Ich kann spüren wie immer wieder irgendetwas an mir vorbei zieht. Mal ist es größer, mal kleiner. Ich kann es nicht sehen, will es auch lieber nicht. Zitternd liege ich da, genau so wie schon die ganze Zeit. Jedenfalls seitdem mich mein Körper dazu gezwungen hat mich hier unten dazwischen zu zwängen. Ich gebe mir mühe mich keinen Zentimeter zu regen und ja keinen Mucks von mir zu geben.
Ich bin froh, dass die zwei Männer von vor … einer Weile … weg sind. Ich kann nicht mal einschätzen wie spät wir es haben. Ich kann ja auch nicht sehen, ob es gerade Tag oder Nacht ist. Also weiß ich nicht, seit wann ich eigentlich hier hocke. Vielleicht sind es ja erst ein paar Stunde oder vielleicht sogar nur Minuten? Obwohl mein Kopf nein sagt, bewegt sich mein Körper von allein. Aus meiner starren, eingerollten Position, versucht mich mein Körper aufzurichten, zumindest so weit, dass man es als kauerndes sitzen bezeichnen könnte. Ich habe kein Gefühl in meinen Beinen. So kommt es, dass mein Körper schwer zu kämpfen hat, um mich in diese Position zu bringen. Immer wieder rutscht mein Bein weg oder meine Zehen knicken um. Sobald ich versuche mit den Händen nachzuhelfen, wird auch daraus nichts. Ich kann mich so gut wie gar nicht regen. Egal wie sehr es weh tut, brennt oder sticht, ich lasse keinen Schmerz zu. Ich spüre ihn nicht mal. Am aller wenigsten von allem regt sich dabei meine Mimik und das Licht in meinen Augen ist so gut wie erloschen. Mein Atem geht schwer und das durch nur diese eine kleine Bewegung. Ich kann es nicht spüren, o nein, aber ich sehe es an dem Nebel, der sich vor mir in gleichmäßigen Abständen bildet. Mein Atem stößt auf Widerstand, prallt daran ab und schlägt mir eiskalt wieder ins Gesicht. Der erste Moment, in dem sich wohl mein leicht offener Mund verzieht. Ich beiße mir bestimmend auf die Unterlippe, bis sich ein dünner Faden Blut darüber wagt und mein Kinn hinab läuft. Ich spüre, wie sich ein einzelner Tropfen lösen mag. Er wird zu schwer, um sich halten zu können … und fällt. Erschrocken setzt sich einer aus der Night Class im Lehrgebäude aufrecht auf. „Was – Was war das?!“, will er aufgebracht wissen. Alle Blicke fallen auf ihn. Die Klasse schreibt gerade eine Arbeit. Genervt und missbilligend drehen sich alle zu ihm um, bis die Stimme einer seiner Freunde erklingt, „Hanabusa, ruhig!“ „Ja aber … Habt ihr das etwa nicht mitbekommen?!“, beschwert er sich lauter werdend. Da er ganz hinten sitzt, kann er sich die Frage eigentlich selber beantworten. Als er sich von seinem Blatt löste, taten es auch alle anderen. „Aido bitte, können wir nicht erst mal die Arbeit zu Ende schreiben? Ich denke, das ist auch ganz im Sinne unseres Lehrers.“, taucht erneut diese ruhige, bestimmende Stimme auf. Kaname ignoriert das was die anderen tun und wie sie reagieren voll. Er blickt einzig und allein nach vorn. „Aido, durchgefallen!“, verkündet der Lehrer prompt. Kaname kann darüber nur schmunzeln. Er merkt, wie sich der Mann im langen Mantel einen Spaß daraus macht. „Aber, aber, aber …“, alles andere seiner Proteste ist zu unverständlich. Sein Kopf raucht beinahe, so wütend wird er. Eingeschnappt dreht er sich weg. „Aber Yagari, es ist Aido.“, versucht der Brünette es halbherzig und zieht ihn somit noch ein Stück runter. Die anderen lachen nun mit ihm. „Ja, genau deswegen ja und jetzt Ruhe!“ Sogar dieser kleine, helle, kurze Ton springt in meinem Kopf auf und ab. Ich lasse mich erschöpft nach vorn gegen die Rückseite des Sitzes fallen. Mein Kopf hängt etwas schlaff und ich atme durch. Es fühlt sich an, als wäre ich selber darauf gefallen. Ich spüre jeden einzelnen Millimeter, auf dem der Tropfen sich verteilt hat. Mein Körper zittert erschöpft. Wenn ich meine Lippe los lassen würde, würde nur noch mehr fließen. Angestrengt beiße ich weiter darauf. Den Befehl dafür gebe ich an meinen Körper weiter, damit ich meinen Kopf wieder in eine leere Hülle wandeln kann. Alles ist schwarz. Erneut regt sich etwas in mir. Fast fließend gleite ich weiter hoch auf den Sitz hinter mich. Der Moment, in dem ich etwas spüren konnte, ist nun wohl vorbei. Es ist als hätte man mich betäubt. Vorsichtig versuche ich herauszufinden, wie ich hier raus kommen kann. Ich weiß nicht wo ich da sitze oder vielleicht besser gesagt in was. Ich weiß, dass die Männer letztens irgendetwas gedrückt haben. Das ist alles. Mit beiden Händen fahre ich vorsichtig den Rand entlang. Es ist so glatt und gleichzeitig hat es Ecken und Kanten. So etwas habe ich vorher noch nie fühlen können. Wieder gibt es nur ein was, was ich wiedererkenne. Leder. Was auch immer das hier ist, ein oder mehrere Tiere mussten ihr Leben lassen, nur um hier drinnen zu hängen. Je mehr ich darüber nachdenke, je mehr will ich hier raus. Wie konnte ich so lang hier drinnen bleiben, wo doch überall tote Tiere hängen müssen?! Warum habe ich nichts bemerkt! Es zerreißt mich innerlich. Mit den halb toten Fingerspitzen pralle ich immer wieder gegen das Gehäuse. Ich kann nicht einschätzen wie weit die Flächen und Ränder von mir entfernt sind. Es ist zu dunkel. Jetzt weiß ich immerhin, dass es schon ein paar Stunden sein müssen. Hastig taste ich mich bis zur hinteren Hälfte vor. Meine Hand rutscht unbedacht in eine Kuhle und im nächsten Moment, als ich sie nur raus ziehen will, damit nichts passiert, springt die Seite neben mir auf. Ich weiß zwar nicht was ich getan habe aber nur so kann ich dem hier entkommen. Unerwartet eilig, vielleicht wieder weil Angst in mir aufkommt, stürze ich aus dem Ding, dem Gegenstand. Ich falle sofort auf meine Knie und schürfe sie mir auf dem Boden lang kratzend auf, das selbige gilt für meine Handflächen. Das Stück, inzwischen dunkel gefärbte, Stoff bleibt beinahe darin hängen. Damit es nicht bei den vielen toten Tieren bleiben muss, stütze ich mich auf meine Knie und greife mit halb ausgestrecktem Arm danach. Die Seite dessen wo ich eben heraus gefallen bin, fällt einen Moment später von allein wieder zu. Da liegt es nun vor mir, genauso leblos wie alles andere in diesem Gegenstand. Auch das war mir bis eben nicht klar. Der Stoff lebte nicht. Wie komme ich jetzt darauf? Mein Kopf arbeitet wieder zu viel. Ich zittere immer stärker. Die Decke ziehe ich wie die meiste Zeit eh schon über meinen Körper. Es ist so lang, dass es mir bald einen Meter auf dem Boden nachhängt. Im Gegensatz zu den letzten versuchen geht es diesmal mit einem mal. Ganz vorsichtig balanciere ich auf meinen stelzenähnlichen Beinen. Mit meinen blau gefärbten Füßen taste ich mich über den Schotterweg bis zu dem schön, modern gepflastertem Weg und den so weich wirkenden Treppenstufen. Scharf ausatmend erkenne ich, wie ich mit einem mal wieder falle. Mit meinem Fuß bin ich an einem der größeren Steine hängen geblieben und kauere nun erneut auf allen Vieren auf dem Boden. Ich spüre noch immer nichts. Diesmal wollen mich meine Beine nur schwer wieder in die Senkrechte bringen. Zumindest ist die kühle Luft hier angenehmer, als der Luftzug beim letzten mal. Bevor ich einen dritten Versuch starte wieder hoch zu kommen, atme ich tief durch. Der Nebel vor mir wird immer deutlicher. Mein Körper glüht innerlich. Die Decke ziehe ich erneut über mich. Die kleinen Spitzen meiner Finger sind so unterkühlt, dass ich es sogar von außerhalb des Stoffes und von mir abgewandt noch spüren kann. Obwohl meine Augen eh schon geschlossen sind, neige ich sie dem Boden weiter zu. Meine tapsigen, kleinen, nackten Füße hebe ich nicht mal richtig vom Boden. Ich muss genau spüren wo ich entlang laufe. Sobald ich den Beton unter meinen Füßen spüre, weiß ich das Geländer der Treppe aus massivem Stein kann nicht mehr weit sein. Stetig bleibe ich in dieser leicht gebückten Haltung. Eine meiner Hände kann ich lösen und zur Orientierung auf genau dieses Geländer legen. Die andere Hand hält so gut es geht weiter das verdreckte Stück Stoff fest. Jede Bewegung überprüfend, komme ich nur langsam voran. Ich lasse meine Füße immer nur über die Stufen gleiten. Sogar wenn ich sie hebe, presse ich den Rücken dessen gegen das Hartgestein. Es ist die einzige Möglichkeit, damit ich wenigstens etwas spüren kann. Ansonsten würde ich wohl über jede einzelne Stufe fallen. Ich bin klein genug, dass ich zweimal auftreten muss, um eine einzige hinter mir zu lassen. Es kommt mir vor, als würde ich einen Berg erklimmen. Als ich etwa in der Mitte keinen Widerstand ertasten kann, verliere ich die Kontrolle. Ich verliere mein Gleichgewicht auf meinem einem Standbein. Mit dem anderen habe ich bis eben noch nach der nächsten Stufe getastet. Ich kann nicht verhindern, dass ich erneut auf dem Boden lande. Ich spüre, wie alle meine Knochen auf einmal knacken. Mein Körper zieht sich immer mehr, immer verkrampfter zusammen, als ich es auch nicht verhindern kann leise zu quietschen. Es presst sich zwischen meinen Zähnen und Lippen hervor. Ich schlage genau auf die Wunden ein, die schon bei den ersten beiden Stürzen entstanden sind. Nicht!, schreit meine innere Stimme. Alles in mir hält still, alles auf einmal, als ich endlich erkenne, dass es wirklich offene Wunden sind. Was mache ich jetzt? Die Decke ziehe ich zum ersten mal vor mich. Ich habe es mir bisher nie so deutlich betrachtet. Mit den Handflächen darüber fahrend, bemerke ich wie fein dieser Fetzen doch sein muss. Irgendwie bringe ich es zustande mit dem übrig gebliebenen, lebenden Teilen meiner Finger Stücke aus dem Stoff zu reißen. Es tut mir schon fast Leid darum. Sorgfältig wickle ich die kleinen Teile um meine Handflächen und Knie. Für den Rest der Beine wäre leider nicht genug da. Die kleine Pause hat mir sichtlich gut getan. Der Nebel lichtet sich und wird transparenter. Die Kälte von außen zwingt mich nicht mehr darunter zu leiden. Ohne die zusätzliche Last schaffe ich es erneut beim ersten mal aufrecht zu stehen. Ich bin mir nicht mal mehr sicher, warum ich überhaupt hier entlang wollte, ausgerechnet hier entlang. Hätte es nicht einen besseren, viel einfacheren Weg gegeben? Und während ich so darüber nachdenke, handelt der Rest wie gewohnt allein. Als ich aus meiner Trance für eine Sekunde aufwache, erkenne ich, dass ich ganz oben angekommen bin. Zu schnell wird von mir verlangt, dass ich wieder alles erstarren lasse. Vor mir eröffnet sich das Bild eines langen Weges. Ich weiß eigentlich gar nicht wo genau ich hin soll. Was ist, wenn ich einfach hier bleibe? Hier irgendwo zwischen den vielen Bäumen und Sträuchern? Wen würde das wohl stören? Vielleicht die zwei Männer, die mich … ja was haben sie eigentlich getan? Wie bin ich da hin gekommen? Ich bin zu verwirrt, um überhaupt noch etwas zu verstehen und zu gefesselt von meinen Gedanken, dass ich nicht mitbekomme, dass ich nicht mehr länger allein bin. Meinen Weg habe ich bedenkenlos fortgesetzt und dabei auf nichts geachtet. Erst als eine laute Stimme erklingt, reißt es mich wach. „Verdammter Level E, bleib endlich stehen!“, brüllt man mir entgegen. Ich erstarre und richte mich für einen Moment komplett auf. Dabei öffnet sich der Stofffetzen ein Stück. Knie und Hände werden so freigelegt. Das Blut tropft etwas vom Stoff herab auf die Steine und auch von meiner Lippe tropft es wieder. Meine Augen reiße ich weit auf. Derjenige der vor mir steht, erschrickt sich mindestens genauso wie ich. Er kann kaum noch normal stehen. Irgendetwas ist mit ihm. Die Waffe, die er bis eben noch nur auf mich gerichtet hat, drückt er unbedacht ab. Ich kann erkenne, wie die Kugel aus dem Lauf geschossen kommt. Im nächsten Moment liege ich schon auf dem Boden, auf dem harte, betonierten Boden. Er hat mich doch schon von weitem gesehen, wovor hat er sich wohl so sehr erschrocken? Ich verstehe es nicht. Von weitem höre ich nur noch eine etwas bekanntere Stimme rufen. Er ruft einen Namen. Zero.
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