Nach dem Essen habe ich immer noch Hunger, immerhin muss ich eine ganze Woche nachholen. Allerdings gebe ich das vor den beiden nicht zu.ich fürchte, dass die zwei wieder beleidigt sein könnten. Jedes Wort fällt auf die Goldwaage bei ihnen.
Inzwischen haben sich die kleinen Racker aus ihrem Käfig befreit. Keiner weiß wie, doch sie haben es von ganz allein geschafft. Sie wollen schließlich auch nur den selten gesehenen Besucht begrüßen und beschnuppern. Sie stürmen förmlich den Tisch. „Tala, hast du den Käfig nicht richtig geschlossen? Mach die sofort in ihren Käfig!“, wird seine Mutter sofort böse. „Klar habe ich ihn richtig geschlossen, was glaubst du denn. Ich fange die jetzt aber nicht nochmal ein. Wir sind doch eh gerade fertig mit essen!“ Aus diesem Streit halte ich mich lieber gleich raus. Ich lasse mich von den Tieren bekrabbeln. Cleo arbeitet sich bis auf meine Schulter vor. Ich kann genau hören, wie sie mich beschnuppert. Sie kommt meinem Ohr so nahe, dass ich den kleinen Luftzug spüren kann. All meine Schmerzen sind dadurch schnell vergessen. Da die beiden sich immer noch streiten, händel ich alle Frettchen allein und räume gleichzeitig ab. Erst als ich dann auch noch abwaschen will, kommt Tala mit dazu. „W – Warte mal, du bist hier der Gast. Setz dich sofort wieder hin““, weist er mich streng an. So langsam gewöhne ich mich daran. Er scheint immer so zu sein, zumindest wirkt es so. Protestlos setze ich mich zu seiner Mutter, welche mich schon die ganze Zeit über streng ansieht. Vielleicht ist sie ja doch immer noch sauer. Obwohl mir das auch egal sein könnte, denn das größte Rätsel ist ja immer noch Tala. Mir fällt gar nicht auf, wie verträumt ich ihn ansehe, ja schon fast starre, bis seine Mutter sich einmischt. „Er hat nur sehr selten Besuch hier und noch weniger von Mädchen. Wenn sie dann auch noch so hübsch sind wie du, wird er sofort nervös.“, spricht sie mir leise zu. Ich werde etwas rot auf den Wangen, weiß aber, dass Tala alles gehört hat. Er hat sich vorgenommen, nicht darauf zu reagieren, es einfach zu ignorieren, doch ihr letzter Satz ging zu weit. Er konnte es nicht länger. „Mom, was soll der Scheiß eigentlich immer? Warum erzählst du immer so einen Unsinn über mich! Ich erzähle doch auch nicht jedem von deinem Alkoholproblem!“, übertreibt er es jetzt. Der Streit wird immer heftiger, da bemerkt wieder keiner von beide, dass ich einfach aufstehe und im Gästezimmer verschwinde. Nach ein paar Minuten komme ich auch da wieder raus und trage alle übrigen Sachen bei mir. Ich höre sie sogar schon bis in den Flur und ich glaube, wenn das so weiter geht, dann auch bald im ganzen Wald. Ich öffne die Tür dennoch so leise es nur geht, erst dann versuche ich alle Frettchen von mir zu drängen. Als sie endlich hören, kann ich auch die Tür hinter mir schließen. Doch genau in dem Moment zieht ein Windzug sie recht laut von ganz allein zu. Ungewollt laut geworden, laufe ich einfach los. Mir geht es heute so gut, dass ich mir das nicht von den anderen nehmen lassen will. Als der laute Knall ertönt, schweigen plötzlich beide. Sie blicken sich um, doch nicht mal mehr die Tiere sind da. Irritiert läuft Tala zur Tür, doch da sieht er schon nur noch meinen Rücken. Die Tiere würden am liebsten sofort nach, doch dürfen nicht. „Anscheinend hat sie aber sehr eilig nach Hause zu kommen. Ich glaube immer mehr, dass e ihr hier um etwas anderes geht als um eine Freundschaft mit dir!“ „Man mom, jetzt hör doch endlich mal auf auf ihr rum zu hacken!Dass sie weg ist, hat doch einen ganz anderen Grund. Ich würde auch wegrennen, wenn ich mir das eben hätte mit anhören müssen! Und ich weiß, anfangs habe das gleiche geglaubt aber das stimmt nicht! Verstanden?!“ Genervt stapft er ins Gästezimmer und schmeißt die Tür hinter sich zu. Seine Mutter tut es ihm gleich, nur mit ihrer eigenen Tür. Ich habe die Blicke des Jungen natürlich noch bemerkt, doch ich wollte nicht stehen bleiben. Dafür ist das heute ein viel zu schöner Tag. Am Tag fällt es mir viel leichter in meine Wohnung zurück zu kehren. Die Fahrt dauert nur so ungewohnt und ewig lange. In der Zeit kann ich sogar richtig anfangen mich auf die Wohnung zu freuen. Natürlich, ich bin immer noch allein aber wenigstens kann ich mich so mit niemandem streiten. Der Traum nach den Haustieren ist nur noch stärker geworden. Das erste was ich tun muss ist mal ordentlich aufzuräumen und zu putzen! Den Kühlschrank muss ich leider auch ausräumen. Das alles kostet mich bestimmt den halben Tag, auch wenn es nur eine Einraumwohnung ist. Ich fühle mich so voller Energie, das ist so selten geworden. Dafür muss ich den beiden wohl danken. Ich denke mal, auf Arbeit gehen würde nun eh nichts mehr bringen und irgendwie hoffe ich auch, dass Tala sich darum gekümmert hätte. Genau zu der Zeit macht sich die Brünette aus dem anderen Haushalt große Vorwürfe. Der streit ging ihr sehr an die Nieren. Sie will sich ja irgendwie entschuldigen aber glaubt, sie hätte noch immer Recht. Sie kennt ihren Sohn ja wohl gut genug, um das einschätzen zu können. Oder vielleicht doch nicht? Nach langem überlegen, entschließt sie sich doch mal in seinem Zimmer nachzusehen. Als sie die Tür öffnet, liegt nur niemand auf dem Bett. Als nächstes fällt ihr sofort das Badezimmer ein. In der Hinsicht kann er schon mal zum Mädchen werden. Doch auch da ist niemand, sie glaubt, er wäre schon da gewesen, denn alles im Bad ist sauber. Beim genauerem überlegen fällt ihr aber auch ein, dass ich das hätte machen können. Ihr Blick schweift ab, zur Sommervoliere, doch auch da ist er nicht. Ein paar der Kleinen fehlen dennoch. Da bleibt ja nur noch ein Zimmer übrig, das Gästezimmer. Er sperrt zu ihrem Glück nie ab, egal wie wütend er ist. Endlich hat sie ihn gefunden. Er liegt auf dem Bett, mit dem Rücken zu ihr gewandt. „Hey Tala …“, spricht sie ihn zaghaft an. Er reagiert nicht, also nähert sie sich ihm vorsichtig. Sie erkennt, dass er ein neues Handy in der Hand hält und einen Zettel. „Tut mir leid. Das alles war nicht so gemeint, das weißt du doch oder? Außer die Tatsache, dass sie ein falsches Spiel mit dir spielt. Das musst du doch auch langsam mal einsehen. Wir streiten uns doch nur noch.“ Wieder reagiert er nicht. Sie setzt sich behutsam auf die Bettkante. Er legt seiner Mutter lediglich einen Zettel hin. „Tut mir leid aber ich musste mich beeilen und danke!“, steht darauf. Nach langem überlegen legt er auch endlich das neu gekaufte Handy zur Seite. „Vielleicht hast du ja Recht aber sage mal, wolltest du heute nicht eigentlich wieder arbeiten gehen?“, lenkt er ab und macht sich über die Frau lustig. „Eben, außerdem wart ihr ja eh nie richtige Freunde.“ Nur den anderen Satz lässt sie sich nicht gefallen. Als wäre er noch ein kleines Kind, pikst sie ihm in die Seite. „Mom hör auf,ich bin nicht mehr zwölf!“, und doch muss er lachen. „Du kleiner Frechdachs, du! Suche dir doch lieber selber mal Arbeit!“ Als sie endlich von ihm lassen kann, schaut sie auf das neue Handy. „Das habe ich ihr eigentlich gekauft aber was soll's, dann behalte ich es eben. Außerdem spare ich mir so nur das Geld für … naja für so Dinge eben.“, will er ihr einfach nicht verraten. Sie stimmt ihm einfach zu, obwohl sie keine Ahnung hat wovon er spricht. Dann erhebt sie sich endlich und geht den Wocheneinkauf besorgen. Der Rotschopf sieht seiner Mutter noch eine Weile nach. Verträumt rutschen die Worte nun auch über seine Lippen, „Wie sie schon sagte … wir waren nie Freunde.“ Dabei denkt er jedoch an alles, was bisher passiert ist. Ich habe ihm vertraut, als er bei mir hinter den Containern hockte. Hat das wohl gar nichts zu sagen? Überhaupt nichts? Solche Gedanken will er gar nicht erst haben, also erhebt er sich und schüttelt sich alles aus den Kopf. Im Supermarkt lasse ich mir gerade so richtig schön viel Zeit. Ich habe ja genug Zeit und einkaufen macht mir Spaß, doch der ehrliche Grund ist einfach, dass ich bei meinem Lohn immer aufpassen muss, was ich kaufe. Ich achte streng auf die Preise. Mir fehlen jetzt noch Salat, Tomaten, Brot, … Ganz in Gedanken versunken arbeite ich eins nach dem anderen ab. Nach einer halben Stunde stehe ich noch immer vor dem Regal für Brote. Wenn das so weiter geht, bin ich heute sicher nicht mehr zu Hause. Da nicht nur ich gedankenverloren durch die Gänge spaziere, sondern auch andere Frauen, stoßen wir öfter mal zusammen. Es ist unfassbar, wie viele Frauen mir in der Hinsicht doch ähneln. So wie eben beschrieben, passiert es nun auch. Die beiden Einkaufswagen verkeilen sich richtig ineinander. Die Frau mir gegenüber scheint es nicht mal zu merken, denn ihr Druck lässt in keiner Sekunde nach. Ich kann mein Gleichgewicht nicht mehr länger halten und falle halb um, dabei überfährt die Frau mich fast. Ich spüre eine gewisse Feuchtigkeit an meinem Fuß. Blut. Das rückt schnell in den Hintergrund, als meine Frage, wer diese Frau nun sei, von ihrer Stimme gelüftet wird. „Hey du! So langsam reicht es mir!“, fährt sie mich an, im wahrsten Sinne des Wortes. Sofort erkenne ich die Stimme. Natürlich, es konnte ja seine Mutter sein, Tala's Mutter. Erschrocken schaffe ich es endlich, mich zu erheben, doch bleibe dann starr stehen. „Hör mal, du bist wirklich dreist einfach abzuhauen ohne auch nur ein Wort zu sagen. Weißt du überhaupt welche Gedanken wir uns gemacht haben? Nein richtig aber eins steht jetzt endlich mal fest: Mein Sohn will kein einziges Wort mehr mit dir wechseln, du bist für ihn gestorben. Ihr wart nie Freunde und werdet es auch NIE sein! Wehe du lässt dich noch mal bei uns blicken!“, warnt sie mich zornig, bissig. Ich verstehe nichts mehr. Alles in mir ist erstarrt, bis auf meine Gedanken. Was? Wieso? Was habe ich denn getan? Ich habe doch den Zettel da gelassen. Was hätte ich denn machen sollen? Mich in den Streit einmischen? Und dann? Wäre doch sicher auch wieder falsch gewesen. Ich verstehe nichts mehr, einfach nichts mehr! Man hätte doch in Ruhe darüber reden können aber nein, da schickt er doch wirklich seine Mutter vor, um mir das zu sagen. Bin ich ihm so zu wider, dass er mir das nicht mal selber sagen kann? Eigentlich dachte ich, inzwischen wäre alles ok aber da habe ich mich ja mal so richtig getäuscht. Damit kann man einen so schönen Tag also kaputt machen. Im Moment schaffe ich nicht mal mehr mich richtig zu bewegen, geschweige denn sprechen oder normal Atmen. Stumm nicke ich. Aus der Frau ist nun all ihre Wut draußen, das kann sogar ich sehen. Außerdem versteht sie sich wieder blendend mit ihrem Sohn und hat genau das getan, was auch in seinem Sinne ist, was ein Grund mehr für sie ist, sich zu freuen. Sie glaubt wirklich fest daran und hält daran fest. Ohne nochmal einen Blick an mich zu verschwenden geht sie. Ich hingegen weiß nicht mehr so recht weiter. Ich habe sogar ganz vergessen, was ich hier überhaupt alles wollte. Ihre Worte liegen mir schwer im Magen. Mir ist etwas schlecht nach alle dem. Ein paar Frauen und auch Männer, stehen um mich herum oder sehen mich missmutig an. Ich kontrolliere mich und setze ein ganz akzeptables Lächeln auf. Ich kann sie schnell beruhigen. Sie glauben mir, dass alles ok ist. Doch so ok ist das alles dann wohl doch nicht. Ich muss mich wirklich stark konzentrieren nicht einfach in Tränen auszubrechen. Es ist schwer gegen all meine Fragen im Kopf anzukommen. Innerhalb der nächsten Stunde bin ich draußen, das war mir heute genug Wirbel um nichts. Eins steht für mich nun auch fest: es war ein Fehler da jemals aufzutauchen und nochmal werde ich da nicht hin gehen. Innerhalb der nächsten Wochen passiert im Haus rein GAR NICHTS. Tala verbringt seinen Tag immer nur im Zimmer und zockt irgendwelche Spiele, kümmert sich ab und an um die Tiere und isst immer brav mit. Ihn quält also die pure Langeweile! Seine Freunde melden sich auch kein einziges mal bei ihm, geradezu so, als würde er nicht dazu gehören. Sobald seine Mutter von der Arbeit zur Tür herein weht, fragt er sofort nach der Post. Er will unbedingt, dass etwas mit dabei ist. Nur konnte die Frau nie etwas neues erzählen. Nicht mal die Frettchen haben Lust mit ihm zu spielen. Sie wollen ihn ja nicht mal beißen und DAS ist wirklich eigenartig. Er fragt sich langsam, was sie gegen ihn haben. In einer einzigen Nacht bekam er im Schlaf ein komisches Gefühl. Es umgab ihn die ganze Zeit über, im Bett und im Traum. Dadurch wacht der Rotschopf mit einem Schreck auf. Er lässt sich gekonnt nichts anmerken und schaut vorsichtig zu seinem offenem Fenster heraus. Er kann sich kaum vorstellen, dass sich jemand die Nacht um zwei in den Wald begibt nur um ihn zu sehen aber sein Gefühl sagt ihm da etwas ganz anderes. Nur ungern will er es zugeben, doch sein Gefühl liegt diesmal vollkommen falsch. Am nächsten Morgen will er es dann doch genauer wissen. Es hat die Nacht in strömen geregnet, da hätte zumindest eine Fußspur zurück bleiben müssen in dem weichen Rasen oder auf den Wegen. Egal wie sehr er den Innenhof absucht, da ist nichts, rein gar nichts. Geradezu gespenstisch. Erst als er wieder nach drinnen gehen will, bemerkt er einen kleinen Stofffetzen an einer der Pflanzen auf ihrer Terrassen. Obwohl er jetzt den Fetzen bei sich hat, hilft ihm das reichlich wenig weiter. In der Zwischenzeit hatte ich das Glück mal wieder zum Arzt zu müssen. Die Sache mit dem Fuß war wirklich alles andere als harmlos. Die Nacht über ist es schlimmer geworden, als ich dachte. Hinterher stand auch fest warum. Warum gehe ich überhaupt zum Arzt? Die machen nur alles schlimmer als ich es gebrauchen kann! Bloß deswegen muss ich jetzt auch an diesen dummen Stock gehen! Auf Arbeit glaubt mir doch eh schon keiner mehr und erst recht nicht, wenn ich denen erzähle wie das passiert ist. Mit einem Einkaufswagen, ja sicher. Klingt unglaublich glaubwürdig. Ich wundere mich ja selber, wie dadurch mein Fuß hat brechen können. Nun ja, was soll's. Jetzt ist es eben so und ich kann nicht dagegen tun, also durchhalten! Verärgert schleppe ich mich Heim. Am Wochenende will der junge Mann unbedingt mal wieder etwas machen, vollkommen egal was, Hauptsache raus. Ihm wird von Tag zu Tag nur langweiliger. Also, was macht man als Kerl wenn man allein ist und nicht weiß, was man tun kann. Genau, man geht shoppen, zumindest macht Tala das immer so. noch ehe er überhaupt dazu kommt, trifft er an einer der Haltestellen seine neue Bekannte, oder ehemalige Bekannte. Er weiß selber nicht mehr, was er denken soll. In ihm steigen jegliche Gefühle auf, die er wohl so gegen mich aufzubringen hat. Wut. Hass. Enttäuschung. Das alles verbunden mit nur einer einziger Frage: kann man sich wirklich so sehr in einem Menschen täuschen? Sie hat sich nun seit ein paar Wochen nicht mehr gemeldet, kein einziges mal. Nicht mal die Sachen konnte sie zurück bringen. Mom hat wirklich recht, ich sollte mir vorher im Klaren darüber sein, dass niemand mit mir befreundet sein will. Es hat eben immer seinen Grund, seinen Nutzen, warum man mich ansprechen sollte. Trotzdem … ich wüsste nur zu gern was sie so unbedingt wollte. Also lässt er sich von seiner Neugierde aber vor allem von all seiner Wut treiben. Ich selber merke ich gar nicht, ich merke eigentlich nichts mehr in meiner Umgebung, es strengt viel zu sehr an all meine Wege zu humpeln. Genau so wie ich es gerade auch tue. Dann legt aber jemand seine Hand von hinten auf meine Schulter und dreht mich bestimmend zu sich um. Ich erschrecke mich dabei halb zu Tode. Ich zucke so scharf zusammen, dass sogar er sich wundert. „Kannst du mir bitte mal erklären was mit dir los ist! Was zur Hölle habe ich dir getan, dass du mich ignorierst? Und warum kommst du nicht einfach vorbei, wenn du ein Problem mit mir hast?“, klefft er mich hitzköpfig an. Im ersten Moment schrecke ich zurück. Ich meine, wovon spricht er da eigentlich? Ich fühle mich langsam wirklich verarscht und habe keine Kraft für so etwas, schon allein durch das ständige humpeln und meine unerwartet schlimme Erkältung. „Was ist denn jetzt schon wieder kaputt? Woran bin ich jetzt schon wieder schuld?“, kann ich nur schwach schniefend von mir geben. „Ganz einfach, du bist genauso ignorant und arrogant wie die anderen. Wenn du ein Problem mit mir oder meiner Familie hast, dann sage es doch endlich einfach!“, wird er immer wütender. Erst als er mal richtig hinschaut, bemerkt er auch die kleinen Tränen in meinen Augen. Mit einem einfachem Kopfschütteln verschwinden diese sofort. „Hör mal, ich habe jetzt keine Zeit! Ich muss mich beeilen, da ich gerade von der Arbeit komme.“ „Was hast du denn so dringendes zu tun, dass du mir nicht mal meine Fragen beantworten kannst? Du willst doch nur flüchten! Wenigstens die Sachen könntest du ja mal zurück bringen!“ Das war einmal zu viel, ein Kommentar zu viel. Eine Aufforderung zu viel. Ich bin zwar krank aber das lasse ich mir nicht gefallen. Ich lasse meinen Gefühlen nun auch mal freien lauf, so wie er das immer macht. „Okay, bis hier hin und nicht weiter Junge! Es reicht, es reicht einfach! Ich weiß echt nicht an was ich noch schuld sein soll, vor allem nicht, wenn ich nicht mal weiß, was der Grund dafür ist! Ich habe mich nur an deine Forderungen gehalten. Ich soll mich nie wieder blicken lassen, okay, gut, fein, mache ich aber dann beschwere dich auch nicht! Die Sachen habe ich letztes Wochenende zu euch geschickt, damit das auch mal klar ist! Was ich jetzt noch vor habe? Nein, ich flüchte nicht, ich gehe arbeiten!“ Dankeschön, das war vielleicht etwas zu laut aber hat geholfen. Ich fühle mich sehr erleichtert, endlich! Ich warte gar nicht erst auf eine Reaktion von ihm, drehe mich um und humple zur Bahn. Wie jetzt? Was?! Was soll das für eine Forderung sein? Warum weiß ich von so etwas gar nichts? Und wieso geht sie schon wieder arbeiten, wenn sie doch eben erst von da kommt? Ihre Ausreden werden ja immer schlimmer! Diese Erklärung reicht ihm nicht. Also tut er genau das gleiche nochmal. Er reißt richtig an meiner Schulter. Noch eine Verletzung kann ich eigentlich gar nicht gebrauchen. „Ich glaube dir kein Wort! Bei uns ist nichts angekommen und warum solltest du zweimal arbeiten gehen? Was hast du eigentlich schon wieder angestellt, dass du nicht mal vernünftig laufen kannst?“ Meine Stimme senkt sich wieder, sogar so sehr, dass er genau hinhören muss, um mich zu verstehen, „Ganz einfach: Ich habe deinen Rat befolgt und den Kerl auf alles verklagt, auf was ich ihn verklagen kann. Dafür brauche ich aber einen Anwalt und die sind wie gewohnt nicht gerade billig. Was mit meinem Fuß ist, geht dich meiner Meinung nach absolut nichts an aber nur zur Info, ich habe da noch eine Familie gefunden, die Frettchen züchtet. Die haben zum Glück nichts gegen mich und sind noch dazu sehr freundlich. Da gehe ich inzwischen immer hin, wenn ich Zeit habe. Außerdem war ich beim Psychologen, damit ich dich nicht nochmal nerve, von wegen ich will nicht allein sein. Was interessiert es dich überhaupt was passiert ist! War es etwa nicht deine Aussage, dass wir eh niemals Freunde sein werden? Wenn wir keine Freunde sind, dann HAT dich das auch gar nicht zu interessieren!“ Wow, einmal angefangen und ich kann gar nicht mehr aufhören. Ruhig Tiara, ruhig! Sein Kopf raucht. Er muss erst einmal alles in seinem Kopf sortieren. Er hat mir doch nie erzählt, dass er mich nicht mehr sehen will und er hat niemals gesagt, dass er ein Problem damit hatte, dass ich lieber zu ihm wollte, nach allem was passiert ist. Außerdem hätte er mir doch den Anwalt bezahlt, wenn ich nur mal ein Wort gesagt hätte. Da läuft also gerade einiges schief und das gefällt ihm überhaupt nicht. Als er mich aber fragen will, wer mir den ganzen Schwachsinn doch erzählt hat, bin ich bin ich bereits weg. Ihm kommt da allerdings schon eine Idee und diese soll ihn nicht enttäuschen! Bei sich zu Hause, schmeißt er alle eingekauften Sachen auf sein Bett und stellt sofort die besagte Idee zur Rede. Wobei reden … „MOM!“, brüllt er schon von weitem. Sie füttert eben die Kleinen. Doch bei der Wut, die ihr Sohn ausstrahlt und ungehemmt von sich gibt, verkriechen sich alle Tiere sofort in ihren Löchern. „Was hast du denn?“, will sie unschuldig wissen. „Ich brauche jetzt echt keine Erklärungen aber sage mir nur eins: habe ich in letzter Zeit ein Paket bekommen?!“, fragt er noch recht sachte, doch mal spürt die Spannung deutlich. Ihre Antwort kommt viel zu stockend, beziehungsweise am Ende sogar gar nicht. Die Frettchen werden neugierig, als würden sie den beiden zuhören. Alle schauen aus ihren Höhlen. „MOM! Ich schwöre dir, wenn du nicht bald antwortest, dann drehe ich durch! Ist es nun so? Habe ich eins bekommen oder nicht?!“, wird er schon ein wenig lauter. Verzweiflung macht sich in der Frau breit, „J-Ja aber ich dachte nur …“ Sich mit beiden Händen an den Kopf greifend, unterbricht er sie, „Was dachtest du? Sage schon! Du kannst nicht gedacht haben, so einfach sieht das aus! Jetzt gib es mir, sofort!“, befielt er streng. „Es ist unter meinem Bett.“, erklärt sie ihm ganz, ganz leise. Ihm ist vollkommen klar, wenn sie schon so weit gehen würde, seine Pakete zu verstecken, dann würde sie auch in seinem Namen sprechen. Er weiß allerdings noch nicht so genau, ob er seiner Mutter auch zutrauen kann, ihr ihren Fuß gebrochen zu haben. Jetzt zählt jedenfalls erst mal nur das Paket. Mit vollem Eifer und genauso voller Wut zerreißt er es beinahe in alle Einzelteile. Darin befinden sich alle Sachen, die er ihr gegeben hat, einschließlich des Haarbandes. Sorgfältig nimmt er alles heraus und sieht sich die Kleidung an. Es kommt ihm so bekannt vor und das nicht nur, weil er es mir gekauft hat. Als er sich dann als letztes den Rock betrachtet, fällt es ihm endlich auf. Da kauert auch schon Cleo neben ihm mit einem kleinen, farbigen Stofffetzen im Maul. Er breitet den Rock auf dem Holzboden aus und das kleine Frettchen legt den Fetzen genau in die Lücke. Jetzt war alles für ihn vorbei, er fängt an zu verzweifeln. Sie war hier, sie war in dieser einen Nacht hier, in der ich mich beobachtet gefühlt habe. Sie hat sich nicht mal mehr getraut tagsüber her zu kommen. Sie … Sie hat Angst vor mir. Warum kommt sie auch mitten in der Nacht, gerade dann wenn es drau0ßen schüttet hier her?! Wenn ich das nur eher gewusst hätte, dann hätte ich doch nie etwas gesagt! Er macht sich vorwürfe und das nicht gerade wenige, nur leider zurecht. Jetzt kann er sich auch erklären woher meine Erkältung kommt. Energisch folgt er samt dem Paket den Weg zurück. Die Frau hat sich inzwischen in der Küche verkrochen. „Okay, ein was MUSS ich noch wissen. Ist es deine Schuld, dass sie sich ihren Fuß gebrochen hat?“ Hellhörig werdend, schaut sie auf, „Sie hat sich ihren Fuß gebrochen? Mein Gott, dass hätte ich doch nie gewollt. Da war ich wohl etwas zu stürmisch.“ Sie musste nicht mal richtig aussprechen, da verschwindet Tala schon im Gästezimmer. Er lässt sich missmutig auf das Bett fallen. Cleo folgt ihm, noch immer den Fetzen im Maul tragend. An einem wunderschönen, sonnig entspannten Mittwoch muss ich mal wieder einkaufen. Ich hoffe nur, dass mir jetzt nicht auch noch der zweite Fuß gebrochen wird. Alles läuft großartig und ich komme schon in die Versuchung zu grinsen, da ist mir auch vollkommen egal, dass ich gerade zwei volle Tüten schleppen muss. Ach was soll's, an einem Tag wie heute freue ich mich mal wieder, na und? Die letzten so heftigen Sonnenstrahlen will ich einfach ausnutzen können. Ich genieße es so richtig, denn laut Wetterbericht sollte es bald anfangen zu schneien. Also, der Umwelt zuliebe, gehe ich den Umweg durch den Park. Sobald ich mich auf eine der Bänke da setze, ist es sogar noch viel schöner. Leider muss ich ja irgendwann mal los. O gegen 17 Uhr mache ich mich endlich auf den Weg. In der ganzen Zeit eben, konnte ich endlich mal den ganzen Stress und den Ärger fallen lassen. Sobald ich an der Bahn bin, setze ich mich zu dem alten Mann. Den kenne ich inzwischen recht gut. Er scheint nichts besseres mehr tun zu haben, als den ganzen Tag da zu sitzen und die Leute in seiner Umgebung zu beobachten. Bis die Bahn endlich kommt, unterhalten wir uns ein wenig. Es dauert ja eh nur noch drei Minuten. Immerhin hilft er mir immer beim einsteigen. Nur diesmal, diesmal regt er sich nicht. Da ich mir nicht erlaube ein Privileg auf die Hilfe von jemandem zu bekommen, versuche ich selber zurecht zu kommen. Ich drücke einfach den Knopf und stelle eine Tüte nach drinnen, als die Tür auch schon anfängt zu piepen und gewillt ist sich zu schließen. „Mist!“, fluche ich aus versehen. Gerade als ich schon aufgebe, hält mir doch noch jemand die Tür auf. Er muss etwas kräftig drücken, damit es funktioniert. Unglaublich schnell bemerke ich, wer es ist. „Ich habe jetzt keine Zeit für noch mehr Stress!“, entweicht mir, als ich erschöpft pruste. Stur, ohne ein Wort zu sagen, nimmt er die zweite Tüte und stellt sie zur ersten. Gleich darauf hilft er mir hinein. Ich bin noch immer tierisch sauer auf ihn und das darf er auch ruhig wissen. „Ich bin nicht behindert und wie bereits gesagt, ich kann auf den ganzen Stress verzichten!“ „Wo hast du denn bitte Stress?“, reagiert er genauso und beißt sich sogleich auf die Lippe. „Da fragst du noch? Du!!!“, senke ich meine Lautstärke, jedoch nicht meine abgeneigte Haltung zu ihm. Darauf folgt keine Antwort. Erst nach ein paar Minuten versucht er es nochmal. „Man, da ist man mal fünf Minuten weg und genau da tauchst du auf. Das ist nicht fair!“ Er weiß genau, wie sehr das doch Wirkung zeigen würde. Ich merke wie ich rot anlaufe und fixiere sofort den Boden. „Hast du – Hast du etwa die ganze Zeit über gewartet?“ Eine ungewohnt zaghafte, eher sogar traurige Antwort folgt, „Ja, ich konnte einfach nicht mehr allein zu Hause herumsitzen. Ich hasse es allein sein zu müssen.“ Langsam lasse ich mich doch weich klopfen und lasse mich auf ein Gespräch mit ihm ein, „Warum … hast du so lange gewartet?“ „Weil ich mit dir reden wollte aber nicht – nicht hier.“, flüstert er mir ins Ohr. Er weiß genau was er da tut. Ich versuche weiterhin arroganz zu wirken und so ziehe ich meine Nase einfach und die Höhe und sehe weg. „Was denn, will du mir wieder Vorwürfe machen?“ Zu meinem Unglück nimmt genau in dem Moment die Bahn unerwartet eine scharfe Kurve und ruckelt dabei so sehr, dass ich mich nicht mehr halten kann. Tala nimmt die Gelegenheit sofort wahr und schlingt einen Arm um mich. Er zieht mich recht eng an sich heran. Wie zu erwarten freut ihn das, es kam ihm genau zur rechten Zeit. „Nein, es ist eher das Gegenteil.“, haucht er mir nun schon nur noch ins Ohr. Diese unbekannte Nähe brennt in mir. Wie soll ich da noch entgegen halten können? Er hält mich mehr fest, ich soll ihm noch näher kommen. Mir wird es fast unmöglich mich zu bewegen. Ich merke wie die anderen uns anstarren aber ihm ist das egal. Mit seinem anderen Arm hält er sich an einer Schlaufe über ihm fest. Ich wusste gar nicht, wie stark sein Griff sein kann. Er lässt mich die ganze Zeit über nicht mehr los. Eng an eng bekomme ich kein Wort mehr heraus. Ich schaffe es nur gerade so meine Zähne auseinander zu bekommen, als wir an der richtigen Station sind. Normalerweise wird das Aussteigen für mich immer zu einer Tortour, doch seine Hilfe hat ja irgendwie schon seine Vorzüge. Es ist gerade mal über die Straße rüber, dann stehen wir auch schon vor der Haustür. Als ich ihm die Tür auf halte und ihn mal ansehe, bemerke ich wie nervös er ist. „K-K-K-Kann ich vielleicht – vielleicht mit hoch kommen? H-Hier unten will ich darüber nicht sprechen.“ Dabei halte ich ihm doch nun schon wirklich lange genug die Tür auf. Natürlich nicke ich, damit er sich auch sicher ist. Ich muss nur noch nach der Post schauen und dann laufe ich ihm auch schon nach, korrigiere, humple auf einem Bein. Wie komisch, er läuft vor obwohl er gar nicht weiß, wo er hin muss. Als ich ihn dann im dritten Stockwerk vorfinde, kann ich nur über ihn lachen. Ich zeige lediglich mit einem Finger nach oben und er weiß Bescheid. „Schaffst du das?“, muss ich einfach sticheln. Doch er lässt es sich wie gewohnt nicht gefallen und antwortet genauso schnippisch, „Das solltest du lieber dich fragen!“ „Hey! Ich brauche zwar etwas länger als du aber die Höhe war noch nie ein Problem für mich.“, werde ich wieder böse. Er wirkt sofort beunruhigt. Ziel erreicht. Sobald ich oben bin wirke ich dennoch erschöpft. Eine perfekte Vorlage für ihn. „Hätte ich dich vielleicht auch noch tragen sollen?“, macht er sich sofort lustig. Von mir ertönt nur ein kleines knurren, wieder wird er mucksmäuschenstill. In der Wohnung erlebt er wohl so etwas wie einen Schockmoment. Er fragt sich, wie ich mir das alles wohl leisten konnte. Er ist überwältigt. In meiner kleinen aber feinen Wohnung steht zwar nicht viel aber er kennt sich ja aus. Er weiß wie teuer so eine Einrichtung sein kann. „Hast du das alles selber bezahlt?“ „Geht dich nichts an!“ Etwas erschrocken zuckt er zurück und ist still. Ich stelle die Tüten in der Küche ab, eine nach der anderen packe ich aus. Tala wird eiskalt von mir ignoriert. Er beobachtet mich ganz genau, ist ja auch schwer zu übersehen. „Du hast kein Fleisch gekauft, wirklich gar nichts. Bist du Vegetarierin?“ „Geht dich nichts an.“, keuche ich. Er setzt sich halb auf den Tisch und wartet und wartet und wartet bis ich fertig bin. Ich lasse mir extra viel Zeit, in der Hoffnung, dass er heute wenigstens noch etwas vor haben würde. Als es nicht mehr vermeidbar wird, fällt mir ein, dass ich ja noch ins Bad könnte, um mein Bein neu zu verbinden. Leider muss ich dafür an ihm vorbei, genau dann hält er mich auf. Er greift nach meinem Arm und lässt mich nicht mehr los. Wieder wartet er, bis ich mich freiwillig umdrehe. Eine Weile lang sehe ich ihm einfach nur ins Gesicht. Seine Augen sind so rot unterlaufen. Ob er wohl … ob er geweint hat? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Leider liege ich mit meiner Vermutung vollkommen richtig. Als er vor einer Woche erfuhr, dass ich ihn nachts besucht habe, war er am Ende mit seinen Nerven. Er konnte sich bis dahin nicht vorstellen, welche Angst er in mir ausgelöst haben kann, dass ich mich nicht mal mehr getraue zu seinem Haus, zu seiner Familie aber vor allem zu ihm zu kommen. Solche Gedanken zerreißen ihn innerlich, sie sind einfach unerträglich. Obwohl er jetzt hat, was er von mir wollte, nämlich meine Aufmerksamkeit, so tut er nichts. Nach Minuten des stillen Anschweigens, frage ich leise nach, „Was ist? Was hast du denn und warum wolltest du mit mir reden?“ Daraufhin kommt der Rotschopf mir ungewohnt nahe. Er muss sich ein Stück zu mir runter beugen und legt dann seinen Kopf über meine Schulter. Mit beiden Armen umschließt er mich, fest. „Tut mir leid. Ich wüsste nicht, was meine Mutter getan hat. Ich …“ Eine meiner Hände kann ich gerade so zwischen ihn und mich fädeln. Damit greife ich ihm einfach in sein Haar und wuschel etwas darin herum. „Eine einfache Erklärung hätte es auch getan.“, erkläre ich ihm ruhig, flüsternd. Sofort lässt er mich los, rot werdend, sogar so schlimm, dass er sich von mir abwendet. Nervös starrt er an die Decke und stottert irgendetwas vor sich hin. Ich strecke ihm einfach eine Hand entgegen und frage ihn, während er noch von mir abgewandt da steht, „Freunde?“ Nach weiteren Minuten des sinnlosen Gestottere realisiert er endlich meine Worte. Ich muss mir schon mühe geben nicht zu lachen. „Klar doch!“, nimmt er erleichtert an. Endlich!!!
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