„Okay, welche willst du?“
„Die wirklich neuen sind nicht mit drin oder?“ „Was? Hmm, lass mal schauen …“, mein Blick hebt sich kurz, ertastet das Schaufenster samt der Sicherheitsvorkehrungen und der Kunden. Hmm … die Kunden … „Doch, geht klar. Du musst nur die Mädels ablenken, Bro.“ „Das packe ich schon.“, freut er sich schon jetzt. Tja, was ich sage ist eben Gesetz, so ist das halt. „Lex, du wartest am Regal, zwischen Kasse und all den Kunden. Sind gerade viele da, da wird’s einfach.“ Was ich damit meine? Es gibt nichts einfacheres als in der Masse unterzugehen. Die neuen Spiele sind aus Sicherheitsgründen in Vitrinen verschlossen. Sie werden den Kunden direkt in die Hand gegeben mit einem kleinen Schein, auf dem der Name des Kunden, das Spiel und der Preis steht. Damit müssen sie dann zur Kasse und da bezahlen. Wenn da der falsche Name oder das falsche Spiel drauf stehen würde, bäääm, bekommen sie das Spiel nicht. Wir haben nicht vor zu kaufen, also läuft das wie folgt: Ich lenke einen der gewillten Käufer auf dem Weg von Vitrine zur Kasse ab, indem ich ihn oder sie vielleicht Fragen über dieses und dann über andere Spiele stelle. Dabei nehme ich ihm oder ihr das Spiel im geeignetsten Moment ab und sorge dafür, dass ich mal kurz von meinem Gesprächspartner weg komme. Also gehe ich auf die andere Seite des Regals, ich meine des Regals, an dem Lex schon wartet. Ich gehe da hin, um dem Käufer ein anderes gutes Spiel zu holen, was ich ihm „nur empfehlen will“, entferne dabei den Magnetstreifen, und stecke es meinem Großen beiläufig in die Hosentasche. Fertig! Die Unterhaltung wird dann bald darauf beendet. Schlecht nur, dass dieser Trick meist nur einmal klappt, weil dann schließlich Panik ausbricht. Der Käufer fragt meist ziemlich laut und viele Leute, ob wer das Spiel gesehen hat. Also muss man sich beeilen, wenn man mehr haben will ODER man nutzt die Panik nd die weiteren gewillten Käufer, die nun ihre Spiele aus den Augen lassen, und schlägt weiter zu. Ja, ich weiß, normalerweise hält man das was man will mehr fest wenn man Panik bekommt aber in den ersten Sekunden oder wenn es ganz unaufmerksame Leute sind, dann hat man eben leichtes Spiel! Innerlich schreit es nur in mir auf: YES!!! Lex hat ein paar Spiele in den Hosentaschen, nicht sonst wie viele. Die Taschen sind zwar groß aber so groß nun auch wieder nicht. Ich selbst habe mich weiter weg von ihm hingestellt und schiebe genauso Panik wie mein Gesprächspartner, entschuldige mich und sage, dass ich gern mehr geholfen hätte und gehe dann. Ob ich ihn dabei anlüge? Hmmm … ich spiele einfach nur meine Rolle … kleine Ausnahme. Alexy ist in der Zwischenzeit schon längst draußen. Bei der Technik habe ich weniger Angst, dass das Warnsignal losgeht. Die Magnetstreifen kann ich vorher schon alle abziehen, also passiert da nichts. Anders läuft es, wenn ich wahllos nach gut klingenden Spielen greife, sie dem ahnungslosen Lex in die Taschen stecke und es laut anfängt zu piepen. O Gott, er war damals so erschrocken, als er noch nichts davon wusste. Die Verkäufer haben ihm die Story geglaubt, dass er nichts geklaut hat und ja, er wusste ja auch nichts. Sie haben sich die Kameras angeschaut und darauf nur einen Typen mit Kapuze gesehen, der beim raus rennen Alexy's Taschen gleich mit geleert hat und sie somit den Falschen festhielten. Er war damals sauer, ich habe herzhaft über ihn gelacht und Armin hat sich gefreut. „Du denkst gerade an das erste Mal, oder?!“, murrt mich eine künstlich tiefe Stimme an. „Du sagst es mein Großer.“, schmunzle ich, greife mit beiden Armen nach seinem weiten Oberteil und ziehe ihn an mich, zu mir herunter. Ich strecke mich aber genauso ihm entgegen, nicht zu viel und ja nicht bis auf Zehenspitzen. Ich drücke lediglich meinen Rücken durch, ihm entgegen, so dass ich mehr von meinem Freund spüren kann … und ihn so noch mehr zum zerfließen bringen kann. Er versucht mir entgegen zu hauchen, was ihm durch den Kopf geht, doch die Hypnose eines Kusses lässt ihn alles vergessen, was er noch sagen wollte: „Du grinst einfach - einfach zu breit, dafür dass – dass wir … schon … … r-raus … “ Er schließt seine Augen, lässt sich auf meinen Zungenkuss ein und legt fließend seine Arme um meinen Hals. Ich gebe ihm genug von mir, dass er seine alten Wünsche erfüllt bekommt – meine Zahnlücke und indirekt, auch ohne es wirklich ausgesprochen zu haben, mein Zungenpiercing. Man merkt es bei jedem Kuss, dass er versucht es zu ertasten und es ihn zum ersten um den Verstand bringt, nicht so weit zu dürfen und zum zweiten völlig wild macht, wenn er es endlich bekommt. Hach, wie ich es liebe ihn so zu kontrollieren! Ein ganz leises, für die anderen unhörbares Stöhnen kriecht ihm die Kehle hinauf. Er reißt sich rot werdend wieder zusammen, entfremdet sich dem Kuss und lehnt sich nicht mehr weiter gegen mich. Wie sehr ich es hasse, wenn er das macht. Die Minuten der Unaufmerksamkeit der Anderen nutzend, zwinge ich ihn einfach dazu weiter zu machen. Er zuckt ein paar Mal, als Versuch sich zu wehren, doch abschätzend blickt er mich an und entscheidet sich richtig. Ich weiß eh, dass er es hinterher wieder bereut hätte, sich daraus zu befreien. Er will es doch eh, trotz seiner sogenannten Gegenwehr. Zur Belohnung bekommt er diesmal sofort den Fremdkörper auf meiner Zunge zu spüren. Er stöhnt nicht nochmal aber seine aufgeregte Atmung zu hören, auf meiner Haut zu spüren, ist schon eine riesige Genugtuung für mich und das weiß er. Mich das zweite Mal und diesmal freiwillig von ihm lösend, tritt das ein, was ich mir schon fast wieder dachte. Er will nicht. Er will einfach nicht aufhören, bettelt ohne Worte nach mehr, indem er sich mit vollem Körper an mich drückt. Er wollte wohl, dass ich spüre, wie hart er deswegen ist, doch gehässig grinsend lasse ich ihn jammern … und durchatmen. Ach Lex, wenn du so sehr auf mein Piercing abfährst … wenn du nur wüsste, was Kentin schon weiß … Baby haben die anderen Piercings völlig verrückt gemacht. „Könntet ihr jetzt mal die Spiele einstecken?!“, beschwert sich der Dritte im Kreis. Armin hat vielleicht gar nicht mal so unrecht. Nur 20m weiter weg vom Laden zu stehen und alle Spiele in der Hand zu haben … ach was soll's. Jetzt stecke ich sie ja in meinen Rucksack, den mir Lex heute früh gegeben hat. Er dachte sich, durch meine fehlenden Hosentaschen könnte ich mein Zeug nirgendwo unterbringen. Ich find's cool, dass er soweit mitdenkt … hätte ich nicht gemacht. Außerdem … fühlt es sich echt gut an, so einen Gurt um die Brust gespannt zu haben! „Du grinst schon wieder so breit.“, murmelt mir Lex fragend zu. Wir sind inzwischen zu den Anderen zurück gegangen. Old Man schüttelt missbilligend seinen Kopf, woraufhin ich ihn nur breit anlache. Er dreht sich komischerweise weg … weiß gar nicht wieso. Mich mehr um Lex kümmernd, schaue ich zu ihm rauf und antworte: „Und du starrst wieder.“ Leicht errötet richtet er seine Augen nach vorn. „Ähhähm, gehen wir dann?“, fragt er laut und etwas nervös in die Runde. Nach kurzer Diskussion haben die Weiber sich endlich bissl gefangen und Lysander geht vor, natürlich mit mir an sich klebend. Er reizt es fast dazu aus, dass ich ihn Provoziere. Wobei, so leicht ist das irgendwie nicht mehr. Wir brauchen schon allein für das Erdgeschoss knappe 2 Stunden. Ich wusste ja, dass ich mich da auf etwas ganz schreckliches einlasse aber so schlimm … Genervt stöhnend komme ich aus einen Musikladen. „Huh? Stimmt was nicht Liebster?“ „Was? Quatsch nich! Klaro, habe meine Saiten bekommen.“ „Etwa genauso wie die Sachen erst?“, sieht er mich zwiegespalten dabei an. Stimmt schon, ein paar neue Klamotten aus dem Skaterladen brauchte ich auch. Das Einzige was ich mir da gekauft habe, waren die Ersatzteile für's Skateboard. Lex hat ungewöhnlich viele Fragen dazu gestellt. Je zweifelnder ich ihn angeschaut habe, desto weniger hat er sich getraut zu fragen. „Neidisch?!“, werfe ich ihm einfach irgendeine Frage an den Kopf! „Ach was, n-nicht doch.“, stottert er schon wieder. „Dann ist ja gut. Wir gehen jetzt schließlich endlich mal nach oben. Die Weiber haben sich ausgekekst.“ Lex sieht mich schmal lächelnd an, merkt wohl, dass mich das Gegacker derer hinter uns schon lange nervt. Über die Ruhe im Musikgeschäft war ich extrem froh. Ich weiß, ich bin nicht der Typ für Ruhe und so aber zu viel ist zu viel. Bin ja schon froh, dass die nicht so viel mit mir quatschen. Dafür versuchen die sich gerne zwischen Lex und mich zu drängen - nicht klug von denen! Nicht, dass meine Blicke nicht ausreichen würden, um sie zu vergraul'n aber die sind wie Katzen … in 2 Sekunden haben die alles vergessen und die machen was sie wollen. „Du meinst, wir – wir können gleich richtig shoppen, ja?!“, freut sich der Große neben mir ein Loch in seinen flachen Bauch. „Jo, leg los.“, fordere ich ihn auf, als wir direkt vor dem Laden stehen. Lex freut sich natürlich riesig darauf. Er hat sich das wirklich nicht zweimal sagen lassen. Kommt zwar selten vor aber soll passieren. Die Mädchen scheinen sich in dem Laden genauso gut auszukennen. Okay, ich geb's ja zu, ich war noch nie hier. Keine Ahnung was so besonders an dem sein soll. Es hängen Sachen auf Kleiderbügeln – woooooow, was ganz neues. „Ahhhh Schaaatz!!!“, quietscht es hinter mir hervor. All meine Nackenhaare stellen sich auf. Grummelnd bemerke ich für einen Moment nicht mal Old Man neben mir. Ein furchtbar hoher Ton von Granny, welche sofort in den Laden stürmt und – und … und dem Verkäufer um den Hals fällt. Sie hält sich auf keinen Fall zurück ihn sofort zu küssen. Sie nimmt sich, was sie will - mal ein Pluspunkt. „Thihi, super, dich erschreckt sonst nichts aber wenn wer schreit zuckst du sofort zusammen.“, belustigt sich der neben mir, zeigt ja nicht zu viel Mimik oder Gestik, schnaubt aber belustigt. „Es lag nicht daran, dass sie schreit, sondern in welchem Ton das passiert ist. Das hat den gleichen Effekt wie Fingernägel auf der Tafel.“ Dazu sagt er nichts mehr, wendet lediglich einen kurzen Blick an mich und genießt wohl gerade meine Gänsehaut. „Harm? Harmony, Liebster? Kommst du?“, ruft noch eine Stimme, doch die klingt um einiges schöner, angenehmer als die des Mädchens mit weißem Haar. „Huh, wieso?“ „Na, ich dachte, ich darf dir auch was heraussuchen.“, murmelt er schon wieder enttäuscht, presst seine Lippen hart aufeinander. Zu genervt entfliehen mir die Worte: „Mach doch, was du willst, meine Größe solltest doch kennen.“ Er zuckt hart zusammen und verschwindet sofort wieder zwischen den vielen Stoffen. Ich halte es nicht für nötig dem auch noch nach zu gehen. Lieber suche ich mir einen ruhigeren Platz, der hier drinnen aber schwer zu finden scheint. Erst als sich Rosalia von ihrem Freund, dem Verkäufer, löst und sich selbst im Laden umsieht, erscheint mir der Platz am angebrachtesten. An der Kasse warten ist bei Lex seinem Kaufrausch eh die klügste Entscheidung. „Brauchen Sie Hilfe bei etwas?“, quatscht der Typ hinter der Kasse mich sofort zu, überzogen freundlich und mit fast schon ehrlichem, gut gelauntem Lächeln. Wer weiß, wie lange das noch bleibt. „Wenn du einfach mal deine verdammte …“, mir auf die Zunge beißend, erinnere ich mich lieber daran nicht aus dem Geschäft geschmissen werden zu wollen. Ich atme tief und geladen durch, fluche: „ … boaaar! Ruhe, einfach nur Ruhe!!!“ Hinter mir taucht das leises Gelächter des Mannes auf. Mein Blick geht nach hinten, gewillt ihn damit ruhig zu stellen. Sein Gelächter verstummt, seine Worte jedoch nicht. „Dann musst du also Harmony sein.“ „W-What? Sonst geht’s aber noch oder?! Was willst du von mir?“, pöble ich weiter. „Lys träumt in letzter Zeit etwas schlecht, da taucht dein Name hin und wieder mal auf, gemeinsam mit bösen Flüchen.“ „Lys? Old Man oder wie? Is'er doch bi?“, frage ich ganz direkt. Der Mann schweigt für einen Moment, sieht mich fragend an: „Ich hoffe, er würde es mir sagen, wenn es so wäre. Wir sind Brüder.“ „Hääh, er hat nie von einem Bruder erzählt.“, „Mir hat er sonst auch nichts erzählt. Nur deinen Namen … und dass ihr in einer Band wart. Ich kenne sonst alle hier, du bist der einzig Neue.“ „Tja, fühl' dich cool oder geehrt oder so, mir egal.“, murre ich ihn an, sehe schon längst nicht mehr zu ihm. Es macht zwar wirklich keinen Spaß in die Menge zu schauen aber noch mehr nervt mich das Gelaber des Verkäufers. „Hallo Leigh. Ich hoffe, wir stören dich gerade nicht.“, gesellt sich dann auch noch Lysander zu uns, gibt seinem Bruder so ein paar Sachen in die Hand. „Ach was, ihr seid ja alle als Kunden hier. Das freut mich.“ „Tzzzz!“, kommt nur von mir. Beide sehen nicht zu mir aber ich weiß, dass sie es auch nicht so einfach tolerieren können. Das wiederum gefällt mir schon fast wieder – wie sie es in sich hinein fressen und Beide sofort einen Grad schlechter gelaunt sind. „Hhhjaah, also … die soll ich dir hier schon mal hinlegen. Frage mich nicht wer was kaufen will.“ „Thihi, ich habe mich schon gefragt was du mit den ganzen Sachen vor hast. Keine Sorge, Hauptsache die Mädchen wissen das noch.“ Boaaar, die Zwei hören ja auch nicht auf zu reden! Ich war immer so froh, dass Old Man nichts gesagt hat aber jetzt … jetzt hört er gar nicht mehr damit auf, wendet sich auch noch an die kleine Künstlerin, die nach wie vor nichts dazu gelernt hat. Old Man fragt nur: „Oh Viola, was machst du denn noch hier? Findest du nichts?“ „Ä-Ähm d-doch, doch, be-bestimmt aber … ich – ich weiß gar nicht, was ich an-anprobieren sollte.“ Lysander grinst sie daraufhin voll komisch an und bietet sich an ihr zu helfen. Als ob der wüsste, was normale Menschen so tragen. Egal, Hauptsache sie sind weg und ich habe endlich meine Ruhe. Ich stütze meine Ellenbogen auf den Tresen hinter mir, lehne mich zurück und lege meinen Kopf in den Nacken. Meine Augen schließend, habe ich irgendwie völlig vergessen, warum ich den Scheiß hier überhaupt mitmache. Eigentlich könnte ich auch einfach abhauen, das Geld liegen lassen und nicht mehr zurück kommen. Ach … stimmt ja, so ein Mist, hab's ja versprochen. Mir bleibt auch wirklich nicht viel Zeit meine Augen mal auszuruhen und runter zu kommen, bevor ich noch jemandem etwas antue. Diesmal jedoch … ist es gar nicht so schlimm, dass wer hier vor kommt. Er legt ein paar Sachen zu diesem Verkäufer, bleibt für einen Moment unentschlossen stehen, eh er sich doch entscheidet wieder zu gehen. Man merkt, wie schwer ihm die Entscheidung fiel. Ich brauche ja nur eine Hand nach vorn ausstrecken, um mein, äh sein Shirt in die Finger zu bekommen. Er bemerkt es erst, als seine Kleidung spannt. Ich sehe zumindest mal zu ihm und ziehe einen Mundwinkel nach oben, damit es so wirkt als ob. „Sieht aus als macht's keinen Spaß. Was ist los Großer?“ Er legt nervös eine Hand in seinen Nacken, sieht irgendwo zu seiner Linken auf den Boden und beißt sich auf die Unterlippe, bewusst auf die Unterlippe. „D-Das gleiche wollte ich dich auch fragen.“ Sein Oberteil loslassend, nehme ich meine Hand noch nicht runter. Er versucht nicht zu verwundert zu schauen, legt seine auch sofort hinein, als er es begriffen hat. Ich soll wohl gar nicht erst die Möglichkeit bekommen wegzuziehen, ziehe ihn stattdessen näher zu mir, als die seine in der meinen liegt. Loslassen … will ich in dem Moment mal nicht. „Warum machst du's dann nicht? Und hör auf zu knabbern, ich werd' jetzt nicht d'rauf eingehen.“ Ich kann ja nicht auf jede Einladung eingehen und mich immer und überall nur mit ihm 'rumbeißen. Er lässt enttäuscht los, antwortet: „Na ja … ich weiß nicht. Du wirkst halt so … genervt und willst gar nicht mitmachen.“ Halb Tonlos, heiser über ihn schmunzelnd, gebe ich zurück: „Das habe ich doch gar nicht gesagt, Dummkopf. Suche dir doch erst mal Zeug was dir selbst gefällt, deswegen sind wir doch hier.“ „Ja aber … ich wollte dir auch was suchen und jetzt stehst du nur hier und … ach, ich weiß auch nicht. Ich weiß ja, wie sehr dich die Mädchen nerven.“, murmelt er schmollend in sich hinein. Ich habe es nur gerade so verstanden, nehme zwei Finger unter sein Kinn und hebe seinen Kopf, so dass er mich ansehen muss: „Du kennst doch meine Größe, wofür dann noch anprobieren?“ „Na ja … manchmal wirkt es an einer Person anders, als man es sich vorgestellt hat u-und außerdem …“ „Willst du, dass ich vor den anderen 'vernünftig' wirke. Lex, glaube nicht, ich würde dich nicht durchschauen. Du weiß doch, dass ich so Jeans und so steifes Zeug niemals freiwillig anziehen würde. So ein bisschen solltest du schon wissen, was ich mag, nur so ein bisschen.“ Er hört den Sarkasmus aus dem letzten Satz heraus, kann sich ein Grinsen nicht sparen: „Ich weiß besser als alle anderen, was du magst.“, erzählt er mir schon fast stolz. Ich atme tief durch, gebe ihm mehr flüchtig einen kurzen Kuss und gehe dann an ihm vorbei. Noch bevor er fragen kann, was ich vor habe, gebe ich ihm die Antwort: „Gehe nur eine rauchen und danach … zieh mir an, was du willst, solange ich es auch selbst kaufen würde.“ Ganz flüchtig höre ich noch den Verkäufer fragen: „Du bist … Er – Er ist dein Freund?“ Lex grinst viel zu breit, als dass man das als Nein verstehen könnte. Auf dem Weg nach draußen, ungewollt eilig nach draußen, sehe ich nochmal auf's Handy. Da steht nach wie vor Castiel drauf. Okay, dann flüchte ich eben zu 'nem anderen Kerl aber der hat mir Zigaretten angeboten und die … die brauche ich jetzt ganz, ganz dringend. Vor der Tür, etwas Abseits der Massen, wartet er auf dem kleinen Fleck Grün mit seinem Hund. Er sieht nur einmal kurz zu mir, sagt dann: „Und genau deswegen wollte ich nicht mit. Die Mädchen?“ Genervt knirsche ich mit meinen Zähnen: „Wenn es nur so wäre, wenn es nur so wäre! Inzwischen nervt einfach ALLES!!!“, fluche ich ungehalten laut. Er gibt mir wie versprochen die Zigarette, ich stecke sie sofort an und ziehe. Zwar ist kein Gras drinnen aber für den Moment reicht es auch so. Wieder etwas runter gekommen, begrüße ich dann auch mal Demon - Der richtige Name für einen so großen Beauceron! „Hehe, heeey Großer!“, bin ich selten verspielt aber bei Hunden kann ich einfach nicht anders. Castiel sagt auch gar nichts dagegen, schaut nur zu. Sein Hund lässt sich gern streicheln, ist mehr eine riesige Knutschkugel, als der böse Junge, der er sein sollte. „Ach ja, wir haben uns ja seit Wochen nicht gesehen. Ich konnte mich noch gar nicht richtig bedanken, dass du deinen Artgenosse zu uns geführt hast. Wer weiß, was die mit Lex gemacht hätten.“, gebe ich grinsend von mir, als ich halb mit ihm spiele und ihn halb mit Streicheleinheiten überschütte. Ein belustigtes Schnauben ertönt von oben. Ich sehe auf. Er sieht schon meinen angespannten Blick. „Jedenfalls nichts schlimmeres als was du mit ihnen angestellt hast.“ „Fick dich, die haben's nicht anders verdient! Außerdem kamen die hinterher eh wieder angekrochen, sind mir um die Eier geschlichen und haben geradezu danach gebettelt, dass ich denen verzeihe.“ „Also treibst du es trotzdem noch mit denen?“ „Was? Nein, vergiss'es. Die bleiben schön auf dem Trockenen!“, ist die Wut gleich verschwunden, als ich an deren Qualen denke. Ich stehe wieder auf, stelle mich zum Rotschopf an die Wand und schließe die Augen. Die Sonne prallt mir direkt ins Gesicht. Es ist angenehm, zumindest noch. „Ach ja, was hast du eigentlich in dem Park gemacht?“, hinterfragt der neben mir. „Und du?!“, antworte ich nicht darauf, klinge bedrohlich, selbst für ihn. „Ich … Ich habe meinen Hund da abgeholt. Bringe den früh manchmal in den Park und hole ihn da Nachmittag gleich wieder ab. Blöd aber manchmal geht’s nicht anders.“, gibt er mir bereitwillig die Antwort. Ich erkläre ihm, dass ich nach einer Abkürzung gesucht habe, um zur Schule zu kommen, erwähne dabei nicht, dass ich mich verirrt habe. Das würde ihm noch gerade so passen. Am Ende aber muss ich eins zugeben und bin ihm da auch echt ein bisschen Dankbar für. „Also … du hast Lex Heim gebracht, richtig? Armin hat's mir erzählt. Das war … echt cool von dir, hättest ja nicht machen müssen.“ „Allein wäre der überall gelandet, nur nicht bei sich und außerdem war das, wie du schon sagtest, Demon.“ „Jaaah, dein guter Hund, der den Weg zum Haus meines Freundes auswendig kennt. Sage schon, jetzt mal ganz klar: Muss ich mir Gedanken machen?!“ Er sieht hellhörig zu mir, leicht schockiert: „W-W-Was?! Spinnst – Spinnst du?!!! Das ist 'ne ganz normale Route für ihn. Was denkst du denn bitte?!“ Meine ernsten Vermutungen aussprechend, antworte ich ihm mit scharfem Blick auf ihm liegend und leichtem Knurren: „Dass du sie beobachtest. Vielleicht hast ja auch unausgesprochene Wut in dir. Ich krieg's raus, wenn du ihnen was antun willst, egal welchem von Beiden!“ Er reagiert nicht anders als zuvor auch schon, wird höchstens auch langsam etwas wütend: „Wie bereits gesagt: Was denkst du bitte?! Als ob ich sonst nichts zu tun hätte und wie du schon sagtest, du kriegst es eh raus!!! Boaar, kannst du ätzend sein und das wegen solcher Kleinigkeiten!!!“ Ist ja gut. Die Anspannung in seiner Mimik lässt mich dann doch wieder ruhiger werden. Er fühlt sich ja wirklich angegriffen wegen der Vermutungen. Na ja, zugegeben, vielleicht nicht die beste Art sich zu bedanken aber hat ja auch keiner gesagt, dass ich das gut könnte. Meine Anspannung fällt, je länger ich den Rotschopf betrachte. Belustigt schnaubend antworte ich letztendlich: „Is' ja schon gut, chill. Nicht gleich sauer werden und ähhh … sorry.“ „Schon gut.“, grummelt er letztendlich doch noch eine Antwort. Sind wohl beide nicht gut in solchen Dingen. Er tut sich da genauso schwer wie ich zuvor auch schon. Letztendlich stehen wir beide noch etwas da, kommen bei ein paar weiteren Zigaretten sichtbar wieder runter, bis er meine Anschuldigung vergessen hat und ich meine Vermutungen verdrängen konnte. Tja, man mag's ja nicht glauben aber Castiel ist wirklich wie ein 'Gleichgesinnter'. Das fällt mir jedes Mal von neuem auf, wenn wir uns ab und zu mal treffen, so wie jetzt. Die Ruhe zu genießen, etwas blöd zu quatschen und zu rauchen - Das alles hilft mehr, als es der Rest je könnte. Zurück bei den Mädels und meinem Freund, haben sie angefangen mir gemeinsam Zeug heraus zu suchen. Die Mädchen machen das nur, um zu testen, wie weit ich gehe. „Und du ziehst wirklich alles an?“, waren so gut wie ihre ersten Worte, als ich zurück war. Sie müssen gehört haben, was ich Lex beim Gehen gesagt habe. Das war zwar wirklich nicht so gemeint aber okay. „Um was wettet ihr, dass ihr was findet, was ich nicht anziehe?“ Alles in allem haben die Mädchen 50€ gesetzt, nicht gerade viel aber etwas. Sie fangen mit den engen Sachen an. Ich bekomme echt das Kotzen dabei, weil die mir alles abschnüren, wirklich alles. Lex ist natürlich sofort begeistert davon. Gott weiß, wie oft er mich schon in so was stecken wollte. Er wird knallrot, starrt mich wieder pausenlos an. Er bemerkt auch meinen Blick aber das scheint ihm diesmal völlig egal zu sein. Sein erfreutes Starren wird zu einem überlegendem Starren, je länger die Weiber mich umkleiden. Wer weiß, was er mir jetzt auch noch zurechtlegen will aber wenn er einmal die Chance dazu hat … ich würde mir das wohl auch nicht entgehen lassen. Die Mädchen dürfen weiter machen und mich einkleiden wie sie wollen. Toll, erst regt er sich noch auf, dass ich nicht da bin und jetzt haut er ständig ab. Na was soll's. Die 50€ sind eh wichtiger. Sie finden in diesem Laden keine großartig schlimmen Teile. Sie kommen auch mit Frauensachen an, scheinen nicht gerade zu wissen, dass mir auch das egal ist. Wenn 'n Top passt, dann passt es – egal ob von da oder von da. Fast zuletzt bringen sie mir farbige Kniestrümpfe an. Natürlich ziehe ich auch die an, das sind mir die 50€ wert, frage sogar, ob es die noch in anderen Farben gibt. Hhjaah, ich behalte die Paare. Kann ich anziehen, wenn es Abend kälter wird und ich nur in kurzen Hosen unterwegs bin. „Eine letzte Aufgabe haben wir da noch!“, berichtet mir M-Melody heißt sie, glaube ich. Sie ist jedenfalls die Klassensprecherin … oder so'was. Granny, also das Mädchen, neben der ich eigentlich im Unterricht sitzen sollte, führt weiter aus: „Was hältst du von Badeanzügen?“ O maaaan, jetzt wird’s echt albern. Ich kann mir denken, was sie wollen aber dass es SOLCHE Anzüge in so einem Laden gibt? Ich glaub's fast nicht. Mir genervt durch's Haar fahrend und meine Stirn dabei etwas massierend, frage ich nach: „Lasst mich raten: Ihr sprecht von so einem Borat, richtig?“ „Sage nur, du machst es nicht?“, will das Blondchen wissen, Misami. Die Mädchen freuen sich natürlich. Ich lehne mich zur Seite gegen die Wand der Umkleidekabine, atme tieeef durch: „Wisst ihr, ihr solltet so langsam begriffen haben, dass ich alles anziehe, weil ich auch alles anziehen kann. Die Kabine hinter mir ist voll.“, dabei deute ich auf den Sachenstapel hinter mir, „Ich hoffe, ihr räumt das nachher weg, ich mach's nämlich nicht. Die Frage die IHR euch also stellen solltet, ist wohl eher, ob ihr mich darin wirklich sehen wollt?!“ Meine Stimme ist gereizt und bleibt es auch. Es stimmt, für das Geld wäre es kein Ding aber es muss auch nicht sein. Zur selben Zeit etwa kommt mein Mädchen zurück. Er hat ja echt lange gebraucht. Passiert nicht oft. Seinen Arm hat er auch mit Sachen voll gehangen aber ehrlich gesagt, vergeht mir wieder sehr stark die Lust überhaupt noch etwas zu tun. Irgendwann ist eben dieser 0-Punkt erreicht. Lex sieht nur kurz zu den Mädchen, schaut nach, was sie mir diesmal andrehen wollen, sieht dann zu mir und bemerkt meine Stimmung. Ich mag es nicht, wenn er das so stark mitbekommt aber was soll ich jetzt schon groß dagegen tun? Jedenfalls wartet er die nächsten Worte ab. Ein paar der Mädchen schweigen inzwischen, nur der harte Kern aus Misa und Rosa lassen ein JA ertönen. Also atme ich nochmal tief durch, nehme ihr den Anzug ab und verkrieche mich zurück in die Umkleide. Durch den Spiegel entdecke ich – nicht allein. Zusammengeschobene Augenbrauen, Falten auf der Stirn und ein entsetzt offenstehender Mund: „Du musst dir nicht alles gefallen lassen. Komm schon, das hier ist keine 50€ wert. Sie wollen sich doch nur lustig machen.“ Durch den Spiegel hindurch antworte ich ihm: „Das weiß ich doch Lex. Haben sie bisher ja nicht geschafft.“ „Damit aber bestimmt. Harm, Liebling, bitte.“, bettelt er nun schon, setzt sich auf die schmale Bank direkt vor mich, direkt gegen den Spiegel. Sein Blick geht zu mir herauf. Flüchtig gebe ich ihm wieder eins, zwei Küsse, dann ziehe ich mich trotzdem um. „Erzähle mir lieber, was du da angeschleppt hast. Ist das dein Ernst oder auch nur wieder was, worüber die sich lustig machen … versuchen?“ „N-Nein, das ist schon ernst gemeint. I-Ich weiß, du stehst nicht so auf enges Zeug aber … das ist nicht eng, versprochen, jedenfalls nicht so schlimm, dass du dir damit wehtust.“ Die Situation ist wirklich anstrengend, lenkt mich aber von anderen Dingen ab und Lex lenkt mich von diesen Mädchen ab und das, was ich eben an habe. Man kann mich nicht gerade als entspannt bezeichnen aber halbwegs frei atmen geht trotzdem wieder. Ich … habe mich für einen Moment hingehockt, direkt vor Lex und halte mich an seinen Knien fest. Ich kann nur ahnen wie rot er wohl gerade geworden ist, als ich meinen Kopf auch noch darauf gelegt habe. Er hat seine Beine ja nicht mal auseinander, also verharre ich nur zwischen seinen Knien – das und nichts anderes! Seine Röte verstummt schnell und ich spüre viel zu weiche, viel zu warme Blicke auf mir liegen. Mir stellen sich alle Nackenhaare auf, als ich das spüre. „Also … du willst das echt machen? Na dann … dann bringe es schnell hinter dich. Ich habe alles aus der neuen Kollektion für mich raus gesucht, obwohl ich schon ein schlechtes Gewissen habe. Das wird teuer.“ „Ach Blödmann, dafür habe ich doch das Geld gespart und zurück geholt.“ „D-Das ist ja auch gar nicht das, worauf ich hinaus wollte, e-eigentlich. Ich wollte nur sagen, dass … dass wir danach doch endlich was Essen können.“ Essen? Verdammt, damit kriegt er mich echt dran. Mein Kopf hebt sich und mein Blick klart auf, noch bevor ich darüber nachdenken kann. Er grinst mich ganz offen an, hat wohl doch noch seinen Spaß am Tag gefunden. „Aber zuerst meine Sachen probieren.“ Solange es Essen gibt, mache ich auch das. Mir knurrt der Magen, schon nur wenn wir davon reden und ich weiß, dass ich da nicht allein dastehe. Lex hat wohl zu seinem Hunger zurück gefunden und Armin ist beim Wort Essen auch aus seinem Spiel aufgewacht. Dazu muss ich ihn nicht ansehen, das weiß ich auch so. Noch bevor ich aus der Umkleide kommen kann, halten mich die Mädchen nun doch davon ab. Sie sind zurück geschreckt davor, dass ich das wirklich gemacht hätte. Ehrlich gesagt habe ich gehofft, dass sie so reagieren und mir das erspart bleibt. Am Ende bleibt nur noch Lex seine Auswahl. Er hat 'nen schwarzen, engen Pulli und ne lange Hose besorgt, auch in schwarz. Ich war echt skeptisch, sieht ja aus wie Ballett oder so. Zumindest bei der Hose hatte er recht, die ist so geschnitten, dass sie sich nicht ekelhaft anfühlt. Der Pulli ist als wäre er gar nicht da, bisschen wie 'nen Ganzkörper-Anzug. Dazu hat er mir 'nen Top gereicht, bauchfrei, gelb, von den Mädchen. Darauf steht irgendetwas von „Dreamman“, mit Blümchen in rot. – wie gesagt, skeptisch! Aber immerhin sitzt das locker. So langsam habe ich 'ne geringfügige Ahnung wo das hingehen wird. Bei der Hose erklärt er mir, dass er da ewig gesucht hat und sich am Ende für eine Badehose entschieden hat – die wäre ja eh praktisch. Sitzt, sitzt vor allem genauso locker, passt. Kariert, blau – grau, nur Gummizug, ohne Bänder zum enger schnüren. „Du – Du versuchst aus mir echt einen Cosplayer zu machen?! Dein ernst?“, muss ich laut lachend nachfragen. Ob das alles jetzt was mit Geschmack zu tun hat … wer weiß. Ich glaube, er hat eher an mich gedacht, als an das was er hätte sehen wollen. In einem meiner Spiele habe ich einen Charakter erstellt, der genau so aussieht. Na ja, die Springer fehlen noch aber die ziehe ich nachher wieder an. Okay, vielleicht trage ich das nicht in meiner Freizeit aber es lohnt sich echt die Sachen zu behalten. Ich kann nicht aufhören über mein Spiegelbild zu grinsen, Lex daraufhin auch nicht. „Also gefällt es dir?“ „Es ist zumindest witzig und tut nicht weh. Heißt also: Potentielle Kleidung, die ich tragen könnte.“ Das freut ihn nur noch mehr. Er fällt mir ohne Vorwarnung um den Hals. Für einen Moment überlege ich ihn wegzustoßen aber … ach komm schon, er wird deswegen bestimmt nicht weniger unterwürfig sein und freut sich nach wie vor über jeden innigen Kuss, auch ohne Zunge, den er bekommen kann. Den Mädchen muss ich auch noch zeigen, was Lex mir da zusammengestellt hat. Die sind von seinem Geschmack … echt schockiert. Endlich kommt mal wieder 'nen Moment für mich, in dem ich über die Blicke der Weiber so richtig herzhaft lachen kann. Bezahlen, viel bezahlen und anschließend heißt es auch viel tragen für mich. Als ob ich so eine Aufgabe Lexy überlassen würde, nein danke. Er ist gerade wirklich mehr Mädchen. Ach ja, beim Bezahlen habe ich sein Cosplay gleich an gelassen, damit es den Mädchen auch ja schön peinlich wird mit uns mitzukommen. Vielleicht flüchten sie freiwillig. Natürlich heißt es auch beim Essen für sie, dass wir alle zusammen sitzen müssen. Dafür schieben sie sogar 2 Tische zusammen. So schön die letzten Minuten auch für mich waren, so ätzend wird es jetzt wieder. Sie reden und reden und reden und reden immer noch nur vom einkaufen. Wie kann man nach 4 Stunden ein und der selben Tätigkeit immer noch nur davon reden?! Ich begreife das nicht und das merkt man auch schlagartig wieder an meiner Stimmung. Knapp 10 Minuten halte ich das an deren Tisch aus, dann war's das für heute für mich. Aus der Mitte der langen, gepolsterten Bank stehe ich auf, steige über den voll gestellten Tisch bis zu einem Ende und springe da herunter. Sekunden des Schweigens und der abschätzenden Blicke, was ich nun wohl vor hätte. Tut mir leid Lex aber man kann echt nicht alles von mir verlangen, einiges, ja ,aber alles nicht. Ich gehe soweit weg, dass ich ihre Stimmen kaum noch hören kann, setze mich da an einen komplett freien Tisch. Die Leute ringsherum sind wenigstens auch recht ruhig. Mir mit beiden Händen den Schädel festhaltend, versuche ich nicht all zu laut zu fluchen oder zu schreien vor Wut. Ich weiß, ich weiß, Zurückhaltung klingt nicht nach mir aber ich wollte es wenigstens mal einen Tag versuchen. Ich bekomme kaum mit, dass ich schon wieder nicht allein sitze, sehe erst geradeaus, auf die andere Seite des Tisches, als seine Stimme erklingt: „Na hallo schöner Mann, Sie sind wohl allein hier?“ Wäre mein Wutpegel eben nicht einfach viel zu hoch gesprungen, könnte ich darauf vielleicht auch eingehen aber so. „Lex, verdammt! Kriegt man denn wirklich keine Sekunde Ruhe?! Sei … Sei wenigstens ruhig und komm rüber!“, befehle ich ihm schroff, aufgebracht, haltlos. Er tut es umgehend, als hätte er mit keiner anderen Reaktion gerechnet, mit keinem anderen Befehl. Ich zerre grob seine Beine nach oben, ein Bein direkt über die meinen und ich nehme ebenfalls ein Bein über sein übriges – ein wenig ineinander geschachtelt eben. An einem Arm ziehe ich ihn näher und zwinge ihn seinen Kopf auf meine Schulter zu legen, komme erst hinterher auf den Gedanken, dass er die rechte Seite immer wegen der tiefen Narben am Hals meidet, lasse ihn aber auch nicht los. Wer weiß, wie viele blaue Flecken er davon tragen wird. In dem Moment ist mir das so völlig egal! Ein Arm liegt um seine Schultern und drückt immer wieder in besonders wütenden Fällen seine Schulter so fest zu, dass er zusammenzuckt und leicht zischt. Das Selbe gilt für meine freie linke Hand, welche auf seinem aufstehendem Knie liegt. Ich drücke da genauso zu wie bei seiner Schulter. Lex beißt sich stark auf die Lippen, doch hält die Schmerzen aus, gewollt aus. Er weiß, er – er müsste nicht, wenn es zu schlimm wäre. Er hätte ja auch nicht nachkommen müssen. Andererseits … steht er ja drauf, wenn er ein paar Hämatome abbekommt. Nach ein paar unruhigen Minuten kommt endlich mal die Bedienung. Ich könnte sie sofort genauso angehen, weil die so lange gebraucht hat. Lex schlingt sich im selben Moment mit einem Arm um meinen Hals. Das lenkt etwas ab und genau das wollte er wohl auch erreichen. „Zwei Bier, ein Wasser.“ Die Frau sieht mich entsetzter an als Lex. Bevor sie irgendeinen Ton zu viel sagen kann, spricht er: „J-Ja, das stimmt schon so. Mir reicht Wasser völlig aus.“ „Na, wenn Sie das sagen.“, gibt sich die Frau endlich zufrieden und ich lasse etwas von Lex seiner Schulter ab. Er sagt nichts gegen meinen Alkoholkonsum mitten am Tag, hat nur einen Moment seltsam geschaut. Es wäre einfach der falsche Moment für Beschwerden. Er ist ruhig, wie befohlen und zwar so lange, bis ich mein erstes Bier komplett leer habe. „Äh … ähm, a-also …“ „LEX, nicht stottern!!!“, sollte das auch bis zu den Mädchen vor gereicht haben. So ein Mist, viel zu laut. Lexy nimmt etwas Mut zusammen, spricht nicht so schnell nochmal, holt aber sein Handy aus der Jackentasche. Mein großer Junge öffnet eine App, den Barcodescanner. „Na? Mal wieder probieren?“ Ich weiß, dass er mit seinen vorsichtigen Worten versucht mich runter zu bringen, mich abzulenken. Ich versuche mich ja auch darauf einzulassen … Nur nicht so leicht. Prustend lasse ich ihn los, nicke einfach nur. Er steht auf und geht auf seine geliebte linke Seite. Man spürt richtig die Erleichterung in ihm. Er hält sein Handy gegen den Strichcode. Manchmal liest sein Handy ihn nicht, doch diesmal klappt es sofort. Er schaut unter der Produktsuche, wie immer nichts. „Gib mal her.“, fordere ich ihn auf und schaue selbst nach. Es gibt schließlich noch die Websuche. Und die Websuche … hat Erfolg. „Boar coool, da findet man ja echt was. Kam wenigstens was schönes bei raus?“, platzt es neugierig aus dem neben mir. „Ähm … warte mal …“, kann ich nur leise von mir geben, bin viel zu vertieft, „ Das – Das ist nur ein Artikel.“ „Was? Ehrlich? Wie enttäuschend … und ich dachte, das wäre was, was man dir hätte kaufen können.“ Danke, ich verzichte … da steht etwas von einer neuen Erkrankung. Erreger, die direkt in die Adern gespritzt werden. Die Spritzen dafür sind mit genau meinem Strichcode gekennzeichnet. Im Artikel steht etwas von Heilungsforschung … unbekannte Krankheit … kann nicht vom Körper selbst beseitigt werden. … in den letzten Monaten, gab es … „Hahaha!“ … gab es, mehrere hunderte … „Nun komm schon. Wir müssen nach draußen!“ … hunderte … „Mina, Mina, nun komm endlich! Thihihi!“, unterbrechen irgendwelche schreienden Kinder meine Gedanken immer und immer wieder, immer lauter. Als dieser kleine Junge nach seiner Schwester ruft … da – da geht’s mir … e-egal … Ich bin einfach sofort aufgesprungen, habe Alexy komplett losgelassen, ihn links liegen lassen. Mir wurde so schlecht, zu schlecht, um mich zurückzuhalten. Alexy hat mich komisch angeschaut und wohl nur noch gesehen, wie ich Richtung eines der Bäder verschwunden bin. „Harmony?“, hat er mir besorgt nach gemurmelt, hat keine Ahnung wieso eigentlich. Die anstehenden Kerle vor dem Klo waren mir in dem Moment so egal. Ich habe mich vor gedrängelt und mich vor einer der Toiletten fallen lassen. Es war schon knapp genug es jetzt noch bis hier hin zu schaffen. Alles bis eben zu mir genommene sucht sich nun seinen Weg nach draußen, lautstark. Einfach gesagt: Ich kotze und das nicht zu wenig! Verdammt … So ein Mist! Warum gerade jetzt, heute und hier? Ich könnt kotzen, habe ich ja eigentlich schon aber … ach egal, das ganze Denken soll mich eh nur ablenken. Natürlich merke ich, wie schwer ich zu atmen habe. Ich habe zu tun spürbar Luft einzuatmen. Etwa Panikattacke oder so? Kann – Kann schon sein, weiß nicht … egal. Ich bleibe länger vor dem Klo hocken, als ich kotzen musste, einfach nur um runter zu kommen. Nach 10 Minuten habe ich es einfach aufgegeben, habe mir noch den Mund ausgespült und bin gegangen. Direkt vor dem WC wartet dann auch schon Lex. Ich hätte es mir ja eigentlich denken müssen. „Was los?“, murre ich. „D-Das sollte ich dich fragen. Was war denn plötzlich?“ Jetzt habe ich nicht nur die Ahnung, dass er besorgt ist, sondern weiß es auch. Seine leidenden Augen sehen furchtbar aus, also – also grinse ich einfach so offen wie immer. Der Geschmack von Erbrochenem ist auch ekelhaft. Eigentlich will ich schnell zurück, um meinen Magen wieder voll zu bekommen. Das schöne Bier und das schöne Essen zuvor … Also grinse ich Lex entgegen: „Ach was. Es macht halt nicht jeder so gutes Essen wie du.“ „Das ist nicht mehr lustig, Harm. Das sah wirklich nicht gut aus.“ „Nicht? Ich wusste gar nicht, dass man beim Kotzen gut aussehen kann.“, mache ich mich auch schon wieder darüber lustig. Sein Zweifel an meinen Aussagen geht nicht zurück: „Und du hast jetzt echt noch Hunger? Iiih, kaum vorstellbar.“ Stimmt schon, so ein komisches Kribbeln im Magen bleibt zurück. Es geht, sobald wir uns an einen anderen Tisch an die Wand gesetzt haben, ich mir noch eine Flasche bestellt habe und die genauso geleert wird. Danach reicht alkoholfrei und essbares. „Na hoffentlich ist das besser. Hast du Allergien oder so?“, hinterfragt mein Blauschopf. Seine Skepsis löst sich langsam auf, zum Glück. Er lässt sich auf mein Grinsen ein und versucht wohl die angespannte Situation aufzulockern. „Aaalso, nen Kuss will ich jetzt nicht unbedingt a-aber … vielleicht hast du ja – ja etwas Gras dabei. Das – Das bringt dich doch be-bestimmt auf bessere Gedanken o-oder?“, wird seine Frage immer unsicherer. Ich sehe ihn merklich abschätzend an und stimme letztendlich zu. „Okay, j-ja ich habe was mit ABER werde ja nicht abhängig Großer, klaro?“ Er nickt, ich drehe uns eine, diesmal ohne Tabak und lehne mich dann an der Wand neben uns an. Lex nehme ich zwischen meine Beine. Er lehnt sich wortlos gegen mich. „Wie schlimm ist es? Weiß nicht, ob ich mich getroffen habe.“, gebe ich letztendlich mal zu. Er schnuppert wirklich an mir, als hätte er die ganze Zeit noch nicht neben mir gesessen. „Gar nicht schlimm, eigentlich weg. Döner scheint zu helfen.“ „Und dabei hatte ich nicht mal Knoblauch.“, murmle ich nur noch, schließlich lehnt Lex direkt an mir und hört jedes gehauchte Wort. Bevor mein Großer ziehen darf, schieße ich mich so gut wie vollständig damit ab. Hauptsache ich denke an keinen Scheiß mehr, alles andere ist egal. Ich gebe Lex anschließend auch noch Tipps, wie er besser durchhält ohne sofort so abzurauschen, wie ich es langsam aber sicher gerade mache. Er merkt es nicht, hört mir einfach zu, meinen gehauchten, warmen Worten. Das THC hilft dabei zu entspannen, runter zu kommen. Gemeinsam, nur zu zweit auf der gepolsterten Bank zu sitzen, mal nichts sagen zu müssen und einfach nur Lex auf meiner Brust zu spüren, ist der ruhigste Moment in diesem Kaufhaus. Wir genießen das Beide, im Wissen, dass es nicht lange anhalten wird. Bei aller Entspannung lässt sich nur eins nicht abschalten, auch wenn ich es gehofft hatte … Mina
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