„Sage mal, willst du dein Foto wirklich so abgeben?“
Meine Blicke unter der Kapuze gehen zu ihm. Ich nicke. „Er wird es so bestimmt nicht akzeptieren. Willst du etwa, dass …“, noch bevor er komplett ausspricht hat er seine Antwort. Ich grinse nur noch breiter als zuvor schon. „Erst ich, dann der Lehrer und jetzt noch der Streber? Du kannst es echt nicht lassen oder?“, dabei jedoch lacht er und das sogar mehr als ich. Ich zucke nur mit meinen Schultern. In seinem Kopf allerdings sieht es so aus, Eigentlich … hätte es mich wesentlich schlimmer erwischen können mit meinem Banknachbar. Lys findet ihn auch, wie sagte er, amüsant? Und so etwas bekommt man selten von ihm zu hören. Stelle sich nur einer vor der Streber … nein lieber nicht! Obwohl wir nun schon bei der Schule angekommen sind, schweigend, fällt ihm plötzlich etwas ein, „Sage mal, das Tattoo auf deinem Fuß … Stehst du auf die?“ Wann soll er das denn gesehen haben? Es ist so klein und … im Sportunterricht!!! Aber selbst da hätte man genau hinschauen müssen … eigenartig. Wo genau war er überhaupt, als alle Abstand genommen … „Und du hast das Theater in Sport wegen so etwas angezettelt? Wäre es nicht einfacher gewesen ein Attest zu fälschen? So mache ich das zumindest immer wenn ich keine Lust habe.“ Ich war beim Militär … sicher, da ist eine Entschuldigung natürlich einleuchten!, *sarkasm* Endlich erinnere ich mich wieder ganz daran. Er saß auch schon immer so, dass er hinter mir war. Er muss nahe genug herangekommen sein, um mich zu verstehen und da hat er wohl auch das Tattoo gesehen! Natürlich! Vor dem Eingangstor der Schule bleiben wir beide stehen. Abgelenkt wie ich bin, greift er einfach nach der kleinen Plastiktüte. Er reißt sie mir halb vom Handgelenk und stellt erneut fest, dass sie ihm zu dünn sind. Gleichzeitig dreht er sich um und steht mir nun direkt gegenüber. „Wusste ich es doch, du stehst tatsächlich auf sie! Zur Abwechslung … gibt es also mal jemanden mit Geschmack auf der Schule! Und ach ja: Das nächste Mal werde ich dich mit Sicherheit im Spiel schlagen! Verlass dich drauf!“ Das meint er tatsächlich ernst?! Das schafft er nie, egal was er macht! Lächerlich, einfach lächerlich der Junge! Er wirft mir von weitem die CD zu und verschwindet dann auch schon in der Dunkelheit. Es ist das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, dass ich jemanden aufhalten will. Mit einer Hand greife ich danach, doch nur Luft. Ich komme zu spät … wie immer. Ich wollte doch nur endlich seinen Namen wissen. „Hmm … Tja … da kann man wohl nichts machen.“, spreche ich mit mir selber. Sobald ich mich wegdrehe, auf dem Weg nach Hause, in genau die entgegengesetzte Richtung, klingelt das Handy in meiner Tasche. Ich kann mich nicht mal daran erinnern es da hineingesteckt zu haben. Mit einer Bewegung rotiert es einmal in meiner Hand, ehe ich den Knopf zum anschalten betätige. Da ist eine SMS. Als ich sie öffne, steht darin nur ein einziges Wort. „Castiel.“ Als ich auf Home klicke verstehe ich endlich. Ich habe keine Halbnackten als Hintergrund und noch dazu ein Bild von der Neuen!!! Geht’s denn noch?! Das ist nicht mein Handy! Es ist nur das gleiche Modell. Ich frage mich, wann er die Chance dazu hatte sie zu vertauschen. Er ist wirklich gut darin! Recht zufrieden mit diesem Tag kann ich endlich nach Hause gehen. Seitdem ist eine Woche lang vergangen. Viele Gespräche zwischen den anderen und mir gab es nicht mehr. Manchmal kamen Alexy, Armin und Kentin hinter in den Schulgarten aber ansonsten nichts. Nicht mal der Streber hat mich da gefunden. Ab und zu hat er vor oder nach dem Unterricht versucht die Unterlagen zu bekommen. Von Tag zu Tag wird er nervöser. Da macht ihm wohl langsam jemand Druck. Lustig! Langsam reicht es aber auch mir. Naja und manchmal hat auch der Rotschopf genervt aber er war ja fast nie im Unterricht. Die Stunden vergehen heute unerwartet schnell. Als ich in den Pausen den Rest abgeben will, hat der feine Herr Schülersprecher bereits Besuch. Erst darum betteln und dann doch keine Zeit haben. Genervt richte ich mich von meinem Platz auf, da setzt sich auch endlich wieder jemand neben mich. Die ersten 2 Stunden war er mal wieder nicht anwesend. „Na, haben wir heute schon brav unsere Unterlagen abgegeben?“ Erneut hört er mich nur genervt durchatmen. Meine 'Unterlagen' schmeiße ich lediglich auf den Tisch, mit seinem Handy tu ich es gleich. „Netter Hintergrund!“ Im ersten Moment weiß er gar nicht wovon ich spreche, doch gleich darauf fallen ihm fast die Augen raus. „O Gott, nein! Wie peinlich!“ Er versucht sich zwar hinter seiner Hand zu verstecken, doch ich sehe ihm trotzdem an wie peinlich ihm das ist. Jede sichtbare Stelle ist glühend rot. Diesmal ist das wirklich zu viel für mich. Ich lege mich wieder nach vorn auf die Bank, doch diesmal vor lachen. Es tut weh und schnürt Magen und Lunge halb ab. So stark wie jetzt habe ich glaube ich noch nie lachen müssen. Mir kommen dabei schon fast die Tränen. Dieses Verhalten ist so untypisch … es passt nicht zu mir … das bin nicht ich … Sobald es mir das zurück in meinen Kopf ruft werde ich schnell wieder ruhig, doch zu langsam als dass es die anderen nicht sehen könnten. Ich wische mir noch eben die kleinen Tränchen aus den Augen und richte mich dann wieder auf. Castiel versteckt sich weiterhin hinter seinen Händen. Fragende Blicke richten sich nach hinten, sogar sein bester Freund versteht nicht. Obwohl wir nicht viel miteinander gesprochen haben weiß ich, dass er heute wesentlich bessere Laune hat als letztens. Naja, auch in dem kleinen Shop wurde sie ja schon besser aber so gut wie heute nicht. Woher die wohl kommt? Darauf antworten würde er mir eh nicht, also frage ich gar nicht erst nach. Viel mehr erblickt mein gelangweiltes Herz ein neues Gesicht an der Tafel. Es gibt also einen neuen Geschichtslehrer. Ich konnte noch gerade so sehen, wie er der alten Neuen bedankend zugenickt hat. Was die wohl wieder mit dem zu tun hat? In meinem Kopf geht nur, Mach ich's oder mach ich's nicht? Mach ich's … „Tu es nicht! Der hat heute seinen ersten Tag. Reicht doch, wenn du alle anderen fertig machst!“, weist mich der neben mir zurecht. Obwohl ich auf der Bank liege, obwohl die Kapuze weit über meinen Kopf ragt und obwohl ich mich nicht bewegt habe … hat er gesehen woran ich denke. Erstaunlich! Ich fühle mich ertappt, drehe meinen Kopf lieber noch weiter zum Fenster und greife erneut nach einem Zipfel meiner Kapuze. Außerdem fehlen mir eh die Ideen. In Sport ist das viel einfacher, Geschichte hingegen mache ich recht gerne mit. Ich frage mich nur, ob er das vielleicht wegen der Neuen gesagt hat. Die scheint ja etwas mit dem Lehrer zu tun zu haben und gefällt ihm ja ganz offensichtlich. Als es dann endlich zur zweiten großen Pause klingelt, sieht man bei den anderen die Köpfe rauchen. Ich schaue dem genüsslich zu. Der neue Lehrer – was hier nicht alles neu ist?! - hatte gleich vier Stunden mit uns. Er musste zurechtkommen mit seinen Unterlagen, den vielen Schülern und wahrscheinlich auch sich selber. Irgendwann wurde er so nervös, dass er seine ganzen Zettel umstieß. Durch den aufkommenden Wind fliegt sofort alles auf den Flur. Es war so lustig sich das mit anzusehen, nur beim aufsammeln wollte ich nicht helfen. Unter all den Zetteln steckte auch ein Umschlag. Ich merke, wie sich Streberleins Schwesterchen dafür interessiert. Sie versucht ihn nicht mal abzugeben, sondern sich einzustecken. Was die wohl vor hat? So oder so löse ich mich von der Wand. Ganz einfach drücke ich mich mit einem Fuß davon ab, zutsche weiter an meiner erst gezogenen Milch und laufe ganz ruhig an ihr vorbei. Sie ist so froh über ihren Gewinn, dass ich da doch gleich mal etwas gegen tun sollte. Oder?! Sie merkt nicht mal, dass ich an ihr vorbei gehe, leicht meine Hand ausstrecke und ihr ihren Gewinn ohne Mühe aus der Hand reiße. Sie spricht noch eben mit ihren Freundinnen, als sie es endlich bemerkt. Nun bin ich es, der sich diesen Umschlag unter die Jacke steckt. Ich weiß, am liebsten würde sie schreien vor Wut aber das würde man ja jeder hören und sie müsse sich anfangen zu erklären. Das Blondchen hat mehr Hirn als ich dachte – sie schweigt. Meine Mundwinkel zucken und ich kaue weiter auf dem Strohhalm herum.
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