Während die anderen alle im Musikunterricht die Tonleiter lernen müssen, haben wir zum Glück unseren Freiraum bekommen. Unsere Band wurde ja noch nie so wirklich akzeptiert, weil es einfach nicht zur Schule an sich passt. Ich habe selten etwas so voreingenommenes von unseren Lehrern gehört und war danach ziemlich wütend. Wobei sich meine Wut wohl kaum soweit ausprägt wie bei Castiel. Wir haben gar nicht erst weiter probiert an die Lehrer heran zu treten, sondern einfach auf eigene Faust weiter gemacht. Auch wieder etwas, was absolut gar nicht zu mir passt. Eigentlich kann ich ganz froh sein, dass Castiel solche Dinge immer in die Hand nimmt. Ich frage am besten gar nicht nach, woher er immer den Schlüssel für den Keller bekommt.
Als es nun aber anfing mit der Planung für ein Schulkonzert, in dem die Schüler alles allein organisieren müssen, kamen wieder alle an. Ich weiß ja, wie wichtig dieses Konzert Misami ist und außerdem sollte ich als Sänger wohl kaum ein Problem damit haben, vor einem Publikum aufzutreten. Dass sie da als erstes auf uns gekommen sind, hat mich sogar ziemlich gefreut. Es war nur schwer Castiel dafür zu begeistern, noch dazu, weil sein Verstärker kaputt war. Die Mädchen haben beschlossen zusammen zu legen und einen neuen zu kaufen. Bezahlt ist er bereits, nur hier her geholt hat ihn noch keiner. So wie ich in meine Gedanken vertieft bin, muss ich nochmal überlegen, wo ich mein Notizbuch liegengelassen habe. Nervös fange ich an meine Taschen zu durchsuchen, als mir der mir Gegenüber das kleine Heft auch schon vor die Nase hält. Er ist völlig geistesabwesend. Eine Weile lang lasse ich das so durchgehen. Während ich mir neue Texte überlege, muss er ja auch nicht wirklich anwesend sein aber als es langsam zu still wird, weil er nicht mal ein paar Akkorde an seiner Gitarre durch geht, muss ich doch mal nachfragen. „Cas?“ Ich schaue weder von meinem Papier auf, noch bin ich ungehalten laut. Er überhört es also. „Castiel?“, werde ich schon deutlicher aber noch immer keine wirkliche Reaktion. Von meinem Block auf schauend, sehe ich ihn eine Weile lang nur an. Nach kurzer Zeit läuft ihm ein so kalter Schauer über den Rücken, dass er endlich wieder aufwacht. „Doch noch anwesend?“, hake ich nach. Er schaut mich verwundert an, eh er ziemlich kleinlaut antwortet: „Ja klar Lys, was für eine Frage.“ „Du weißt, ich hasse Neugierde aber wenn etwas wäre, würdest du es mir doch sagen oder?“, muss ich nochmal sicher gehen. Er reagiert schon wieder nicht auf mich. Dieses Mal klappe ich mein Notizbuch zu und rücke ein Stück näher an ihn heran. Er bemerkt selbst das nicht. Mit meinen Fingern schnippe ich ein paar Mal vor seinem Gesicht herum, eh er wieder Reaktionen zeigt. „W-Was? Was denn los?“ „Ja, das frage ich dich. Ist irgendetwas?“, hebt sich meine Stimme ein wenig, als würde ich mich beschweren wollen. O je, da ist es wohl mit mir durch gegangen. Das sollte eigentlich nicht passieren. „Ey Lysander, du bist doch sonst nicht so neugierig. Lass mich doch machen.“ Dieses Mal fühle ich mich etwas beleidigt, zeige das aber nicht direkt. Ich setze mich wieder normal hin und versuche mir neue Texte einfallen zu lassen. „Es – Es ist nur wegen des Schulkonzertes.“, gibt er nun doch etwas preis. Eine Lüge! Castiel ist gut im lügen, das weiß keiner besser als ich aber das war so furchtbar, dass sogar Kentin dahinter steigen würde. Mir bleibt ja nichts anderes übrig als mitzuspielen. „Okay und was ist damit?“ „Wenn – Wenn wir keinen Gitarristen finden, können wir das eh vergessen.“ „Und das stört dich seit wann genau?“ Ups, wieder im Ton vergriffen. Das passiert mir heute aber ziemlich oft. Vielleicht reagiere ich ja einfach so gereizt, weil e... „Boar alter Lys! Was soll diese Fragestunde denn? Jetzt habe ich mich einmal drauf eingestellt, habe meinen Verstärker und habe eben kein Bock mehr, dass da nix mehr draus wird! Kapiert?!“ Nach diesen vielen Worten steht er auf und geht. Durch das gedimmte Licht der einen einzigen Glühbirne über uns, kann ich ihm nicht mal bis zum Ausgang nachsehen. Erst als sich die Tür öffnet und er genervt daraus verschwindet, erhellt ein kleiner Lichtstrahl die Dunkelheit. Das ist sowohl bildlich als auch echt gemeint, denn so wie Castiel weg ist, betritt sogleich Rosa den Keller. Ein selten, viel zu selten gesehener Gast in unsrer Ecke. Tja, nun bin ich noch immer kein Stück weiter was Castiel angeht aber immerhin habe ich eine Person bei mir, die mir beim finden neuer Texte immer sehr hilfreich ist. Ich kann nur hoffen, dass wenn die Pause vorbei geht, mit Castiel auch wieder alles in Ordnung ist. Meistens hilft ihm das Rauchen ja dabei zur Ruhe zu kommen. Wirklich genervt wirkte er ja nicht aber irgendetwas scheint trotzdem nicht zu stimmen. Hoffentlich findet er da draußen eine Antwort darauf und in der Zeit unterhalten Rosa und ich uns darüber, wie wir das mit der Band lösen. Wir gehen die Sache lieber etwas ruhiger an, damit wir auch wirklich eine konstruktive Lösung finden können.
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