Die nächsten Stunden bis zur zweiten großen Pause ist eigentlich nichts weiter passiert. Aus meiner Position ist es eh recht schwer etwas zu sehen oder zu hören, da ich recht weit vorne sitze. Andererseits habe ich auch keinen wirklichen Anreiz mich umzudrehen, um nachzusehen, was da hinten vor sich geht. Charlotte, Amber und Li sind jetzt auch nicht wirklich Augenweiden. Wobei sich seit kurzem ja auch etwas geändert hat - daran geändert hat, was oder besser gesagt wen ich mir gerne ansehen würde. Genau dieser Jemand ist aber zu sehr mit seinem Freund beschäftigt oder doch eher anders herum? So oder so hat er keine Augen für mich und DAS stört mich daran. Frustrierend.
Von meinem Platz aus kann man eh nur im Unterricht aufpassen aber wehe man macht es nicht, dann dreht sich gleich Melody vor mir um und sieht mich gaaanz böse an. Mehr hätte man mich nicht strafen können, obwohl … neben Castiel wäre wirklich die Hölle und auch neben Armin wäre keine kluge Entscheidung. Genau dahinter sitzt dann ja auch noch Castiel und außerdem lass ich mich zu schnell ablenken. In der zweiten großen Pause holt sich Harmony gleich wieder etwas vom Automaten. Ich habe ewig überlegt, ob ich wohl hinterher gehen sollte. Nicht nur einfach seinetwegen, sondern auch meines täglichen Rituals wegen. Ich lass es lieber sein, bevor er mich wieder nieder schlägt. Ich geb's ja für gewöhnlich nicht zu, wenn ich Schmerzen habe aber der Punker kann schon ziemlich ordentlich austeilen. Während die Anderen endlich mal wieder raus gehen und sich mit ihrem Mädchenkram beschäftigen, setzt sich Armin wie immer zu seinem Zwilling, holt sofort seine Konsole heraus, n-nein diesmal sogar nur den DS, zwei Nintendo DS sogar. Okay, ich bin neugierig … oder anders ausgedrückt: Ich bin total aufdringlich. So oder so setze ich mich nun hinter die Zwillinge. Kim ist zum Glück eine Weile mit den anderen raus gegangen, so ist der Tisch komplett frei, zumindest so lange frei, bis sich der Rotschopf provokant neben mich setzt. O nein, o Gott, schlimmer kann es ja kaum kommen. Jetzt einfach wieder umsetzen käme irgendwie komisch. Warum macht er das denn auch? Reicht es nicht aus, dass er mich früher immer gequält hat? Ich merke wie mein Körper verkrampft und ich überhaupt nicht neben mich schauen kann. Auch auf Armin's Spiel habe ich keinen Blick, da er vor dem Rotschopf und nicht vor mir sitzt. Ein Glück sitzt da noch Alexy vor mir. Ja Alexy, der Alexy, von dessen Freund ich mich unbedingt … Ich bin so ein mieser Freund und er grinst mich ganz unwissend so an wie immer – etwas dümmlich und total freundlich, geradezu liebevoll. „Na? Hat dich Melody mal wieder zu gequatscht im Unterricht?“, fragt er freundlich nach. „Wha-Was? Ä-Ähm ja.“ Ein Gefühl von Schuld macht sich in mir breit. Was ich da von Harmony verlange und Lexy damit antue ist eigentlich unverzeihlich. „Was guckst du denn so? Sorgen machen nur Falten, genauso wie eine gerunzelte Stirn und zusammengeschobene Augenbrauen. Gibt’s was?“, hakt er dann noch weiter nach. Macht er sich echt Gedanken deswegen? Ähhh ja Alexy, gibt es! Gib mir einfach deinen Freund, damit er endlich Zeit für mich hat und ich weniger scheiße bin. Warum habe ich mir nie vorher Gedanken darüber gemacht? Wieso fällt mir das gerade jetzt ein und wieso ist gerade Alexy derjenige, der sich offensichtlich Sorgen um mich macht? Kann man sich noch schlechter fühlen? Mit einem Mal ist das Gefühl in meinen Beinen doch wieder da und ich stemme mich vom Platz auf, schon auf dem Weg aus den Raum. Das Letzte was ich jetzt brauche, ist das besorgte Gesicht des bunten Zwillings. Ich merke auch, wie er genauso aufsteht wie ich es tue und Anstalten macht mir ein paar Schritte nach zu stolpern. Er hält jedoch schnell inne, weil Armin ihn am Arm gepackt hat und meint, er solle mich mal lieber allein lassen. Zum zweiten hält er inne, weil ich nicht mal wirklich aus der Tür raus komme. Ich sehe zu spät wieder nach vorn, remple den Grünschopf ungewollt an und er hält mich daraufhin streng am Arm fest. Ich bin zumindest schon beinahe aus dem Türrahmen draußen. Versuchend meinen Arm daraus zu befreien, kriege ich nicht mal mehr das hin. Harmony sieht mich zweifelnd und verärgert an. Leise spricht er: „Was ist los mit dir?“ Ich sehe nur nervös hin und her, würde wirklich am liebsten einfach mal flüchten, doch das lässt dieser sadistische Punker nicht zu. Er zieht an meinem Arm, an mir, zieht mich ein Stück an sich heran aber ja nicht so viel, dass man etwas falsches denken könnte. Ich merke wie streng er mich anblickt und spüre wie deutlich er mit seiner Hand zupackt. Das gibt bestimmt wieder blaue Flecken. Immerhin etwas Gutes hat es also. Doch sein Griff lässt nach, als er merkt, dass ich keinen Versuch mehr mache zu flüchten. Ich sehe auch erst wieder direkt zu ihm, als er spricht und mir gleichzeitig etwas entgegen hält. „Nimm schon. Wolltest du doch eben holen oder?“ Er hält mir eine Kaffeedose entgegen. Auch wenn es nicht das war, was ich eben tun wollte, kann ich sie nur schwer ausschlagen. Ich nehme sie also an und weiß, dass ich nun wieder mit nach drinnen kommen muss. Er zerrt mich schon gleich darauf an sich vorbei, wieder in den Raum hinein. Dadurch überhöre ich beinahe seine knappen Worte: „Heul später weiter!“ Danke auch aber so erstaunlich das auch klingen mag - es hilft nicht! Widerspruch ist eh nicht erlaubt, also setze ich mich frustriert prustend auf selbigen Platz wie zuvor. Castiel muss auf alles natürlich auch noch eins drauf packen, beugt sich zur Seite zu mir und spricht: „Ein Wunder, dass du das so lange durchgehalten hast. Weichei!“ Für den Rotschopf habe ich nichts weiter über als ein wirklich, wirklich frustriertes Stöhnen. Harmony greift ohne Umschweife in den Nacken des Gitarristen und drückt so zu, dass er ihn locker hoch ziehen kann. Castiel hört, auch wenn er eigentlich nicht will. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie sehr das Schmerzen kann. Keine Sekunde später schubst er Castiel in Richtung Türrahmen mit dem Kommentar: „Geh ma lieber rauchen, für mich gleich mit!“ Man sieht Castiel richtig an, wie er widersprechen will. Mit einer Aussicht auf Zigaretten, welche Harm ihm auch noch gibt, lässt er sich aber zu so gut wie allem überreden. Ohne Kommentar steckt er die Packung ein, lässt seine Hände gleich in den Taschen und verschwindet durch die Tür. Ich glaube, der Umstand, dass außer uns paar Jungs keiner da ist, hat zusätzlich dazu beigetragen, dass er nichts von sich gegeben hat. Stattdessen setzt sich der Grünschopf nun auf den freien Platz. Verstehe. Deswegen hat er ihn also weggeschickt. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn er das meinetwegen getan hätte. So zwischen dem Pärchen sitzend, bekomme ich auch ganz schnell zu spüren, dass ich so gut wie überflüssig bin. Nicht gut. Wirklich. Nicht gut! Ich verfluche mich ja schon selbst dafür aber nachdem sich Armin und Harmony eine Weile so sehr auf das Spielen konzentriert hatten, mischt sich Alexy noch vor mir ein. Er stellt sich direkt hinter seinen Freund, legt immer wieder zögernd seine Arme von hinten um seine Schultern und fährt dann, als Harmony ihm die Erlaubnis dafür gibt, die ganze Zeit mit seinen Fingerspitzen über seinen Brustkorb. Harm lässt sich das gefallen, lehnt sich sogar ein wenig zurück, damit Alexy sich mehr über dessen Schultern hängen und ihn noch deutlicher begrabbeln kann. Ich bekomme das Kotzen und ganz offensichtlich nicht nur ich. Die Mädchen kommen zurück und blicken teilweise genau so wie ich mich gerade fühle. Die haben wohl echt alle Stimmungsschwankungen – mal finden sie es ok, dann ignorieren sie die Beiden und dann verachten sie ihre Beziehung wieder. Was sie nun nach der Pause wieder gegen die Zwei haben, kann ich nicht nachvollziehen. Sie waren doch nur draußen. Was sie dann machen? Keine Ahnung. Sie verlieren meine Aufmerksamkeit, als sich Alexy an seinen kleineren Freund wendet. „Ähhhm … duuuu?“, flüstert er ihm ganz vorsichtig, kindlich zu. Zugegeben, das zaubert mir nun doch ein Lächeln auf die Lippen. Damit ist leider nicht das Problem verschwunden, dass ich Alexy extrem verletze, mit dem, was ich von Harmony will. Er selbst scheint damit keine Probleme zu haben. „Was gibt’s? Du weißt, dass du die Zockerrunde störst, ja?“, hat der Grünschopf nur einen kurzen Blick über die Schulter für ihn übrig. Alexy presst seine Lippen hart zusammen, legt seinen Kopf gehorsam auf seine Schulter und wartet darauf, dass sie fertig mit Spielen sind. Schon zuvor findet der Punker ein breites Lächeln für seinen Freund. Er wendet sich seinem Spiel nicht ab, doch fragt nach, was er von ihm will. „A-Also wenn wir – wenn …“ „Lex, nicht stottern!“, fordert Harm ihn locker auf. Er wendet sich seinem Spiel nun doch ab, sieht neben sich auf die Schulter. Mit zwei Fingern zieht er Alexy am Kinn haltend näher zu sich. Alexy hat geradezu darauf gewartet, dass sein viel zu dominanter Freund ihn dazu auffordert. Jedoch darf er nur näher kommen, den Kuss übernimmt dann wieder Harmony. Der Zwilling lässt sich nur darauf ein. „Aaaalso, wegen dem – dem Shoppen. Darf ich da – Darf ich da wieder deine Sachen tragen. O bitte. Bitte, bitte, bitte!“ „Wo du es gerade ansprichst … wir müssen das verschieben.“, zögert sogar Harm für eine Sekunde, doch durch den gleichgültigen Ton fällt es fast nicht auf. Alexy hat sofort in seiner Bewegung inne gehalten und sieht von ihm weg, irgendwo zwischen Harmony's Beine hindurch auf den Boden. „Hab dich nicht so. Ich sagte verschieben, nicht absagen!“ „Ja aber …“ „Ich mag kein aber und Punkt! Ich sag's dir wenn's geht.“ Alexy wirkt nur noch geknickter. Kein Wunder, bei dem nun doch rauer werdenden Ton des Kleineren. Ich dachte auch, man gewöhnt sich als Unbeteiligter an Harmony's raue Art und seine Befehle aber dem ist nicht so. Er schafft es immer wieder einen zurück schrecken zu lassen, selbst wenn es nicht an einen selbst gerichtet ist. Alexy schweigt, so wie er es wohl auch soll. Die Beiden Jungs zocken noch weiter und ich, ich habe nur immer mehr Schwierigkeiten mich damit abzufinden, die ganze Zeit ignoriert zu werden. Verdammt! Ich meine wirklich, wirklich verdammt! „Im übrigen Lex, du ziehst auf jeden Fall meine Sachen an … sofern sie dir noch passen!“ Größenkomplex, wegen dem er vor dem aussprechen noch durchatmen musste. Beruhigt damit Alexy, damit der endlich Ruhe gibt, was das Thema angeht. Warum ich so kurz zusammenfasse, was mir da so auffällt? Ich selbst schaffe es nicht mehr meine Gedanken zu sortieren und für mich zu behalten. „Ooooh, coool. Also wollt ihr zusammen shoppen gehen?!“, platzt es ungewollt aus mir heraus … laut, was dann nun doch irgendwie gewollt war. Hach, versteh sich einer mal selbst, ich kann es nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich nicht weiter ignoriert werden wollte. Erst sollte ich extra bleiben und er setzt sich auch noch zu mir und dann kein Wort? Kein Blick, nicht mal ein kurzer Blick zur Seite? Nachdem sich mein Kopf nun geleert hat, wird mir immer klarer, was ich da eigentlich angezettelt habe. Natürlich sind die Worte nicht grundlos laut über meine Lippen gekommen. Die Mädchen blicken schon fragend und gleichzeitig verlangend zum Zwilling. Dass sie daraufhin auch noch nach dem Wo und Wann fragen, war völlig klar. Das war Alexy klar, das war Armin klar, Harmony und mir letztendlich auch. Die Drei werden die Mädchen nicht mehr los. Sie wollen die Information wohl nochmal von ihnen haben. Sie halten zwar gut durch was das Abwimmeln der Fragen angeht, doch am Ende knickt Alexy ein und bestätigt meine Aussage. In der ganzen Zeit bekomme ich noch immer keinen Blick ab und genau das wollte Harmony wohl erreichen. Wer weiß ob er mich nach dem hier überhaupt nochmal ansieht. Immerhin hat er das mit Alexy geplant, nicht mit allen. Echt blöd von mir aber der Frust hat sich so aufgestaut und musste dann irgendwie raus. Nur hat es nichts gebracht. Harm scheint nichts verstanden zu haben und die Zwillinge sind zu abgelenkt von den Mädchen. Am Ende bricht auch der Punker sein Schweigen. Er jedoch wendet sich Alexy zu, gewollt und AUSSCHLIEßLICH Alexy. „Is' schon gut. War zwar nich' so geplant aber wenn sie unbedingt wollen.“ „Was? Du willst, dass – dass sie mitkommen?“, will Alexy wohl doppelt sicher gehen, weil er den Worten kaum Glauben schenken kann. Harmony sagt es nicht nochmal aber die Antwort ist klar. WOW … Alexy braucht wohl genauso Aufmerksamkeit wie ich, noch schlimmer sogar. Er hätte ihn lieber für sich allein, das sieht man ihm sofort an. Es geht doch nur ums Einkaufen. Na gut, Alexy geht gern ins Center aber deswegen so einen Aufstand zu machen. Ein komisches Gefühl, wie eine Selbstreflexion. Kopfschüttelnd setze ich mich wieder halbwegs aufrecht hin, bringe etwas mehr Abstand zwischen die Situation und mich, doch das Gefühl verschwindet nicht. Nochmal kopfschüttelnd nehme ich mir ernsthaft vor mich etwas mehr zurück zu halten was diese Sache angeht. Es wird dadurch nicht schneller passieren, nur weil ich unbedingt will. Es macht es für Harmony nicht einfacher seine Beziehung und … und das mit mir zu trennen, wenn ich aufdringlicher werde. Ich glaube aber, je mehr ich mich von Harmony zurück halte, desto mehr rückt Alexy wieder in den Vordergrund und – und wir sind halt Freunde. Schuldgefühle. Ganz klar. Mich mehr auf Harmony zu fixieren, lässt das andere Gefühl immer unter gehen und – und genau das scheint Harm zu wissen. Ich soll seiner Meinung nach wohl versuchen mich zu entspannen. So wie sich der Blick vor mir wieder klart, ich aufhöre zu träumen und den Grünschopf vor mir sehe, blickt er endlich mal wieder zu mir. Er schmunzelt und zwinkert mir ganz kurz zu. Ich hoffe, dass dieses Schuldgefühl weggeht … irgendwann. Mit einem leichten Lächeln, mehr künstlich als echt, stehe ich auf und gehe zurück auf meinen Platz. Die Pause ist eh gleich vorbei. Noch bevor es klingelt führt Harmony seine Meinung zum Shoppen weiter aus: „Sollen sie euhig mitkommen, wenn sie anfangen zu nerven, können wir doch einfach abhauen oder beißen uns etwas rum!“ Zur Stärkung des zweiten Teils fährt er mit seiner Zunge um seine Lippen und lässt sein helles Zungenpiercing hervor blitzen. Alexy läuft rot an, umarmt seinen Freund intensiver als zuvor und ist dann ruhig. Er freut sich ein Loch in den Bauch und grinst so breit, dass er sogar seine Augen schließen muss. Wenigstens einer ist Überglücklich …
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