Es ist so still geworden. Es hat eine ganze Weile gedauert, eh ich mich wieder daran gewöhnt habe aber nun ist es völlig entspannend. Die Ruhe ist schön und allein die Straßen entlang zu laufen sorgt nur für noch mehr Entspannung. Zumindest so lange, bis rechts neben mir ein freies Feld auftaucht. Es ist riesig. Man sieht weder links noch rechts ein Ende und bis nach ganz hinten durch kann man auch nicht schauen und doch ist es übersichtlich. Alle Steine auf dem Feld sind in Reihen angeordnet. Lediglich ein paar Bäume spenden mal Schatten, schützen die Trauernden vor den Blicken anderer. Das eben noch rechts neben mir liegende Feld befindet inzwischen direkt vor mir. Ich bin den Weg hinauf gegangen, bin der Straße weiter gefolgt, bis zum Eingang des besagten Friedhofes.
Ich weiß nicht was mich dazu treibt hier hinein gehen zu wollen. Vielleicht ist es die Hoffnung auf noch tiefere Ruhe und – und Stille. Ich will einfach keinen mehr um mich haben müssen, zumindest zur Zeit nicht, noch nicht. Diese Woche mit den anderen aus meiner Klasse war zwar schön aber das Jetzt genieße ich noch viel mehr. Wir waren eine Woche lang in England, gleich als die Ferien begannen. Wir waren gefühlt einfach überall, die Mädchen haben für viel Action gesorgt, wollten immer shoppen und sich alles ansehen. Wir waren in vielen Museen. Sie haben mich einfach mitgeschleppt. Auf großartige Proteste hatte ich eh keine Lust und nachdem – nachdem ich IHN da gesehen habe, war mir sowieso alles vergangen. Ich weiß, ich weiß, die ganze Klasse hat sich unzählige Museen, Sehenswürdigkeiten, Parks und sogar berühmte Straßen angesehen aber ich habe etwas gesehen, was sonst keiner sehen konnte. Harmony. Er war da, zumindest glaube ich das. Der Friedhof hier erinnert mich irgendwie an den in England, an dem ich ihn habe vorbei gehen sehen. Ich konnte ihm nur von weit entfernt hinterher sehen, deswegen ist es ja auch nur eine Vermutung. Gott, ich hatte ihn so oft gesehen, aus allen Winkeln und am meisten von hinten aber in dem Moment … war er es? War es nicht nur eine Halluzination? Jedenfalls … seit seinem Verschwinden ist ein halbes Jahr vergangen. Inzwischen ist es wieder richtig warm geworden, der Winter ist vergangen, noch bevor er richtig beginnen konnte. Es gab nicht mal Schnee. Als richtig kalt konnte man es auch nicht bezeichnen aber vielleicht habe ich es auch einfach anders wahrgenommen. Mir war lange Zeit egal wer, wann, was, wo getan hat. Als ob dann das Wetter irgendeine Rolle gespielt hätte! Heute aber spüre ich die Wärme auf meiner Haut und höre den Vögeln zu, wie sie hell zwitschern. Der leichte Wind schwächt die Wärme der Sonne etwas ab. Es ist wie gesagt einfach angenehm geworden … Ich bin unbemerkt den breiten Sandweg entlang gestapft, durch den man zu jeder Reihe des Friedhofes gelangen kann. Der Sand unter mir ist hell, weiß, soll wohl so etwas wie Reinheit und Unschuld ausdrücken. Links und rechts davon stehen größere weiße Steine mit Buchstaben und Nummern darauf geschrieben und daneben beginnen dann auch sofort die Gräber. Der Wind jedenfalls – der lenkt mich total von dem ab, was ich da vor mir alles sehe. Der Wind, der eine leise Stimme über den ganzen Weg erklingen lässt. Es klingt immer zunehmender, als würde da wer singen. Es klingt schön, wirklich schön. Meine Beine, mein Körper geben unter dem wundervollen Klang nach. Sie folgen ihm, wollen wissen, wer da so schöne Töne von sich gibt. Ich bin wirklich neugierig, so neugierig. Es ist einer dieser besagten wenigen Bäume, welcher mir einen direkten Blick auf die Person verwehrt aber auch der ist verschwunden, als ich nach und nach drum herum gelange. Die Stimme ist lauter geworden, je näher ich gekommen bin und klingt doch nicht störend, so dass sich andere Besucher beschweren könnten. Als ich die Person sehe, wie sie da auf einem Grabstein sitzt, mit einer Gitarre auf dessen Schoß und geschlossenen Augen, erstarrt mein Körper. Meine Augen werden spürbar größer, versuchen zu erfassen, was mein innerstes nicht erfassen kann und wohl auch nicht will. Das halbe Jahr, ich habe das komplette halbe Jahr gebraucht, um vergessen zu können … ach verdammt! Scheiße! Mein Atem hat ausgesetzt und mein Körper tut nichts mehr. Er ist erstarrt, für eine ganze Weile erstarrt. Mein Kopf droht zu platzen bei all den Gedanken die nun in mir anfangen neu aufzuleben. So viele Fragen, so viele Dinge, die ich ihm am liebsten sagen würde … aber … Schritt für Schritt, ohne diese wirklich realisieren zu können, sehe ich nur, wie ich ihm näher komme. Näher. Näher, näher und näher. H-Harmony
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Zu Anfang noch ohne Farben, das würde sonst die Spannung ein wenig raus nehmen :)
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