irgendeiner brennenden Kampfarena! Und er, Séox, im kalten, eisernen Gang. Meine Blicke fallen von ihr meiner rechten Seite zu. Auch ich starre auf den Bildschirm, auf dem noch immer ihr Name verharrt. „Ich glaube, das nennt man Anagramm oder? … Séox , Heyvo … Servoxx. So ein dummes Kind! Natürlich … Natürlich hätte es nicht geklappt, wenn ich dich wegen so einer Kleinigkeit wirklich hassen würde …“ „Kommst du Brüderchen? Ich will das unbedingt sehen! Ihr Auftritt war ja schon mega geil. Komm schon!“, bettelt mich mein Jüngerer kindlich an. Ich kann wirklich so gut verstehen, wie bedrohlich die Situation für Cat sein muss. Sie wird nun verfolgt, von ihrer eigenen Schwester! Und trotzdem … ohne Heyvo wäre dieser Sport einfach nicht mehr das Gleiche. „Klar doch, komme schon.“, gebe ich knapp Bescheid und laufe ihm nach, Richtung Lounge. „Sage mal, bist du echt noch sauer?“, fragt er mich auf dem Weg da hin. In diesen immer gleich aussehenden Gängen ist es mir eigentlich immer lieber mich mit ihm zu unterhalten aber bei solchen Fragen fange ich selber an zu zweifeln, um wie viel besser das sein soll! Ich sage lieber nichts. Ihm reicht das schon aus. Trotzdem fällt ihm gleich noch eine Frage ein: „Wie genau konntest du ihr deine Scates geben? Hattest du nicht immer nur dieses eine Paar?“ Auch das wäre mir lieber, wenn er es nicht wüsste. Trotzdem, irgendetwas muss ich antworten: „N-Nein, nicht direkt. Ich habe sie einmal getauscht. So wie es jetzt ist, ist es einfacher aber … davon musst du jetzt noch nichts wissen. Komm erst mal in die C-Klasse!“ Er bemerkt keine meiner … Ängste … ja zugegeben, es sind Ängste. Was soll's. Um ihn noch etwas mehr aufzuziehen, laufe ich wesentlich schneller voraus, so dass er mir nachrennen muss. „Naaach … wie gemein. Ich mache das noch nicht so lange wie du! Sei nicht so fies zu mir!!!“, jammert er, worüber ich nur lachen kann. Okay, wir benehmen uns bei weitem nicht wie 21 aber unter uns kann das auch ziemlich egal sein. Über ihn lachend wende ich mich schon dem vor uns zu und will um die nächste Ecke, als mir irgendetwas sagt genau das lieber nicht zu tun. Ich stoppe, halte inne und lausche lieber um die nächste Ecke. Heyvo ist gerade dabei mich einzuholen und mich kindlich anzuschreien, als er es auch schon selber bemerkt. Er stellt sich hinter mich und hört zu, was wir beide da aufschnappen können …
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