Gerade erst sicher auf dem Boden gelandet, taucht auch schon Sally neben mir auf. Sie durfte gleich nach mir ihr Portal verlassen. Außer uns sind da bereits 3 Personen. Irgend so ein blonder Schmierlappen. Er fährt Kreise in den Boden und wirft allen quietschenden Frauen und Mädchen einen Luftkuss zu. Na hoffentlich ist das nicht dieser First, der schon eine Freundin hat. Das gäbe bestimmt ärger.
„Das ist Third. Er wird von allen angehimmelt. Ebenfalls im Run enthalten, großformatiges Poster, halbnackt.“ „Ahh, also der aus deinem Zimmer oder wie?“, merke ich mit hinter der Maske versteckt herausgestreckter Zunge an und grinse daraufhin. Sally vergisst beinahe ihre Schmerzen aber die Änderungen in ihren Bewegungen fallen auf. Bevor sie zu weit weg ist, gebe ich mein Bestes ihr irgendwie nach zu kommen. Knie beugen und Gewicht nach vorn verlagern. … Verdammt, es ist schon schwer genug das Gleichgewicht halten zu können! Ich bin zwar gut in Sport aber da gibt es keine Rollen, auf denen ich mich halten muss!!! Ich muss mich wirklich mehr anstrengen. Wie zur Hölle habe ich denn diesen Sprung aus der Klappe geschafft, wenn ich jetzt kaum stehen bleiben kann. Meine gefühlt gebrochenen Beine bewegen sich zum Glück schon von allein. Ich komme Sally allmählich nach, bis sie mehr Tempo gibt und mich so allein herum eiern lässt. Ich kann es ja verstehen. Sie muss ihre Zuschauer schließlich begeistern. Keine Sekunde später wie ich den Kopf hängen lasse und mir wieder Gedanken über Sally mache, tippt mich wer von hinten an und reißt mich halb mit sich. „Hey, hey, hey, hier wird nicht stehen geblieben. Los jetzt, zeige mir, was du drauf hast!“, werde ich mit spitzer Zunge aufgefordert. Dämliches Drachengesicht! Er hat so sehr an mir gezerrt, dass sich mein Gewicht weiter nach vorn gelegt hat. Die Gen's müssen das sofort mitbekommen haben. Mit dreifacher Geschwindigkeit als vorher sause ich also den Erdboden entlang und getraue mich kaum eine der fast gefallenen Säulen hinauf zu fahren. Die wären noch das geringste Übel aber … Ach scheiß auf die Zuschauer, Hauptsache ich falle nicht hin!!! Wie war das nochmal? Ach ja, nach hinten lehnen! Mein Körper zögert nicht und tut endlich mal wieder das was ich will! Zu hart, zu ruckartig. Die Räder stehen so gut wie sofort still. Hilfloses Gezappel und vor Schmerzen zuckende Beine bekommen die Zuschauer hier zu sehen. Naaa Glückwunsch! Das Zucken hört zwar nicht auf, dafür aber finde ich endlich mein Gleichgewicht wieder. Still bleibe ich stehen und schaue in die Zuschauerreihen. Nur wenige schauen verwirrt, die meisten Jubeln einfach, weil sie sich die Auftritte aller Anderen mit ansehen. Irgendwie habe ich gehofft, dass sich zumindest Heyvo in den Zuschauern blicken lassen würde aber falsch gedacht. Abgesehen von Sally, die hier mit ebenso zitternden Beinen unterwegs ist und trotzdem frei durch die Gegend hüpft, ist nun also keiner mehr hier, an dessen Blicke ich mich hilfesuchend klammern könnte. Nur schräg vor mir blickt noch einer zu mir. Es ist dieser komische Typ, der mich an seiner Stelle hier auftreten lassen wollte. Er steht als Einziger bei mir, was es nicht gerade einfacher macht. Seine prüfenden Augen durchbohren mich … fesseln mich, meinen Körper. Was genau macht der denn jetzt auch noch hier? Er müsste doch eigentlich oben bei den Anderen sitzen und zusehen, die billige Show genießen. Befreie dich endlich Miki! Na los! Er wartet doch auch nur darauf, dass ich etwas tue!!! Beweg – dich – endlich!!! … für Sally … Was sie nur hat? Sie hat wenig Erfahrung, ja ok aber … die Zuschauer und die anderen Mitspieler müsste sie doch kennen, zumindest das Gefühl dahinter im Rampenlicht zu stehen aber nein … sie steht unsicher da, hält verkrampft ihre bis oben hin geschlossene Jacke fest und starrt den Boden an. Sie erinnert mich an ein kleines Kind. Hoffentlich fängt die jetzt nicht auch noch an zu heulen! Tief durchatmend und nur für eine Sekunde meine Augen schließend, wird der Jubel der Zuschauer lauter. Erschrocken gehen meine Augen sofort wieder auf, doch da ist das Mädchen schon wieder weg. Haha, ich wusste es ja, interessant! Einfach nur interessant dieses kleine Biest! Da hat sie mich doch echt zum Zweifeln gebracht und nun? Nun springt sie fröhlich die liegende Säule hinauf, lässt sich auf die gewundene Metallstange gleiten und slidet sie herunter, als hätte sie ein Skateboard bei sich. Sie lässt sich da wirklich einiges einfallen, schaut nicht mal hin, was sie da macht. Ihre Blicke mustern alle anderen King-sama's um uns herum. Sie betrachtet sie sich genau, prägt sich alles an ihnen ein. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man als Spieler die meisten King's nicht kennt aber wenigstens seinen eigenen Bezirks-King sollte man kennen. Wer – Wer genau ist es denn? Sie scheint keinen zu kennen und es sind schon alle draußen, bis auf unser First. Das heißt … wer fehlt, sind Sixth, Sleepy Danger, der lieber wieder schläft anstatt zu spielen und unsere Second, Lilie, die noch zu große Schmerzen hat. Es kann also nur noch Sixth sein oder First. Er übernimmt den Bezirk seiner Schwester. „Und nuuuun, begrüßt den lang ersehnten, heiß begehrten, unnatürlich guten First unserer King-sama's!!!!“ Er hat sich wie immer etwas spezielles einfallen lassen. Man hört schon die Rotorblätter des Hubschraubers und sieht bald darauf die grellen Strahler, die sich auf ihn richten. Er springt ohne zu zögern heraus, aus 200m Höhe, in unsere Area hinein. Mit einem lauten Aufprall und einer Welle aus reiner Kraft und Energie landet er in der Mitte des großen Feuers. Wie eine Gottheit schreitet er aus den Flammen heraus und präsentiert sich mit weit ausgebreiteten Armen unserer geschlossenen Gesellschaft, unseren Zuschauern. Er liebt es eine Show abzuziehen aber er ist ja wirklich der Beste. Er hat es sich verdient so gefeiert zu werden. Seinen folgenden Stunts zu urteilen, hat ihn mein Spielzeug mehr gereizt als Cat Doll. Er fährt die höchste Säule beinahe senkrecht hinauf, ohne sich kreisend um sie herum zu bewegen, einfach senkrecht in die Höhe eben, um sich anschließend davon abzustoßen und ebenfalls ein paar Schrauben zu zeigen, als würde er Turmspringen wollen. Die Jubelschreie der Zuschauer waren selten so laut wie heute, wie jetzt. Nur gibt es einen unter unseren King's, der sich das nicht gefallen lässt. Sie ringen um die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Ninth, Control-Freak, der mit dem Beinamen 'Schwarze Seele' – er nimmt sich noch während der Auffahrt des First die Säule vor. Er lässt seine extra geschärften Scates durch die Steinmassen gleiten, damit diese anschließend in alle Einzelteile zerfällt. Sein breites Lächeln scheint unter der übermäßig weit vorgezogenen Kapuze hervor. Abgesehen von dieser trägt er keine Maske darunter. Anschließend hallt sein böses Gelächter über die freie Fläche. Man hört es immer unter allen anderen hervor. Sogar mir jagt es da einen Schauer über den Rücken. Er jagt unseren First, während der seine Show abzieht. Zuletzt fällt mir auf, dass sie es sogar geschafft haben, mich von meinem Ziel abzubringen. Ich habe die Kleine aus den Augen verloren. Das Bild vor meiner Kamera steht so gut wie still, bis auf die letzten fallenden Gesteinsbrocken. Da fällt mir wieder ein, wie sehr sie sich erst für Cat Doll eingesetzt hat. Sie hat sie sogar bei einem anderen Namen genannt. Hmmm … wo ist Cat denn hin? Da finde ich bestimmt auch mein Spielzeug. Ich konnte kaum glauben, was meine Augen da für Blicke eingefangen haben. Mein ganzer Körper zittert und bebt noch. Erst dieser Aufprall des First, dann diese Säule, die in sich zusammen fällt und zuletzt dieses Gelächter. Ich habe Angst, ich habe Angst verdammt … meine Zähne halten kaum noch still und ich weiß nicht ganz, wo ich am besten hinschauen soll. Die Boots halten zum Glück von allein still, hinter irgendeinem Stein, wo mich keiner entdecken kann. Von hier aus habe ich auch den besten Blick auf alle anderen im Ring. Sie scheinen zumindest friedlicher zu sein. Ich darf nur nicht an dieses grauenhafte Grinsen des Schwarzgekleideten denken. Es sah aus wie von einem Dämon. Fehlt nur noch das rot leuchtende Auge und ich würde freiwillig aufgeben... Hör endlich auf Mikain. Die Anderen, die sind nun wichtiger. Präge sie dir ein. Wer könnte dir gefährlich werden? Da schwebt noch so einer herum, bei dem ich ganz eindeutig eine Brille erkennen konnte. Er wirkt so mickrig, klein, schwach. Er konzentriert sich mehr darauf, was er da selber macht. Ich glaube, nein hoffe, dass er keine Zeit dazu findet mich zu beobachten. Er sieht ja nicht mal selber nach den Münzen, die wir eigentlich suche sollen. Die anderen beiden Männer, die hier herum springen, schauen sich eher die Zuschauerreihen an. Sie wirken auch nicht sehr interessiert am Geschehen hier unten. Die Letzte, die bleibt, ist diese Frau, die ganz am Anfang gesprochen hat. Sh-Sh-Shiva? Ja, ich glaube so hieß sie. Ich habe sie bisher noch nicht gesehen … aus gutem Grund. Sie hat sich an Sally gehängt. Unter der weiß aufgemalten Maske, mit den knallroten Lippen und den schwarz geschminkten Augen der Frau hindurch, erkennt man ein fieses finstres Lächeln. Ihre freundliche Stimme ganz am Anfang ist dahin. Sie scheint sich zu beschweren. Worüber? So oder so hat das Versteckspiel sein Ende. Ich wollte Sally helfen und solange ich nicht nachdenke, was ich hier tue, so lange geht alles wie von alleine. Also denke ich nicht, sondern springe hinter meinem schützenden Felsen hervor, empor in die Luft. Aus Zufall erwischt mich einer dieser Luftzüge, der Sally erst hat abstürzen lassen. Auch mich reißt das vollkommen raus. Ich weiß doch auch so schon nicht, was ich tun muss und jetzt trägt mich dieser Luftzug auch noch direkt gegen die nächste Säule. Ich versuche mich irgendwie abzufangen, mich festzuhalten. Mit meinem linken Bein voraus bekomme ich die Härte einer solchen Säule zu spüren. Ich schramme direkt an der rauen Oberfläche vorbei, kratze mir dabei glaube ich auch irgendetwas auf. Den Scate hat es auf jeden Fall getroffen. Ich habe keine Zeit nachzusehen, muss mich irgendwie festhalten. Mit meiner linken Hand spüre ich die ganze Zeit über die Säule. Auch die kratze ich mir dadurch auf, ungewollt wie immer. Was genau ich hätte tun müssen, weiß ich nicht. Sie tun es wieder von allein, so dass ich im ständigen Kreis bis nach unten auf den Boden zurück gleite. Mir wird übel, als ich endlich wieder festen Boden unter meinen Füßen spüre. Dieses Mal muss ich mir wirklich eine Hand vor den Mund halten und ihn gezwungen zu halten. Genau in dem Moment ertönt die laute Hupe, die das Spiel einleitet. Niemand sieht, wie ich mich da unten einfach mal neben der Säule übergebe. Manchmal habe ich wirklich so ein Glück, dass ich es selber nicht glauben kann. Der widerliche Geschmack geht dadurch leider nicht weg. Immerhin habe ich meine Sachen nicht voll gesaut, so dass es auffallen würde. Ich kann nur hoffen, dass der ersten Arie keine zweite folgen will. Eins wird mir erst im Nachhinein bewusst. Die Tabletten habe ich noch nicht lang genug genommen, dass sie in der kurzen Zeit hätten wirken können. Na das kann ja heiter werden. Natürlich … mir wird keine Sekunde Zeit gelassen. Herausfordernd fliegen all diese King's durch die Luft über mir. Sie sammeln sich Münzen zusammen und gehen alle mit ihren Körperhaltungen auf Sally ein. Nur auf mich fixiert ist nach wie vor dieser Typ im schwarzen Mantel. Er stellt sich vor mich und breitet seine Hand aus. Darin liegen 2 Münzen. 2 Münzen, die Sally ganz gut gebrauchen kann, wenn sie schon von allen anderen gejagt wird. „Naaa, willst du nicht irgendwann mal anfangen oder … mir sogar versuchen die hier abzunehmen? Na los, verausgabe dich schon, ansonsten wird das doch keine Bestrafung!“, fordert er mich heraus. Seine Lippen bewegen sich so gut wie gar nicht. Keiner merkt, wie er gegen die Regeln verstößt. „Wenn du nur wüsstest, was das schon für eine Bestrafung ist …“, flüstere ich mehr zu mir selbst, als zu ihm, jammernd, mich selbst bemitleidend. Er hört es natürlich trotzdem, weil mir ja immer das passiert, was mir nicht passieren soll! Das einzig gute daran: Er ist so abgelenkt, dass ich ohne darüber nachzudenken sofort an seine Münzen heran komme. Ich will nicht, dass er sie mir sofort wieder abnimmt, also halten die Boots gar nicht erst wieder an. Na ja, vielleicht habe ich auch einfach wieder verdrängt, wie das alles gehen sollte. Sie tun von allein das, was richtig ist. Ich halte lediglich die Münzen in meiner Hand und versuche damit zu Sally zu gelangen. Ich weiß noch nicht, wie ich sie übergeben kann, ohne dass es auffällt aber irgendwie wird es schon funktionieren. Oder auch nicht, denn der Fourth stellt sich mir erneut in den Weg. Er hat nur Sekunden gebraucht, um den Abstand zwischen uns zu überwinden. Er muss eine unglaubliche Geschwindigkeit erreichen können. Er liebt diese ungewollte, unausgesprochene Herausforderung, wer von uns Beiden wohl der Bessere ist. Er schwebt direkt vor mir, rückwärts, mitten in der Luft und starrt mich mit weit offenen Augen an. Ich wollte eben nur von einer Säule zur nächsten hüpfen, Sally näher kommen, um ihr den Druck der vielen Könige zu nehmen. Er gibt mir keine Gelegenheit dazu, hält die ganze Zeit über irgendetwas in seiner Hand. Meine Augen tanzen zu wild hin und her, um alles irgendwie erfassen zu können, um all seine Details überhaupt noch richtig erkennen zu können. Mir sind die Metallregale erst beim zuschauen gar nicht aufgefallen. Erst jetzt, wo ich selber hier stehe, bekomme ich diese auch mit. Viele, etliche stehen davon auf dem Boden. Mein Blick ist zwar auf die Säule vor uns gerichtet, doch ich erkenne, dass ich diese nicht erreichen kann. Es fehlt Schwung, Schwung den er mir genommen hat, als er in meinen Luftzug gesprungen ist. Mein Körper sinkt von allein, nutzt die breiten Fächer der Regal, um da hindurch zu gleiten und gleichzeitig noch 2 weitere Münzen zu finden. Es – Es hört sich vielleicht seltsam an aber – aber … nach all diesen verrückten, viel zu unecht klingenden Dingen heute Abend, war das mein erstes Erfolgserlebnis. Ich freue mich, ich freue mich wirklich sie gefunden zu haben und will sie nicht wieder hergeben müssen, nicht an diesen Fourth. Er springt schon wieder um mich herum, fordert mich heraus, mehr Tricks zu zeigen, sie ihm zu zeigen. Wie gesagt, die Boots wissen von allein, was sie tun sollen und benutzen meinen Körper lediglich. Wir halten uns den Großteil der Zeit unten auf, bei den Regalen und niedrigen Säulen aber das scheint ihm und dem Publikum egal zu sein. Ja, mir ist gar nicht klar, wie sehr sie dieses Zweierduell zwischen ihm und mir feiern. Sie jubeln uns zu, rufen seinen und sogar meinen Namen. „Seroll, Seroll, Seroll, Seroll!!!“ „Servoxx, Servoxx, Servoxx!!!“ Abwechselnd bekommt man genau solche Sprüche zu hören. Zwischendurch dann auch die Stimme dessen bei mir: „Na, wie sehr Bestrafung können solche Zurufe wohl sein? Freu dich endlich, freu dich und zeige mehr dieser Tricks!!! Auf die Art, in der Kombination. Einfallsreich ist die Kleine ja!!!“, spricht er über mich, als wäre ich gar nicht da. Seine Stimme ist so tief und gereizt, gereizt vor lauter Aufregung. Er hat mich inzwischen schon 3 Mal verloren. Shiva hat sich von ihrem Opfer lossagen können und mischt sich nun auch bei uns mit ein. Sie versucht mir immer wieder den Weg abzuschneiden. Zugegeben, es macht Spaß ihnen auszuweichen, auch wenn das alles nur aus Zufall passiert. Bevor ich die Schlupflöcher überhaupt sehe, gleitet mein Körper schon hindurch. Durch das nächste Regal, daran festgehalten und sofort umgedreht. Beide brauchten nur Sekunden, um es mitzubekommen aber ich habe das Gefühl, als würden sie lediglich ihr Spielzeug durch die Gegend treiben und schauen, was es alles machen kann. Sie testen mich. Dem Spaß liegt in jeder Bewegung ein bitterer Beigeschmack bei. Meine Beine brennen wie Feuer und zum Spaß kommt Panik. Es ist, als wenn man im Albtraum versucht zu flüchten, sich immer wieder umdreht und merkt, dass man nicht vom Fleck kommt. Immer wenn ich mich umdrehe, sind die Beiden schon wieder da. Ich muss einsehen, dass ich Sally vielleicht gar nicht mehr erreichen werde, als … als sie direkt mit all den anderen Kings meine Strecke kreuzt. Wieder ein Reflex, eine Millisekunde, in der ich ihr einfach sofort die Münzen übergebe. Das Bild von ihr vor meinen Augen, sehe ich sofort, dass sie am liebsten aufgeben würde. „Mach weiter Cat Doll. Ich brauche dich hier, so wie du mich brauchst.“ Ob ich das ausgesprochen oder nur gedacht habe … sogar das kann ich nicht mehr unterscheiden. Sie scheint zumindest zu wissen, was ich ihr übermitteln wollte. Sie steckt die Münzen sofort ein und schöpft aus irgendetwas heraus neue Kraft. Ich bin nur froh, dass ihre Beine soweit erst mal weiter machen. Wenn sie wieder aufgeben, so wie erst, dann ist mir egal, was die anderen tun. Ich werde sie wieder auffangen! Inzwischen haben sich auch immer mal wieder Fallgruben geöffnet. Auf normalem Wege könnte ich mich also nicht mehr fortbewegen. Fast alle 5 Meter ist ein Loch, welches die Strecken unterbricht. Ein paar der Regale sind auch verschwunden. Es zwingt uns dazu höher zu gehen, wo sich ein paar der Auffangnetze nun auch schon bewegen. Es ist gruselig. Um mich herum dreht sich nur noch alles. Mein Magen ist zum Glück schon leer, ansonsten würde das jetzt sicher wieder passieren. Was hat sie nun schon wieder? Bisher hat sie sich gut geschlafen. Ich würde raten sie ist … mindestens in der D-Class. Ihre Reaktionen sind gut. In einem fremden Umfeld so mit der Kulisse agieren zu können … dazu ist Können gefragt. Manchmal ist nur die Art, wie sie sich bewegt, wirklich komisch. Sie versucht ihre Beine nicht zu belasten aber wer erst so kurz dabei ist, kann noch nicht krank sein. Das bildet sich erst nach Jahren. Ein Glück geht es jetzt langsam mal nach oben, das ständige um sie herum springen und von einer Ecke in die andere treiben, hat keinem wirklichen Spaß gemacht. Sie hat mehr Panik vor mir und vor Shiva, als dass sie wirklich ihren Spaß daran finden kann. Meine Bestrafung sieht doch nur vor, dass sie völlig fertig sein soll aber nicht gleich verstört! Als sie in der Luft schwebend einmal nicht weiß, wie sie weiter agieren soll und ich schon von weitem erkenne, dass sie direkt in zwei der Auffangnetze stürzen würde, glaube ich einen Weg gefunden zu haben, ihr die Panik etwas zu nehmen. Ich weiß, Berührungen und helfen ist nicht erlaubt aber … in allen Regeln gibt es Schlupflöcher, genauso wie bei zwei Netzen, die sich abwechselnd aufeinander zu und voneinander weg bewegen. Sie muss es nur schaffen ihre Zeit zu verzögern, in der sie fällt. Ihre Blicke sind eh schon auf mich gerichtet, also zeige ich ihr lediglich, was sie tun sollte. Es wird helfen, auf jeden Fall. Sie muss nur ihre Jacke öffnen und breit gefächert von sich halten, wie 2 Flügel, die ihr zusätzlichen Auftrieb schenken. Mit scharfen Blicken sieht sie durch ihre halbe Wolfsmaske hindurch und … und tut genau das Gegenteilige von dem, was ich ihr geraten habe. Sie macht sich schwerer, lehnt sich weit nach vorn, als würde sie mit ihrem Kopf in den Boden fallen wollen und nimmt ihre Arme an ihren Körper. Lachend sehe ich zu, wie sie es gerade rechtzeitig durch die Netze schafft. Ich muss wirklich darüber lachen, es ist einfach so amüsant sie zu beobachten. Ich jedenfalls komme mit meinem Rat besser, schließlich trage ich für solche Fälle ja auch einen Mantel. Als wirklicher King sollte man durch die Fallen locker durch kommen und wie immer funktioniert es auch. Nur ganz kurz fangen wir Beide uns auf einer der wenigen übrigen Bodenflächen ab, um danach wieder in die Luft zu gelangen. Shiva ist mir egal, sie kann mich von nichts ablenken und noch weniger meine Kamera. „Thahahahaha! Nun hab' dich nicht so, das war doch lustig.“, lache ich sie breit an. Bestrafung? Möglich. Na und?! Sie ist lustig, anders als die anderen Spieler. Tzzz, soll der sich seine Anspielungen doch hin stecken wo er will. Ich habe die Netze nicht gesehen, na und? Wäre ich raus, wäre eh nur sein Ruf kaputt! Nicht meiner! Mit meiner Methode hat es doch genauso gut geklappt wie mit seinem Tipp. … Warum hat er mir überhaupt versucht zu helfen? „ … Nun habe dich nicht so, …“ W-Was? Er – Er spielt ja wirklich nur. Mein sogenannter Albtraum ist nur ein verspielter, kleiner Junge. Trotzdem, ich darf mich nicht darauf einlassen … n-na ja, also … ich muss weiter schauen, wo ich hin kann. … Warum – Warum hat er das überhaupt so laut gesagt? Was ist mit der Bestrafung? Könnte ihm so etwas egal … Ganz automatisch wechseln meine Blicke nun doch von meiner Strecke vor mir auf die seine Seite. Sein breites Lächeln erreicht sogar schon seine Augen. Er – Er muss wirklich Spaß daran haben. So wie er halb schräg vor mir in der Luft schwebt und weiter aufsteigt als ich es jemals könnte, herrscht so eine ungewohnte Ruhe. Das Publikum ist plötzlich egal. Irgendwie … sehe ich nun doch nur noch ihn an. Dieses böse Bild, welches ich von ihm hatte, ist vollkommen verschwunden. Er – Er wirkt … freundlich und nett, wie der Junge von nebenan, den man seit Jahren kennt. Was ist jetzt nur los? Was sind das für komische Gefühle pötzlich? „Nun komm schon! Hast du etwa keinen Sp...“, bevor er ausreden kann, reichen meine Blicke durch ihn hindurch. Sie sind weit auf gegangen, so wie die seinen, als er sieht, was ich sehe. Am Himmel, noch ein paar Meter weit entfernt schweben zwei schwarze Helikopter am Himmel. Sie haben noch keine Lichter an, welche die Flächen unter ihnen erleuchten können aber wir sind uns Beide sicher, dass die nicht zufällig hier sein können. Ein lautes: „Fuck! Verräter!!!“, ertönt von dem vor mir. Sein erster Blick geht an mich, doch ich bin noch immer zu perplex, als dass er mir das zutrauen könnte. Perplex? J-Ja, vielleicht etwas … doch eigentlich … eigentlich kommt diese innere Ruhe nicht von irgendwo her. Mein angestrengter Kopf und mein überfordertes Herz haben nachgegeben, unter all dem Druck einfach nachgegeben. Ich kann mich wieder nur schämen. Ich konnte Sally keine Sekunde helfen. Sie musste alles allein machen, hat ihre Münzen allein gesammelt und sich gegen alle Könige allein geschlagen und nun bin ICH diejenige, dessen Bewusstsein mitten am Himmel nachgibt? … nein, das – das kann ich nicht … das will ich nicht akzeptieren müsse, doch so sehr ich mich dagegen wehre … es bringt nichts. Eben habe ich mich noch gewundert, dachte sie würde endlich nachgeben und mich nicht mehr nur als bösen Gegner betrachten, als ihre Blicke auch schon viel zu sanft und aufrecht geworden sind. Sie hat durch mich hindurch geschaut. Ich musste einfach nachsehen, was sie da glaubt entdeckt zu haben. Mit meinen eigenen Augen darauf fixiert, will ich es einfach nicht glauben. Das sind nicht irgendwelche Helikopter, die gehören zur Phönix-Polizei, ganz sicher! Wenn diesmal 2 von denen Unterwegs sind, dann werden es auch mehr Einsatzleute sein, die hinter uns her sein werden. O, bitte nicht! Meine Blicke fallen all dem unter mir zu. Nein, man NEIN! Das darf nicht passieren! Ich nehme nun dieselbige Haltung an, die sie erst bei den Netzen an den Tag gelegt hat. Ich muss schnell zu Boden kommen und dem First Bescheid geben, doch da ist es schon zu spät. Ich sehe nur noch, wie meine zwei Wächter versuchen ein paar der Zuschauer in Sicherheit zu bringen. So leer wie die Ränge geworden sind, müssen sie schon die ganze Zeit daran gearbeitet haben. Von außerhalb der Mauern ertönt ein Lautsprecher: „Hier spricht die Polizei! Spezial-Einsatzkommando gegen die verbotene Sportart des Scatens mit Einsatz der Gen's. Lösen sie diese Massenversammlung sofort auf und kommen sie mit erhobenen Händen heraus! Hier spricht die Polizei! …“ Der Mann wiederholt sich immer wieder. Die Meisten versuchen zu fliehen, nur die Spieler selbst begreifen gar nichts. Als ich herunter komme, gehen auch schon die großen Strahler aus, die das Spielfeld beleuchten. Laut rufe ich einfach dazwischen: „Flieht! Die Bullen sind hier, sofort!!!“ Keiner der King's lässt es sich nehmen über das Dach nach draußen zu scaten. Jeder geht vorher sicher, dass deren Ränge auch geräumt sind und sich keiner mehr da befindet, nur zwei unserer King's nicht. Ich verstehe nicht wieso, bis ich entdecke … N-Nicht! Ich darf jetzt nicht mein Bewusstsein verlieren, nicht hier! Dieser Typ, der mich die ganze Zeit verfolgt hat, ist voller Panik einfach nach unten verschwunden. Ich höre, wie er seinen Leuten irgendetwas zu ruft und die Lichter bald darauf aus gehen. Lediglich die Strahler der Helikopter erleuchten die Fläche des Spielfeldes, wild und durcheinander. Sie befinden sich direkt über mir. So wie ich weiter falle, tut sich mir ein einziges Bild auf. Da sind zwei Männer, zwei Männer und ein Mädchen. Da alle anderen bereits geflohen sind und die Person bei diesen Männern einfach nur auf deren Schultern hängt, ruft ein Reflex in mir nur eins auf: „SALLY!!!!“ „W-Was?!“, hakt mein Verfolger nach, seine Blicke wechseln ganz knapp zu mir nach hinten, eh er die Situation vor sich auch erkennt. Zwischen all den Schreien der Zuschauer heraus, kann man die Drohungen der Beiden Männer in der Mitte deutlich hören. „Gebt endlich auf! Wir haben eine von euch gefangen genommen! Stellt euch endlich!!!“ Waffen richten sich auf sie. Ich glaube es nicht. Zwei Polizisten richten ihre Waffe auf meine Schwester. W-Warte mal, das sind doch … … das sind doch Fifth und Eight, No Hero und Goes to Hell!!! Sie – Sie sind die Verräter? Nein! Verdammt nein!!! Wir gehen so viele Tests durch, ihr Können und ihre Vertrauenswürdigkeit. Es dauert Monate, eh jemand zum King gekrönt wird und nun … nun sollen es ausgerechnet zwei aus unseren Reihen gewesen sein? Sie haben … Sie haben die Neue! Cat Doll! Was ist mit ihr? Sie … Sie bewegt sich nicht, hängt nur reglos über Fifth's Schulter. Eight hält ihr eine Waffe an den Kopf und droht ihr und uns, doch sie tut nichts. Sie kann nicht. Warum nicht? Warum – Warum sehe ich das erst jetzt? Ihre Beine … Endlich begreife ich, warum sich die Kleine freiwillig gemeldet hat für ihre Bestrafung, warum sie das alles über sich ergehen lässt. Sie hat ihre Schwester erst unterbrochen und unbemerkt gestützt. Ich hätte das wirklich eher sehen müssen. „Nhaaa? So toll sind eure Aufnahmekriterien wohl doch nicht, hmm?!“, reizt Fifth mich wirklich. „Gebt endlich auf. Vielleicht sind eure ach so tollen Zuschauer schon geflohen aber draußen werden sie ganz gewiss von unseren Einsatzfahrzeugen aufgehalten.“ „Nein!“ „NEIN!“, ertönen zwei böse Stimmen. Sie hallen aus der zweiten Etage zu uns herunter. Es sind meine beiden Wächter. „Ihr haltet euch wohl für so schlau, was?! Dann solltet ihr eure komischen Gespräche nicht mittem im Gang halten, wo euch jeder hören kann!!! Wie könnt ihr als King's es wagen, euch gegen eure eigenen Leute zu stellen!!!“, dreht einer der Beiden völlig durch. Sie sind genauso wie ich auf das Geschehen am Boden fixiert. Als ich bemerke, wie abgelenkt die Zwei vor mir sind, glaube ich eine Chance zu sehen, die neue King befreien zu können. Ohne groß darüber nachzudenken nehme ich Anlauf, springe den Beiden entgegen. Erst durch den aufkommenden Windzug, welcher durch meinen Schwung entstanden ist, können sie sich meiner zwei Wächter entreißen. Erschrocken starren sie mich mit großen Augen an, als ich Eight mit meinen Beinen die Waffe aus der Hand schlage, mich von seinem Körper abstoße und gleichzeitig Fifth zu Boden zwinge. Einen Arm der Scaterin habe ich mir um die Schulter gelegt und bin so weit es ging von den beiden Verrätern weggesprungen. Sie sollen keine Gelegenheit dazu bekommen sie festzuhalten. Mir wird klarer, wie schlecht es der Halbfrau an meiner Seite gehen muss, als ich ihre Reglosigkeit zu spüren bekomme. Sie selbst ist nur halb weggetreten, versucht verkrampft ihre Beine zum bewegen zu zwingen. Es klappt nicht. Eigentlich heißt es ja, rette sich wer kann, wenn so etwas passiert wie heute aber … wenn sie sie gefangen hätten, was hätten wir davon schon gehabt? Noch eine King weniger? Jemanden, der unsere Standorte vielleicht verrät? Als unser First dann auch noch auftaucht und sich persönlich um die zwei kümmert, kann ich mich getrost meiner eigenen Sicherheit zuwenden. Er sorgt schon dafür, dass die Beiden nicht mehr sprechen werden, es gar nicht mehr können! Also verlagere ich mein Gewicht weiter nach vorn, sorge dafür einfach nur schneller zu sein und durch die Luft zu verschwinden. Mit meinen Scates fällt es mir nicht schwer mich gegen zwei Ältere, Größere zu wehren, die noch dazu eine Ausbildung zur Spezial-Einheit gegen uns hinter sich haben oder jemanden mit mir zu ziehen, der gewöhnlich zu schwer sein würde. Es macht alles einfacher, einfach alles oder … fast alles, bedenkt man, dass ich lediglich auf Cat Doll geachtet habe. Nur meine Kamera hat weiter auf das andere Mädchen gehalten. Das andere Mädchen, welche, aus welchem Grund auch immer, nur zur Nebensache wurde. Sogar Cat Doll schafft es noch in ihrem Zustand nach der Kleinen zu fragen, zu jammern, wie es ihr ginge. Ja … die Kleine … Meine Blicke wenden sich von Cat Doll ab. Irgendetwas in mir schreit auf. Ich solle nachsehen, sofort! Als ich mich zum kleinen Mädchen unweit über mir wende, welche noch immer dem Boden zu fällt, gehen mir die Augen auf. Sie – Sie hat bei ihrem letzten Sprung ihr Bewusstsein verloren und fällt … sie fällt einfach nur noch. Es müsste mir egal sein. Mein eigenes Überleben ist wichtiger aber … ich habe mit ihr gespielt und dafür gesorgt, dass sie jetzt fällt. Ich habe keinen Arm mehr frei und bin schon froh, wenn ich eine Person mit mir tragen kann. So wie ich die Kleine vor mir entdeckt habe, taucht nun noch jemand auf. Erst schrecke ich zurück, befürchte, es wäre einer der Verräter oder der Phönixe aus dem Hubschrauber, vielleicht hätte es auch einer aus der normalen Einheit sein können. Völlig egal, ich habe jeglichen Grund zurück zu schrecken … im ersten Moment. Keine Worte, nur ein Nicken und undeutliches Gemurmel wird mir durch den Wind entgegen getragen. Aus dem Gemurmel heraus erreichen mich zumindest drei Worte: „Ich nehme sie!“ Es klingt, als würde die Person gleich wieder einschlafen wollen aber ja … es ist Sleepy Danger, der wirklich mal einen Finger rührt. Er wollte erst doch nicht mal mitmachen, weil ihm sein Schlaf wichtiger war. Na ja, ich sollte mich wohl weniger beschweren. Sein Bruder ist eh schon dabei, ihn zurück zu ziehen, ihn wütend von der Seite an zu ranzen. „Was machst du denn noch hier? Lass die doch einfach fallen. Flieh verdammt!!!“, versucht er seinem Bruder zu befehlen. Daraufhin erhasche ich einen Blick, der alle Müdigkeit der Welt von ihm geschoben hat. Ein finsteres Lächeln und weit offene Augen starren den Blondschopf, seinen Bruder, an. Keine Worte, es braucht keine Worte, um diesen Blick deuten zu können. Ich habe wirklich schon viel über Sixth gehört aber sehen durfte ich es noch nicht. Man sagt, wenn er nicht ständig nur schlafe würde, könnte er den Platz des First einnehmen. Er hat mehr Talent als unser Ältester. Sein Bruder schreckt nicht zurück, viel mehr ist er … erstaunt. Darauf folgt ein schmales Lächeln. „Was hat dieses Mädchen nur an sich?“, rutscht ihm im schmunzeln heraus. Liegt es wirklich an dem Kind auf seinen Armen, dass er plötzlich wieder wach ist? Warum sollte er? Er hat sie fest an sich gezogen und sich sofort vom Erdboden wieder abgestoßen, als er darauf aufgekommen ist. Tip-Jump, nennt sich das. Es gehört zu den Königsdisziplinen, die jeder von uns lernen muss. Als die Beiden am Ende des ersten Spiels gefallen sind, habe ich genauso reagiert. Nichts anderes hätte ihnen mehr helfen können. Ich glaube, ich habe noch nie jemanden gesehen, der das perfekter, schneller hinbekommen hätte, als Sleepy Danger eben gerade. Er ist schon unweit vor mir und das obwohl er noch den Weg Richtung Boden zurück legen musste, um sich daran abstoßen zu können. Schwer zu glauben, dass der sich überhaupt mal bewegt! Er hat den Arm seines Bruders noch im selben Zug geschnappt. Er wäre wohl zu spät wieder aufgestiegen. Das Mädchen hält er mit einem Arm an seinen Oberkörper gepresst. Zu spät? … ja, zu spät. Wir befinden uns gerade so über der Area, als hinter uns das Feuer um sich schlägt, gefolgt von einem lauten Knall. Die Funken fliegen bis zu uns und ich kann die Hitze spüren. Von unserem größten Austragungsort ist nichts mehr übrig geblieben und ich frage mich, was wohl aus den beiden Phänixen geworden ist, aus den beiden Verrätern. First ist jedenfalls direkt hinter uns. Er hat es noch raus geschafft und sieht lediglich mit finsterer Miene geradeaus. Er muss sie wirklich da zurückgelassen haben. Meine Blicke deutend, spricht er: „Wenn sie ihre eigenen Leute verbrennen lassen, ist das nicht meine Schuld!!!“ Ich habe verstanden. Auch der vor mir zuckt nur einmal seltsam und das nicht wegen der Explosion oder dem Wissen darüber, dass da eben zwei Menschen drinnen verbrannt sind. Seine gespreizten Augen wenden sich zu uns nach hinten. Er mustert alle anwesenden. „Sind alle Drei da, mache dir keine Gedanken.“ Und diese Worte sind wohl nicht an mich gerichtet. Er spricht mit ihr. Trotz ihrem Zustand kann sie noch sprechen. Ich frage mich nur, wie das passieren konnte? Cat Doll hat sich die letzten Monate nur überarbeitet. Sie wird Ruhe brauchen, damit sie wieder laufen kann aber das Kind in Sleepy's Armen? Die Antwort wird mir sofort gegeben, als im starken Aufwind etwas zu mir nach hinten getragen wird. Ich konnte es in der Luft nicht deuten, spüre nur die Feuchtigkeit auf meiner Stirn. Ein paar Tropfen, nicht viel aber es reicht aus. Verwundert wische ich die Flüssigkeit mit meinen Fingern weg. Blut. Blut! Sie verliert Blut aber – aber warum?! Sie hat sich erst gestoßen an einer der Säulen aber – aber deswegen zu bluten? Sleepy jedenfalls scheint das nicht zu verwundern. Er wendet sich ganz liebenswürdig wieder zu ihr und lässt an Tempo schwinden. Weit genug vom Waldstück und der Explosion entfernt, landet er, irgendwo mitten in der Stadt, in einer versteckten Gasse, zwischen all den Hochhäusern. Meine Neugierde zwingt mich es ihm gleich zu tun, Cat Doll hätte das bestimmt auch so gewollt. Während ich das Mädchen ruhig auf den Boden sinken lasse, damit sich ihre Beine nicht noch weiter verletzen, landen noch weitere Personen in der Gasse. Sofort fragen Zwei von ihnen nach: „Wie geht es ihr?!“ Aufschauend bemerke ich, dass die Frage nicht an mich und nicht an Cat Doll gerichtet ist. Mir wird klarer, welche Drei genau Sleepy Danger gemeint hat. Das Kind muss nach Cat Doll und den Zwillingen gefragt haben. War sie wirklich für einen Moment wach? Stimmt ja, die beiden Zwillinge habe ich völlig verdrängt. Sie waren ja auch noch in der Area. Ihre Sachen sind etwas angesengt und ihre Masken tragen Ruß an sich, etwas aber mehr nicht. Warum – Warum nur reagieren sie so panisch? Unser First und Sleepy sind ganz ruhig, als – als hätten sie von vorn herein gewusst, was mir jetzt erst klar wird. „Nimm sie ihr ab, lass mich ihre Beine sehen.“, fordert First mit strengem Blick, strenger Miene und strengen Worten – auf seine Art. Er ist ruhig, ja, aber deswegen nicht gleich unbesorgt. Ich stehe auf und muss selbst sehen, was die beiden King's schon wissen. Sleepy hätte keinen Befehl gebraucht. Er hat ihre Scates schon geöffnet, sieht nun nur noch zum First. „Halte sie fest.“, fordert Sleepy eindringlich. „Glaubst du, sie wird sich regen?“ „Weiß nicht.“ Die Bluttropfen ergeben nun ihren Sinn. Einen Sinn, von dem mir wirklich seit langem mal wieder schlecht wird. So wie Sixth die Boots auszieht und ihr die Gen's entfernt, erscheinen darunter blutüberströmte Beine. Obwohl sie sich nicht wirklich bewegt, hält First ihre Beine fest. Sie ist noch immer so sehr weggetreten, dass sie den Schmerz gar nicht wahrnimmt. First muss selbst nochmal nachsehen, was die Gen's da mit ihr angerichtet haben. Fest umgreift er ihre dünnen, mageren Knöchel, um besser einen Blick darauf zu bekommen, und sieht sich die Wunden an. Er bewegt ihre Beine nach links und nach recht, um besser sehen zu können bei dem geringen Mondlicht in der Gasse. Entschlossen steht er auf und sieht meine beiden Wächter an. „Das sind nicht ihre! Wer hat ihr die Scates geliehen und wessen Gen's sind das?“, will er mit tiefer Stimme wissen. Einer von Beiden knickt sofort ein, versteckt sich hinter seinem Bruder. Der andere hingegen hält unserem First stand. Es müssen seine sein. Bevor First überhaupt etwas sagen kann, rutscht es mir raus, unerwartet, ungewollt. So kenne ich mich gar nicht, wirklich nicht. Für gewöhnlich bin ich ruhig, dafür bin ich unter den King's ja auch bekannt aber wenn ich so etwas höre … da vergeht mir alles! Ich habe mich zwischen die Beiden gestellt und blicke den Zwilling wütend an. „Weißt du denn nicht, was passieren kann, wenn man die falschen Gen's trägt? Sieh dir an, was du angerichtet hast!“ Er lässt sich davon nicht beeindrucken, antwortet lediglich mit einem: „Ich weiß.“, woraufhin mir klar ist, was er am liebsten noch gesagt hätte. Deine auch! Und genau so ist es. Verdammt, ich habe gar nicht aufgepasst, einfach geglaubt, sie hätte schon Erfahrungen damit gehabt, wäre eine Scaterin, ein Newby. … Vielleicht ist gerade das auch mein Problem, wegen dem ich so ungehalten reagiere. Ich habe mir einfach nichts dabei gedacht aber … aber … Ich verstehe das nicht, ehrlich nicht. Es bereitet schon genug Schmerzen, wenn man seine eigenen, passenden anlegt und dann das aushalten zu müssen? Sleepy hat inzwischen seine Jacke ausgezogen und sich ihren Beinen zugewandt. Er wischt das Blut ab so gut er kann. Ich hocke mich zu ihm herunter und betrachte mir alles ganz genau. Ich fühle mich dafür irgendwie verantwortlich. Das hätte nicht passieren müssen, nein, wirklich nicht! Ihre Waden sind etwas aufgerissen, nichts schlimmes eigentlich. Das passiert den meisten Newbys, die es übertreiben. Das eigentliche Blut kommt rein nur aus den Zugängen. Der eine Slide die Säule hinauf muss es schlimmer gemacht haben. Einer der Zugänge hat sich gelockert und somit mehr Blut verloren als der andere. Er ist eingerissen. „Warum macht man so etwas?“, spreche ich entsetzt aus, was ich nicht glauben will. „Du wusstest nicht, dass sie keine Teilnehmerin ist, es noch nie war. Sie wollte es so, mache dir keine Vorwürfe.“, flüstert Sleepy ganz ruhig, eingehend. „N-Nein … Ja … a-aber, warum tut man das? Selbst bei Bestrafungen kann man mit uns reden.“, versuche ich mich schwach zu rechtfertigen. „Sie muss ins Kran...“ „N-Nein! Nein, nicht. Mir … mir geht’s gut.“, spricht sie ganz unerwartet dazwischen, mit heiserer, rauer Stimme. Wir halten alle inne, schauen zu ihr, ob nun Wächter oder First, eben alle. Am Ende ist es der First, der seine Standpauke unterbricht und sich dem Kind zuwendet. Sie versucht sich krampfhaft mit all ihrer übrigen Kraft von allein hinzusetzen und sich gegen die Wand zu lehnen. Das muss man ihr zumindest lassen, sie hat gute Ausdauer, eben ein Dickschädel! Unser First hockt sich nochmal zu ihr, ganz ruhig und greift genauso ruhig ein weiteres Mal um ihre Knöchel. Er lächelt sie an, so gut man das eben bei solchen Anblicken kann. „Beantworte ihm seine Frage. Warum tut man das? Warum hast du nicht abgesagt?“ „Darum … Darum geht es doch gar nicht. Was hätte – hätte C-Cat davon gehabt?“, keucht sie ihre Antwort schwer. Ihre kaum offenen Augen, schwachen Blicke gehen am First vorbei, direkt zu Cat. Das kleine Mädchen versucht ihre Beine zu bewegen, doch sie reagieren nur schwer. Der Blutverlust war wohl zu groß. „Ich … war wohl keine Große Hilfe für sie.“, haucht sie erschöpft, leise, schwach. Der Schweiß auf ihrer Stirn hat sich vermehrt, jede Bewegung muss ihr schwer fallen, sprechen muss anstrengend sein. Verdammt … Meine Hände ballen sich automatisch zu Fäusten und ich blicke weit zum Boden hinab. … Ich habe wirklich nichts gemerkt. Klar, als King-sama KANN uns all das egal sein, so wie es allen anderen Scatern auch egal ist aber … das ist nicht so einfach, wenn man weiß, dass man etwas dagegen hätte tun können. Eigentlich wundert es mich schon, dass First so ruhig mit ihr umgeht. Er ist für gewöhnlich ziemlich streng, offen, doch das ändert sich, nachdem er die Begründung für ihr Handeln gehört hat. „Wie dumm von dir! Ich wusste von ihren Beinen. Wir haben sie nicht nur einfach gejagt. Hast du in der Area überhaupt hingesehen? Als King-sama wird sie für eine Weile ihre Ruhe haben, bis sie wieder mitmachen kann.“ Frustriert stöhnt das Mädchen und lässt ihren Kopf sinken. „Ich … hatte wenig Zeit, auf sie zu a-achten. Tut – Tut mir leid.“ Daraufhin senkt sich die Stimme unseres Ältesten auch wieder: „Mir auch – für diesen ersten Eindruck meine ich. Deine Zugänge sind sehr stark ausgebrannt. Ich glaube kaum, dass man damit nochmal …“ „N-Nicht … nochmal …“ „Du willst gar nicht?“, hakt er skeptisch nach. Er zeigt selten ein solches Interessen, würde ihre Aussage als Tatsache nehmen, doch bei ihr scheint er doppelte Bestätigung zu brauchen. Ich kann gut verstehen warum. Mir ist nicht aufgefallen, dass sie nicht mal Newby ist, weil sie einfach zu gut war. Ihre Sprünge waren abschätzend und ihre Tricks die einer D-Class-Scaterin – mindestens! Sie war so gut, es liegt ihr einfach im Blut … in dem Blut, was sie gerade zu sehr verliert. Nein, im ernst, unser First erkennt Talente, wenn er sie vor sich hat. Deswegen ist seine kleine Schwester ja auch dabei. Sie ist einfach zu gut. Das Kind vor uns verneint sofort und ist danach wieder völlig weggetreten. Man hat es ihr schon ansehen können. Sie ist immer mehr in sich zusammen gesunken. Sleepy hält sie wieder an sich. „Tja dann … “, gibt First seine Anweisungen, doch ich höre nicht zu. Ich bin völlig in Gedanken versunken, bekomme kaum mit, wie sich die anderen nach und nach auf den Weg machen und ich beinahe allein in der kleinen, engen Gasse zurück bleibe. So einen ersten Eindruck sollte man nicht von uns und unserem Sport haben müssen. Niemand sonst zeigt Furcht davor, selbst wenn es gefährlich ist. Das fühlt sich so überhaupt nicht gut an … Wie soll ich mich dabei nicht schuldig fühlen müssen? Mit welcher Ausrede kann ich mein Gewissen beruhigen? … mit keiner …
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