Ich sitze noch immer starr auf dem Boden und muss mich erst noch fangen, orientieren. Er hingegen fühlt sich erleichtert, doch nicht erleichtert genug, um noch ein paar Worte loszuwerden.
„Ich glaub's ja nicht, was bist du nur für ein Bastard? Du klaust die Unterlagen und besitzt dann auch noch die Frechheit so zu tun als wäre alles in Ordnung. Wirklich, du bist schlimmer als Castiel, viel schlimmer. Bitte, lasse dich einfach nicht mehr hier blicken und ach ja, natürlich gibt das auch einen passenden Eintrag in deiner Akte!“ Als ich mich endlich wieder orientieren kann dröhnt mein Schädel als hätte man mich gegen eine Wand gefahren. Meine Kapuze setze ich nun wieder auf. Tapsig versuche ich den Boden unter mir abzutasten ehe ich versuche aufzustehen. Nach wie vor halte ich meine Meinung zu ihm. „Ba – ka!“, murmle ich. Es ist wirklich enttäuschend von einem so 'klugen' Schüler so missverstanden zu werden aber erklären werde ich es ihm auch nicht. Dafür schwebt mein Kopf eben zu sehr in den Wolken. Wäre er nicht so Blind vor Wut, würde er auch sehen, was er angerichtet hat aber wie bereits gesagt, er ist ein Idiot. Noch immer sauer hält er mir nun schon die Tür auf zum gehen. Ohne noch weiter darauf einzugehen verschwinde ich. Bis er die Tür schließt kann ich auch noch gut meine 'Haltung' bewahren. Gleich danach krümmt sich erschöpft mein Rücken und ich falle seitwärts gegen die Wand. So schleife ich mich zumindest bis nach draußen. Noch bevor ich die große, 'schwere' Glastür öffnen kann erblicke ich mein eigenes Spiegelbild darin. Da sind dunkle Flecken, überall, sehr viele. Blut. Mein Blut. Mein Haar verdeckt nach wie vor den Rest meines Gesichtes, so erkennt man nicht was darunter ist jedoch weiß ich, dass er meinen wundesten Punkt getroffen hat und sich dieser nun in Strömen über meine linke Gesichtshälfte ergießt. Verärgert stoße ich die Tür endlich auf und gehe nach draußen. Ich atme ein paar Mal durch, um gerade über den Hof zu kommen. Mir war klar, sobald ich draußen wäre, dass mich vielleicht jemand sehen könnte. Ich habe nur nicht damit gerechnet, dass das so schnell passieren würde. Noch auf dem Hof höre ich aus einer der dunklen Ecken, „Na Neuer, hast wohl gefallen am Streber gefunden, hmm?“ Ich bleibe zwar stehen, mehr aber auch nicht. Er tritt aus seinem Schatten hervor und kommt näher. „Oooch, nimmt es doch nicht so schwer. Warum warst du nun so lang da drinnen?“ Wieder keine Antwort. Ich balle nur langsam eine Hand zur Faust und blicke weiter geradeaus, weiter in Richtung Licht, weiter in Richtung Ausgang. Es ist schwer meine zitternden Blicke genau zu deuten. „Hey was denn los mit dir? Bist heute ja noch schweigsamer als sonst. Sage bloß …“, wird seine Stimme leiser. Er ist nun schon nahe genug, um mir von hinten an die Schulter zu fassen und mir näher zu kommen. Wie gewohnt an mein Ohr, diesmal störe ich mich nur nicht daran. „ … Sage bloß, er hat dir verboten mit mir zu sprechen, weil weißt du …“ „Lass los!“, befehle ich ihm streng, tief, düster. Er schreckt erst etwas zurück, macht sich dann aber nichts darauf. „Ach komm schon, sei nicht so.“ Ich bemerke, dass er beim sprechen anfängt zu lallen. Er muss schon einiges getrunken haben. Nichts desto trotz lasse ich mir das nicht mehr gefallen. Ich greife grob nach seinem Handgelenk. Meine komplette Hand reicht nicht aus um einmal drumherum zu kommen aber was soll's. Von rechts blicke ich ihn noch finsterer an als ich es bei anderen mache und drücke noch fester zu. „Was – Was hast du denn?“, will er verunsichert wissen. Ich antworte nicht. Viel mehr drücke ich noch doller zu, aus Wut und Verachtung. Es tut mir Leid, dass er das nun abbekommt aber ich weiß auch, dass das sein Arm aushält. Als ich den Rest in mir verstecken kann, stoße ich auch endlich seine Hand von mir weg. „Nichts!“, sage ich nur, schwach, und gehe. Er bleibt wie angewurzelt stehen, sagt nichts, tut nichts. Er schaut mir nur nach und zieht anschließend an seiner Kippe. Er denkt sich nichts weiter dabei und macht sich ebenfalls auf den Weg nach Hause. Dummerweise bin ich nicht schnell genug weg und er sieht, wie ich unter der Laterne mein Gleichgewicht verliere. Ich falle dagegen und halte mich mit beiden Händen daran fest. Mit meiner Jacke wische ich alles Blut was nachfließt weg, sogar als ich mich noch an Ort und stelle übergebe landet auch das darauf. Es ist ebenfalls nur Blut – wobei, was heißt nur? Verwundert hält er weiter auf mich zu und steht schon bald hinter mir. „Hey nun sage schon, was hast du? Ist irgendetwas passiert?“ Da liegt … Sorge in seiner Stimme. Bitte, bitte nicht auch das noch! Sauer, sauer und wütend auf mich selber, weil ich nicht schnell genug sein konnte, stoße ich mich von der Laterne ab und renne einfach drauf los. Den Weg nach Hause finde ich auch ohne auf die Straße zu schauen. Ein Fehler, denn das Auto, welches eben auf mich zu hält, kann nur gerade so bremsen. Ich laufe schnell weg, bevor auch der etwas mitbekommen könnte. Unter all dem Aufruhr in mir und um mich herum habe ich ein was übersehen. Ich habe übersehen, wie mir beim weglaufen ein paar Tropfen durch den Wind nach hinten weggetragen wurden. Auch Castiel hat es nicht bemerkt. Er versucht sich alles eben geschehene aus den Kopf zu schütteln. „Wird schon alles in Ordnung sein.“, hält er sich vor, unsicher. Als ich endlich zu Hause ankomme ist es ein Kampf die Tür zu öffnen. Es ist schwer zwischen Blut abwischen und Schlüssel suchen zu entscheiden. Als ich dann endlich im Bad stehe, alle Sachen noch an habe, bin ich zumindest erst mal froh. Der Rest wird sich jetzt schon ergeben. Ich nehme lieber gleich ein Handtuch um die Blutung zu stillen. Alles andere macht keinen Sinn. Die Wunde an sich getraue ich mich nicht anzusehen. Nicht grundlos halte ich das, was unter meinem Pony ist, versteckt. Dieser Idiot aber auch! Da trifft er doch wirklich genau darauf! Verdammt, die Ärzte haben mich doch gewarnt! Verdammter … BAKAAA!!!!, schreit es immer wieder in mir auf. Mir ist bewusst, dass das ganze Adrenalin die Wunde nicht besser machen wird, deswegen muss ich versuchen mich zu beruhigen. Ich nehme mir vorsichtshalber noch ein Handtuch mit. Die vielen schwarzen und weißen Blitze vor meinen Augen und das schwere Gleichgewicht machen es mir nicht gerade einfach mir noch etwas zu trinken dazu zu holen. Erschöpft und am ganzen Leib zitternd lege ich mich auf die Couch im Wohnzimmer. Zur Decke blickend halte ich mir weiter das Handtuch darauf und versuche einzuschlafen. „Morgen … muss ich unbedingt zum Arzt.“ Als am nächsten Morgen alle wie gewohnt zur Schule kommen, bin ich nicht da. Zuerst bemerkt es keiner, da der Rotschopf ja auch nicht da ist. Erst später, die letzten beiden Stunden taucht auch er auf. Als er sich setzt ist er plötzlich beunruhigt. Der Neuen ist heute auch schon aufgefallen wie nervös ihr Freund heute doch ist. Er erinnert sich zwar nicht an das was er angerichtet hat, doch weiß, dass zuschlagen nicht die richtige Lösung war. „Lys, wo ist er heute?“ „Hmm?“, sieht er endlich aus seinem Notizbuch hervor, „Keine Ahnung. Ich habe nichts mitbekommen oder ich hab's vergessen.“ „Das zweite doch wohl eher oder Lys!“ „Ach naja, vielleicht ist er nur krank.“ Zugleich dreht sich auch mal Kentin um. Obwohl er sonst nie etwas zu Reisbällchen sagt, muss es heute mal sein. „Nein nein, irgendwie ist etwas komisch. Er antwortet auch gar nicht auf meine Nachrichten..“ Dabei jedoch fühlt sich Cas ertappt, „Ähm ja, das könnte vielleicht daran liegen, dass ich sein Handy noch habe. Uuups!“ „Na super! Das erklärt dann wohl auch warum manchmal so komische Antworten kommen!“ Hätte ich ja auch selber drauf kommen können! Vollidiot! Mino würde mir doch nie auf 'was machst du' mit 'mir einen runter holen' antworten. Wie dumm bin ich aber auch! Trotzdem, irgendetwas stimmt nicht. Im nächsten Moment steht schon ein Mädchen mit orangenem Haar bei den Jungs. „Sagt mal habt ihr das auch gehört? Gestern sollen sich noch welche abends in der Schule geprügelt haben. Misami hat mir das erzählt. Ich weiß gar nicht so genau, woher sie das hat aber … Hmm?“, ihre Blicke fallen eindeutig auf Castiel, „Dann warst du daran wohl beteiligt Castiel?“ Sofort verstummt er. Er hat diesmal wirklich überhaupt keine Ahnung wovon sie spricht. Sie jedoch zeigt sogar noch auf die kleinen Flecken auf seinem schwarzen Oberteil. „Ich meine deswegen. Das ist doch getrocknetes Blut oder?“ Erschrocken schaut er darauf. Sie hat Recht, da ist wirklich Blut auf seinem T-Shirt. Er muss eine Weile überlegen eh er auf die Idee kommt, dass es von mir stammt. Ich habe gestern wirklich überhaupt nichts mitbekommen. Er wirkte so normal, naja aggressiv aber ansonsten … warum habe ich denn nicht besser aufgepasst! Verdammt! , da fällt ihm auch schon ein, mit welchen Sprüchen er mich gestern angequatscht hat und wie er mich provozieren wollte. Er gibt schon längst sich die Schuld daran, obwohl er doch gar nicht weiß was passiert ist. Er glaubt, er hätte aufmerksamer sein sollen. Auch die anderen merken die Unruhe in ihm, vor allem Kentin und Lysander. Zur selben Zeit, wie die anderen eben zur Schule gehen, werde ich durch ein Klingelzeichen geweckt. So oft es auch klingelt, ich stehe nicht auf. Ich spüre wie trocken meine Lippen über Nacht geworden sind und als ich meine Hand schwerfällig nach oben halte sehe ich die Blässe in meiner Haut. Ich weiß ja, dass ich auch so schon kein Typ für Bräune bin aber das ist wirklich zu hell! Angestrengt nehme ich das Handtuch von mir. Es ist schwer, denn es ist zum Teil schon fest getrocknet. Als ich es löse ist mir auch klar, dass die Wunde wieder aufreißen wird. Als das Klingelzeichen verstummt bemühe ich mich endlich mich aufzurichten. Ich trinke das ganze Glas sofort leer, doch das bringt mir nur wenig Leben in meinen Körper zurück. Notbedürftig verbinde ich mir gleich darauf meinen Kopf. Ohne in den Spiegel zu sehen macht es natürlich nicht einfacher. Obwohl es wohl das dümmste ist was ich tun könnte, so lasse ich die getragene Jacke an. Die zweite will ich nicht auch noch voll bluten. Ich schaffe es wirklich bei praller Sonne und belebter Stadt unerkannt zum Arzt zu kommen. Woher ich weiß wo der ist? Das war gleich das erste was ich mir merken musste nachdem wir hier her zogen. Ich bin nur froh, dass keiner aus meiner Schule hier sitzt. Sobald ich auch nur zur Tür herein komme machen mir die anderen Patienten schon Platz. Es stimmt, es war wohl ziemlich dumm von mir zu einem normalem Hausarzt zu gehen aber bis in die nächste Stadt ist es mir einfach zu weit und Notarzt rufen? Nein danke. So viel Aufmerksamkeit brauche ich bestimmt nicht! Natürlich werde ich sofort aufgerufen. Der Arzt nimmt mir den Verband ab und sieht sich die Wunde genau an. Wobei genau heißt, dass sogar er sich davor ekelt. „Sie hätten früher kommen sollen junge Dame. Ihr Auge hat sich dadurch sofort entzündet. Wir werden nicht drum herum kommen das zu operieren. Wir haben die nötigen Mittel dafür hier aber leider ist erst morgen OP Tag und der ist eigentlich voll. Natürlich machen wir in solchen Fällen auch ausnahmen. Sprich also wir machen dir für morgen einen Termin ja. Bis dahin ruhst du dich aus, isst und trinkst viel und bewegst dich nicht zu viel. Du wohnst doch gleich hier um die Ecke nicht wahr? Schaffst du das oder wirst du abgeholt?“ „Das schaffe ich schon!“, halte ich mich wacker, auch wenn mein Körper zittert. Das einzige worüber der Mann sich wundert ist meine Stimme. Obwohl ich die Jacke nun aus habe halte ich diese noch immer. Er braucht eine Sekunde, um den Faden wieder aufzunehmen. „Na gut, dann gebe ich dir jetzt noch ein bisschen etwas mit und Rezepte und dann kannst du dich wieder ausruhen. Du kannst doch schlafen oder?“ Bei der Frage jedoch bleibe ich still. Er hakt gar nicht weiter nach und steckt mir noch weitere Tabletten ein. „Die nimmst du sobald du zu Hause bist ja.“ Es ist schön, wenn man auch ohne Worte verstanden wird. Ich nicke nur und ziehe die Jacke daraufhin wieder an. Der Arzt ist so freundlich und hilft mir dabei. Es stört mich nicht mal, wenn er mich anfasst. Alle Aufgaben die er mir aufgetragen hat hat er extra auf einen Zettel geschrieben, damit ich auch ja nichts vergesse. Langsam vor mich her trottend löse ich alle Rezepte ein und hiefe meinen Körper wieder nach Hause. Da angekommen benutze ich wie aufgetragen die Salbe für die Entzündung und wickle dann erneut den Kopf ein. Auch ohne Tablette fühle ich mich schon schwach genug um fast einschlafen zu können, doch dann …
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