Trotz allem was ich von mir gebe und eben noch getan habe, die Tränen, die mir bis eben in den Augen hingen, fließen nun von ganz allein. Das ist alles zu viel für mich. Ich bin einfach nur noch froh, dass es vorbei ist. Tala lässt es sich nicht nehmen zu mir zu kommen und mich in seine Arme zu nehmen. Schützend legt er beide Arme um mich.
„Ist ja gut, es ist vorbei!“, wiederholt er es für mich und spricht endlich das aus, worauf ich seit einer Weile gewartet habe. „Vielen Dank für Ihre Hilfe.“, kommt der zweite Polizist zu uns herüber. „Kein Problem aber das nächste mal bitte ohne Verletzte!“, versucht Tala die Stimmung zu heben, ohne Erfolg. „Wie bitte? Das nächste mal?“, reagiere ich angekratzt, „Ich hoffe doch, dass es kein nächstes mal geben wird.“ „Das war nur ein Scherz.“ „Dafür aber ein ziemlich schlechter.“, beschwere ich mich bei ihm. „Sie müssen dann noch ihre Aussage machen, junge Dame. Ich denke doch mal, dass sie den Kerl anzeigen wollen.“ „Nun ja, ja eigentlich schon aber … ich bin mir nicht sicher.“, weiß ich nicht recht weiter. Alle sehen mich verwundert an. „Du wirst den Kerl anzeigen und ihn auf alles verklagen, auf was du ihn verklagen kannst. Ist das klar!“, zieht der Rotschopf wieder seine andere Seite auf. Ein hastiges, stummes nicken meinerseits folgt. Ich will ihn nicht weiter so erleben. Wenn ich etwas sagen würde, wer weiß wie falsch das jetzt wieder wäre. Anschließend drehe ich mich wieder zu den Männern um. „Ich tue, was er sagt.“ Die beiden müssen lachen. Was sie denken, will ich eigentlich gar nicht wissen, doch einer von ihnen lässt es sich ja nicht nehmen, auszusprechen, was er uns zu sagen hat. „Ihr seit aber ein hübsches Pärchen.“ „Wir sind kein Pärchen!“, protestieren wir beide lauf, woraufhin sie nur noch mehr lachen müssen. Sie nehmen uns in ihrem Wagen mit. Tala ist Zeuge, also muss er auch mit, abgesehen davon wollte er eh auf mich warten. Außerdem gibt es für ihn noch genug offene Fragen, die er jetzt im Auto geklärt haben will. „Was hatte das nun eigentlich alles mit der Aktion im Wald zu tun? Ich wette das steht damit in Verbindung. Du weißt es doch oder?!“ „Ja, ich habe mich daran erinnert. Weißt du, da war so ein komisches Geräusch im Wald und irgendetwas daran hat mich neugierig gemacht, also bin ich da hin. Ich weiß nicht mal selber warum ich das getan habe. Als ich danach gesucht habe, hat er mich vorher abgefangen. Er hatte diese Ast in der Hand. Das ging alles so schnell. Ich weiß nicht, was er damit erreichen wollte aber ich glaube, er hat sich nur meine Nummer genommen. Wie gesagt, er quält gerne Menschen.“ „Falsch, er quält dich gern! Die Frage die sich mir da stellt ist, warum gerade dich?“ Die Antwort die er da verlangt ist sehr schwer für mich auszusprechen. Ich schlucke hart und fasse mich dann kurz. „Er – Er … Er ist mein Exfreund.“, versuche ich so leise wie nur irgend möglich zu sein, in der Hoffnung, er versteht es nicht und würde auch nicht nochmal nachfragen. Doch all meine Hoffnungen sind unlogisch. „WAS! Das ist jetzt nicht dein ernst oder? Mit so jemandem warst du zusammen? Wie alt ist der überhaupt?“, muss er sich kontrollieren überhaupt noch atmen zu können. „Ein Jahr älter als du.“ „Das wird ja immer schöner und jetzt verrate mir endlich dein Alter! Sage bloß noch 18 oder so?!“ Für die Polizisten war Talas Reaktion darauf mehr als eindeutig. Und der will nur Freundschaft? Dafür bläst der sich ganz schön auf. Dabei stimmt das gar nicht. Tala ist es nur nicht gewohnt so etwas durch zu machen und macht sich einfach nur Sorgen. „Was wäre denn so verkehrt daran? Das sind doch nur drei Jahre Unterschied. Das wäre ein Traum.“ „Dann sage schon, na los, wie Alt bist du?“, hakt er immer böser werdend nach. „Sechzehn … die meisten sagen aber, ich sähe aus wie zwölf, wegen meiner Größe.“ Man sieht Tala an, dass er sich zusammen reißt aber was hätte ich denn sagen sollen? „Fünf Jahre Unterschied?! Findest du das nicht ein wenig zu extrem?!“, kann er sich nicht mehr halten. Es platzt einfach aus ihm heraus. „Na na Junge, für euer Liebesgeflüster habt ihr später auch noch Zeit. Reißt euch mal etwas zusammen.“ Wir zucken beide zusammen, drehen uns jeweils zu einer anderen Seite und werden rot. Ich, weil es mir peinlich ist, dass sie das ständig behaupten und Tala, weil er wütend ist. Im Revier muss zuerst gleich ich meine Aussage machen, bevor ich doch Angst bekomme und nichts mehr verraten will. Da hat der Rotschopf genug Zeit, sich Gedanken zu machen. So ganz hat er noch nicht realisiert, was ich ihm da alles erzählt habe. Meinte sie nicht erst, dass sie ein seltsames Geräusch im Wald gehört hat? Was das wohl war? Aber ...ich habe dieses Geräusch doch auch gehört. O nein, nicht das auch noch. Wäre mir dieser dämliche Streit mal aus dem Kopf gegangen, dann hätte ich alles von Anfang an verhindern können! Eigentlich gibt es keine gerechte Strafe mehr, für diesen Bastard aber er sollte wenigstens lebenslänglich bekommen! Dann muss er auch schon in den Befragungsraum. Er erzählt alles, was ihm einfällt und was ihm aufgefallen ist, was er gesehen hat und wovon er etwas weiß. Sie befragen ihn wie in einem schlechten Krimi. Als er endlich gehen darf, glaubt er ja schon ich wäre längst Heim, doch im Vorraum auf einer Bank sitze ich und warte auf ihn. „Du bist ja noch hier? Ich dachte du wärst schon zu Hause.“ Ich schüttle nur meinen Kopf, dabei halte ich mir meine Schulter. Ich habe mir die Kugel schon entfernt und die Blutung ordentlich gestoppt. Er versteht nicht, warum ich das Krankenhaus so sehr meide und das muss er auch nicht. Er kommt mir näher und hockt sich vor mich auf den Boden. So kann er mir immerhin endlich ins Gesicht schauen. Mir ist das unangenehm aber ich tue nichts dagegen. „Ich will nicht nach Hause.“, flüstere ich heiser. Meine Stimme hat einfach nachgegeben in den letzten Stunden. „Warum denn nicht? Glaubst du immer noch, dass er dir folgt? Der Kerl sitzt jetzt erst mal in U-Haft. Mach dir keine Gedanken deswegen. Außerdem sind doch deine Eltern da oder?“ Darauf will ich lieber gar nicht erst antworten. „Soll ich dich nach Hause bringen?“, bietet er sich mir an. Doch ich verneine. Er legt mir eine Hand ganz vorsichtig auf meine Wange. Ich zucke zusammen. Es überrascht mich irgendwie, auch wenn ich ihm bei jeder Bewegung zusehe. Ich bin eiskalt, mein ganzer Körper ist das. Ich friere sogar noch hier im Gebäude. „Hey was ist denn? Warum willst du nicht nach Hause?“ Was soll ich ihm jetzt sagen? Wie würde er wohl reagieren? Ich mag es nicht, davon sprechen zu müssen. „I-I-Ich habe – habe dich angelogen.“, das ist nicht das was er hören will, doch er hört mir weiter zu. Vorher sehe ich von ihm weg, „Ich bin allein, ganz allein. Niemand wartet zu Hause auf mich.“ Immerhin versteht er jetzt meinen Wunsch nach Gesellschaft und dabei ist mir egal, auf wie vielen Beinen sie laufen. Er würde auch nicht allein sein wollen. Trotzdem, obwohl es mir so schwer gefallen ist ihm das zu sagen, entlockt es ihm ein kleines schmunzeln. „Dummkopf! Warum hast du das nicht mal eher gesagt. Dann komm einfach wieder mit zu mir. Ist das ok?“ Noch immer bedrückt und am ganzen Leib zitternd stimme ich zu. Vorsichtig hilft mir der Rotschopf aufzustehen. Ich schaffe es kaum mich auf meinen Beinen zu halten. Jedes Stück, an dem man meine Haut sehen konnte, sieht man mehr Knochen und Wunden, als alles andere. Blau ist auf jeden Fall alles, sei nun dahin gestellt ob wegen der Schläge oder der Kälte. Keines von beidem ist besser. Er hält mich lieber gleich am Arm fest. Sobald wir vor die Tür treten, bekomme ich meine Zähne nicht mehr zusammen. Der neben mir zögert keine Sekunde seine geliebte Jacke auszuziehen und sie mir über die Schultern zu hängen. Ich kann es kaum glauben und starre ihn erschrocken an. „Jetzt sieh mich nicht so an, sonst glaube ich noch das war ein Fehler! Los jetzt, sonst verpassen wir noch die Bahn.“, zieht er mich mit sich. Ich versuche mit ihm Schritt zu halten und sehe schon die Station, als ich zusammen fahrend zu Boden sinke. Er sieht es zum Glück nicht mal. Sofort stehe ich auf, damit das auch so bleibt. Als wäre nichts gewesen, lasse ich mich von ihm mitzerren. Er packt mir schon am Arm, damit wir es noch schaffen. Gerade als wir ankommen, fährt auch die Bahn ein. Dann endlich können wir uns setzen. Er bemerkt die komischen Blicke der anderen drei Fahrgäste. Sie sehen nicht mal deutlich auf meinen halbnackten Körper, sondern auf den Boden, als auch er es endlich bemerkt. Verzweifelt genervt greift er sich an die Stirn. „Was hast du jetzt schon wieder gemacht?“, fragt er zu gereizt nach. Ich bekomme wieder Zweifel, ob er mir wirklich helfen will.„Ich? G-G-G-Gar nichts! Alles ok.“ „Und warum lügst du jetzt schon wieder? Ich sehe das Blut auf dem Boden!“ Ich muss feststellen, er hat recht. Ich habe es bis eben nicht mal selber bemerkt. „I-Ich bin wo rein getreten.“, gebe ich mit gesenktem Blick und auf der Lippe knabbernd zu. „Bist du wirklich so tollpatschig oder tust du das mit Absicht?“ Ich weiß nicht mal was ich darauf antworten soll. Ich kann doch nichts dafür. „Soll ich sie dir entfernen?“ Sobald er das ausspricht, vergrabe ich meine geschundenen, nackten, schmutzigen Füße unter der Sitzbank. Nur bei dem Gedanke daran, dass er seine Hände daran legt, wird mir schlecht. Ich schüttle heftig mit meinem Kopf und wedle gleichzeitig mit meinen Händen vor mir rum. „Ist ja schon gut, schon gut.“, beruhigt er mich behutsam. Hier drinnen will ich auch nicht, dass mir jeder dabei zusieht, wenn ich mir die Scherben da raus hole. Am aller wenigsten muss der Rotschopf das sehen. Ich versuche die ersten Meter allein zu laufen. Es tut weh aber nicht sehr schlimm, wenn ich auf Zehenspitzen gehe. Tala jedoch hat es eilig. Er will endlich Heim und jetzt wo es nicht mehr so weit ist, will er noch viel schneller da hin. Also nimmt er mich kurzerhand auf seine Arme. Er trägt mich den ganzen Weg über. Ich klammere mich halb an ihm fest, aus Angst, er würde mich fallen lassen. Als sein Haus endlich in greifbarer Nähe ist, merkt man ihm die Freude an. Unweigerlich stellt sich mir die Frage, freut er sich darüber, mich mit zu sich Heim zu nehmen oder einfach endlich Heim zu sein, vollkommen egal unter welchen Umständen? Ich glaube, es ist eher das zweite. Ohne Umwege schafft er mich sofort in sein Badezimmer. Sobald ich drinnen stehe, schaue ich mich um wie ein scheues Kätzchen in einer zu großen Umgebung. Das Bad ist für meine Verhältnisse viel zu groß. Ich vermute, es nimmt die Hälfte des gesamten Hauses ein. Als ich mich umsehe, entdecke ich eine große Badewanne, für mindestens zwei Personen, eine große Dusche, fast wie die Sammelduschen in einem Schwimmbad und einen Whirlpool. Vielleicht ist ja auch erwähnenswert, dass die Toilette, zwei Waschbecken und eine Bank hinein passen! Tala setzt mich auf der Bank ab und holt mir einem Pinzette. Ich warte ruhig bis er wieder kommt.ohne auch nur ein Wort an mich zu verlieren, geht er. Ich brauche fast zehn Minuten. Durch die Kälte in meinen Beinen bekomme ich nicht all zu viel mit, nur die brennende Wärme, durch die Hitze im Badezimmer. Daraufhin suche ich mir einen Verband und wickle den etwas zum Schutz darum. Mit den Scherben in der Hand und auf einem Bein, begebe ich mich auf die Suche nach dem Rotschopf. Aus der Küche hallt das geklapper von Geschirr. Dem Geräusch folgend, finde ich auch ihn. Ich bleibe im Türrahmen stehen und lehne meinen Kopf dagegen. Mit beiden Händen halte ich daran fest, bevor ich umkippe. Er kümmert sich gerade um den liegen gebliebenen Abwasch. „Soll ich dir helfen?“, spreche ich endlich mit ihm, auch wenn viel zu leise. Anfangs realisiert Tala es gar nicht in seinem Eifer. Als er sich dann aber mal zu mir wendet, darauf wartend wo ich bleibe, sieht er mich endlich und realisiert meine Frage. „Du und mir helfen? Setz dich lieber, ich habe dir Tee gemacht.“ Irgendwie verletzt mich seine Einstellung. Leicht geknickt tue ich was er sagt. „Wo ist deine Mutter?“, erkundige ich mich noch zaghafter als vorher schon. „Die habe ich eben ins Bett gebracht. Sie ist wieder am Tisch eingeschlafen, neben meinen Flaschen!“ Er verschwendet keinen einzigen Blick an mich. Also nehme ich mir den Tee und gehe zu ihm rüber. Eine Weile lang sehe ich ihm zu, als es mir genügt, lege ich einfach eine Hand auf einen seiner kräftigen Oberarme. Allein durch die Kälte, die ich ausstrahle, dreht er sich zu mir um. „Ist was?“, fragt er mich, den Anschein nach sauer. Ich reiche ihm einfach nur den Tee hin und setze ein schwaches lächeln auf, „Hier, ich glaube den kannst du besser gebrauchen.“ Man sieht ihm an, wie er durchdrehen könnte. Er überlegt, was er jetzt tun sollte. Er braucht erst mal eine Weile, um zu begreifen, dass ich neben ihm stehe. Er wirft das Tuch endlich zur Seite und nimmt sich den Tee. Prustend lässt er sich gegen den Schrank hinter sich fallen. „Was ist? Du hast irgendwie immer schlechte Laune, wenn wir hier sind.“ Wieder überlegt er, „Das war vielleicht doch etwas viel Heute und dann noch meine Mutter.“ „Was ist denn mit ihr?“ „Sie war mal Alkoholabhängig nach der Trennung von meinem Vater.“ „Und jetzt? Hat sie wieder damit angefangen?“ Er nippt an Tee und hat so Zeit nachzudenken. Er nickt mir zu. „Warum trinkt sie? … Etwa wegen …“ Noch eh ich ausspreche, dreht er sich weg. Tala wirkt gequält. Jetzt bin ich diejenige, die überlegen muss und ich entscheide mich dafür zu gehen. Schon beim ersten Zimmer habe ich Glück, es ist ihres. Sie trinkt also? Mal sehen, ob man da nicht etwas gegen tun kann … Nach etwa drei Minuten wendet sich Tala wieder zu mir und meint kurz und knapp, „Ja, wegen dir!“, doch da bin ich schon weg. Er weiß schon genau, wo er nach mit suchen muss. Ich sitze noch immer auf dem Bett seiner Mutter. Er öffnet die Tür leicht und das einzige, was er noch sieht, ist dieses kleine, weiße Licht am Kopf seiner Mutter. Er kann sich nicht vorstellen, was das sein soll, da es ja auch nur für einen kurzen Moment sichtbar war. Eigentlich will er mich sofort frage, was das gewesen ist und was ich da getan habe, doch bevor er das tun konnte, kippe ich einfach um. Erneut reagiert er schnell genug u mich aufzufangen. Die grellen Herbststrahlen der Sonne schimmern durch das Fenster, direkt auf mein Gesicht. Es ist so wunderbar warm, es löst ein gutes Gefühl in mir aus. Meine ganze Haut prickelt, bis sich sogar schon meine Härchen aufstellen. Ein tiefes einatmen versichert mir, dass ich tatsächlich wach bin. Da ist wieder dieser Geruch nach Herbst, nach dem Laub, der nassen Wiese, den Pilzen und natürlich den … den Frettchen. Nur ungern will ich jetzt meine trägen Lider öffnen. Zuerst strecke ich all meine Gliedmaßen von mir und drücke meinen Rücken durch, bis alles mindestens zweimal geknackt hat. Erst dann nehme ich erneut das geklappere in der Küche wahr. Nach kurzem überlegen, erhebe ich mich endlich aus dem kuschelig, weichem Bett. Hastig zwinkere ich, bis das verschwommene Bild vor meinen Augen aufklart. Mädchenzimmer: überall Puppen, pinke Pferde und eine genauso pinke Tapete an der Wand. Na hoffentlich das Gästezimmer und nicht seines! Ein paar Sekunden später, als hätte er mich irgendwie gehört, öffnet sich die Tür. „Du bist also endlich wach ja?“ Der quirlige Junge geht zu aller erst zum Fenster und öffnet es so weit, wie es nur geht. Ist das wirklich Tala? Der Tala? Ich nehme mir gerade eine der unzähligen Puppen zur Hand und zeige sie Tala. „Das ist aber nicht dein Zimmer oder?“ Ein kichern ertönt, „Nein, das ist nur so etwas wie ein Gästezimmer.“ „Zum Glück aber eure Gäste müssen auch einiges aushalten, wenn sie wach werden.“, hauche ich so leise, dass er es nicht versteht. Also spricht er einfach weiter, „Aber ich gebe zu, ich hatte früher auch mal so eine.“ „Ok, zu viele Details!“, mahne ich ihn und damit ist das Thema beendet. Tala kann darüber nur lachen. Er lacht! Doch ein Blick auf den Wecker neben mir, lässt mich zu Eis erstarren. Wir haben es bereits Montag „Wie lange habe ich denn geschlafen?“ „Gestern den ganzen Tag durch, bis jetzt eben. Genau wie meine Mutter, die ist ebenfalls erst jetzt wach geworden. Sie hat sich sofort für alles entschuldigt und will nichts mehr mit Alkohol zu tun haben.“ Das ist doch mal eine gute Nachricht für einen Montag. Außerdem scheint er deswegen so gute Laune zu haben, also freut mich das glatt noch mehr. Ich lasse jeden Kommentar bei mir, bevor diese so selten gut gelaunte Miene wieder verschwindet. Tala verlässt grundlos das Zimmer. In der Zeit bewege ich mich endlich mal. Mit einem Schwung schlage ich die Decke auf und setze meine Füße auf den Boden. Da huscht noch mal ein flüchtiger Blick auf den Nachttisch. Da liegt doch tatsächlich ein Geschenk! Sobald ich etwas weiter sehe, entdecke ich auch zwei Frettchen, die bei mir unter der Decke lagen. Daher also der Geruch. Mit einer Hand streichle ich beide und lasse mich wieder zurück fallen. Mit der anderen greife ich nach dem bunt verpackten Gegenstand. Es steht nichts darauf, auch keine Karte hängt daran. Ich will es gerade zurück legen, als der Halberwachsene wieder kommt. Er setzt sich zu mir aufs Bett und scheint auf irgendetwas zu warten. Da ich mich aber nichts getraue zu tun, außer die Tiere zu streicheln, schubst er mich etwas an. „Das ist für dich, keine Angst. Nun mache es schon auf.“ Für eine Weile zögere ich noch, doch die Neugierde siegt. Es scheint demzufolge von ihm zu sein, wenn er schon so genau zusieht. Sobald die Hüllen fallen, erkenne ich, dass … dass es ein neues Handy ist und noch dazu eines der neueste auf dem Markt. Leicht entsetzt und verunsichert, lege ich es lieber wieder zur Seite. Warum schenkt er mir auch so etwas teures? „Was ist, gefällt es dir nicht?“, will er missmutig wissen. Ich räume ihm jeden Zweifel aus dem Gesicht, „Das war doch bestimmt teuer oder? Das kann ich nicht annehmen.“ Doch er legt es mir wieder auf den Schoß, „Jetzt nimm schon. Dein altes ist kaputt und ich wollte dir auch nicht nur eine neue Karte besorgen, also nimm!“, bittet er mich liebevoll, also tue ich es. Ich spüre die Hitze in meinen Wangen. Werde ich jetzt schon wieder rot? Genau wegen so etwas, nehme ich keine Geschenke an. Das ist mir viel zu unangenehm. Als ich deswegen einen Blick nach unten werfe, muss ich noch etwas feststellen, etwas noch viel unangenehmeres! „W.W.W.Wo sind m-meine Sachen hin?!“ Ruckartig stehe ich auf, was es nur schlimmer macht. „Tut mir leid, ich wollte nicht, dass du dich so sehr erschrickst. Ich habe sie dir nicht ausgezogen, versprochen! Sie sind schon von ganz allein auseinander gefallen. Gerade mal so dein Shirt hält noch zusammen.“ Das kann ich sehen! Es wundert mich, dass es überhaupt noch hält, bei so vielen Löchern und Rissen. Ich fühle mich einfach nur noch unwohl. Der Rotschopf steht schon an der Tür. „Na komm, ich habe das Bad für dich reserviert, danach gibt es Essen. Hast du einen speziellen Wunsch?“ Ich fühle mich wie überfahren von alle dem, was er mir erzählt. Ich folge ihm einfach nur noch, der Rest ist egal. Im Bad fragt er mich nochmal, doch da bestaune ich schon ein zweites mal die Größe. Mich endlich aus meinen Gedanken befreiend, drehe ich mich endlich zu ihm. „Also, ähm, nun ja, nichts spezielles eigentlich, nur halt nicht, was mit Fleisch zu tun hat.“ „Isst du wohl nicht gerne?“ „Könnte man so sagen, ja.“ Erst dann entdecke ich die Sachen, die auf der Bank liegen. „Ach ähm, ich habe mir erlaubt, dir welche zu besorgen.“ Als ich darauf schaue, staune ich, „Woher kanntest du meine Größe?“ „Geraten. Nur bei der Unterwäsche wusste ich nicht so recht.“ Rot werden, kneife ich meine Augen zusammen, „Das hat dich auch nicht zu interessieren!“ „Jetzt komm schon, verrate es mir, sonst weiß ich ja gar nicht, ob ich das richtige besorgt habe.“ Dadurch taucht meine Farbe in ein noch viel dunkleres rot ein, „Das ist peinlich, wenn du weißt, was ich drunter habe!“, er sieht mich mit einem treffenden Hundeblick an, „A-A-Also m-meine Körbchengröße die, die kann man nicht, noch nicht messen. Jetzt zufrieden!“ Ratlos starrt er an die Decke und ich blicke so weit weg wie möglich. „Was kauft man denn da einem Mädchen? Ich habe dich wenigstens unter A eingeschätzt.“ „Ist schon ok, bis nach Hause wird es auch ohne gehen.“, werde ich endlich lauter. Er geht aus dem Zimmer und macht Frühstück. Tala's Mutter steht schon am Herd. „Ach ähm mom?“, fängt er irgendwie an. Sie wendet sich halb zu ihm und hört zu. „Können wir heute für drei decken? Ich habe dir da etwas vergessen zu sagen. Also, die Nacht hat jemand bei uns geschlafen.“ „So? Etwa einer deiner Freunde?“ „J-Ja, sozusagen.“ Die Frau versteht nicht, was ihm an dieser Frage so unangenehm ist, dass er dabei rot werden muss. Sie schüttelt sich die Frage einfach aus dem Kopf und macht weiter. „Hat dieser Gast auch spezielle Wünsche?“ „Nicht wirklich, nur kein Fleisch.“ Ihr lächeln wird noch breiter. Umso besser für sie, so muss sie nicht so lang am Herd stehen und es geht einfach. Während die zwei sich so unterhalten, bringt ihr Junge dann doch mal die Frage ein. Nur so nebenbei will er wissen, „Sage mal Mama, was hatte meine Schwester eigentlich früher immer so an, also Unterwäsche mäßig?“ Verwundert starrt sie ihn an, „Du interessierst dich wirklich für die Unterwäsche deiner Schwester? Du bist heute wirklich komisch!“, fällt es ihr leider doch auf. Damit ist das Thema für ihn abgehakt. Er getraut sich gar nicht erst, weiter danach zu fragen. Die zwei Frettchen sind inzwischen auch wach, genauso wie die anderen im Haus. Alle kratzen wie verrückt an der Tür zum Badezimmer. „Die sind heute aber mal wieder neugierig!“, meckert seine Mutter. Und du hast geglaubt sie würden dich nicht mögen. Das sieht jetzt aber ganz ganz anders aus!, macht sich Tala über ihre erste Begegnung inzwischen lustig. Auch ich höre das Kratzen. Ein wenig irritiert, würde ich ja am liebsten nachsehen aber diese riesige Badewanne und das angenehm heiße Wasser sind leider zu überzeugend. Ich würde am liebsten den ganzen Tag hier drinnen verbringen. Trotzdem bleibt meine Sorge um die Ausbildung. Nach knapp einer halben Stunde war das Wasser grau und ich bin wieder sauber. So sauber, wie schon ewig nicht mehr. Ich wickle mir ein Handtuch um mein Haar und eines um meinen abgemagerten Körper. „Das hat jetzt gut getan!“ Schon das zweite mal an diesem Tag strecke ich mich bis alle Knochen knacken. Entspannt setze ich mich auf die Bank. Beim näheren betrachten der Kleidung fällt mir aus, dass das keine gewöhnliche Kleidung sein kann. Einzigartige Verarbeitung und ausgewählte Stoffe. Neugierig schaue ich auf die Zeichen innen. „T&S … das ist eine ganz bekannte Marke und noch dazu eine sehr teure. Woher hat er nur das Geld sich das leisten zu können?“ Irritiert schüttle ich meinen Kopf. Trotz der offenstehenden Frage, trockne ich erst mal meinen Körper ab und ziehe mich um. Es ist so ungewohnt ohne Unterwäsche herum zu laufen, richtig unangenehm. So etwas geht einen Kerl einfach nichts an. Erst recht nicht, wenn man ihn kaum kennt. Da mag er noch so nett, freundlich und höflich sein, das geht ihn schlicht und einfach nichts an! Der Gedanke bringt mich noch mal um, wenn das so weiter geht, also beeile ich mich lieber. Mein Haar trockne ich so gut es nur geht ab. Dann werde ich all mein Haar auf eine Seite über meine Schulter. Der Rotschopf sieht seiner Mutter noch immer bei der Hausarbeit zu. Das macht er sehr oft, anstatt mal zu helfen. Als dann aber alle Frettchen in die Küche geflitzt kommen, muss auch er etwas tun. Am Frühstückstisch haben die nichts zu suchen. Zum Glück lassen sich alle mit ihrem eigenem Frühstück in den großen Innenkäfig treiben. Da er noch immer mit den Tieren beschäftigt ist, bemerkt er nicht mal meine Anwesenheit.als ihm dann eines der Kleinen durch die Finger rutscht, dreht er sich sofort um. Da stehe ich gerade hinter ihm. In seinem Eifer und mit dem Schwung, reißt er mich einfach so mit. Ich hören den Dumpfen Aufprall und als ich meine Augen wieder öffne, stützt er sich geradezu über mich. In seinem Gesicht steigt eine kräftige Röte auf. Als wäre das noch nicht genug, kommt im selben Moment seine Mutter herüber, aus Sorge, ihm könnte etwas passiert sein. Zugleich entwischen ihm wieder alle Tiere. „Egal wo du auftauchst, überall gibt es Probleme,!“, regt er sich schon auf. Ich kann nicht anders und muss lachen, „Ja das bekomme ich oft zu hören.“ Dann endlich erhebt er sich von mir. Er ignoriert mich für die Zeit und fängt erst mal alle Tiere wieder ein. Seine Mutter begreift endlich, warum er ihr heute so komische Fragen gestellt hat. Freundlich, als wäre nie etwas gewesen, nimmt sie mich mit ins Schlafzimmer. „Ich müsste hier noch ein paar alte Sachen haben.“, erklärt sie und sucht zugleich. Ich nehme die Gelegenheit sofort wahr und entschuldige mich endlich, für mein schlechtes Verhalten. Sie nimmt es mir nicht mehr übel. Sie gibt mir ein paar Sachen aus der Schublade und ich warte darauf, dass sie das Zimmer verlässt. Erst dann ziehe ich mich um. Ich bin sehr erleichtert, dass die Frau wenigstens weiß, was man mit meinem Körperbau so tragen kann. Die beiden warten in der Küche auf mich. Das alte Haarband, dass sie mir gab, habe ich mir tatsächlich mit eingebunden. Es hält mein Haar schräg an meinem Kopf zu einem Kopf zusammengebunden. Eine große Schleife entsteht dabei. Tala hat mir ein weiß-rotes und noch dazu bauchfreies Top hingelegt und einen gleichfarbigen, karierten Rock ins Bad gelegt. Immerhin dachte er da noch an eine Leggins, auch wenn diese genauso weiß war. Allein die Schuhe sind schwarz. Außerdem lagen noch schwarze und weiße Stulpen im Bad, für Arme und Beine. Ich habe das Gefühl, er trägt noch immer das Gefühl von Sommer in sich. Frisch gekleidet präsentiere ich mich der kleinen Familie. Mit einem gekonnten Hofknicks runde ich alles ab. Erstaunt bekommen beide ihren Mund nicht zu. Ich kann nicht verstehen was mit ihnen los ist. „Du könntest glatt Model werden, ist dir das eigentlich klar? Hättest du nicht mal Lust darauf?“ Entspannt setze ich mich den beiden gegenüber, „D-D-Danke, s-sagt doch so etwas nicht. Mich würde ja eh keiner nehmen, also was sollen solche Gedanken.“, dann erst wende ich mich dem Rotschopf richtig zu, „Und tut – tut mir Leid, was so in letzter Zeit passiert ist. Ich – Ich wollte dich da nicht mit reinziehen.“ Der Halberwachsene kann sich wieder nur darüber aufregen, „Du sollst doch aufhören, dich die ganze Zeit bei mir zu entschuldigen!“ Ich lass es lieber, noch etwas zu sagen. Schweigend starre ich auf den Teller vor mir und esse etwas. Mit vollem Mund, lässt es sich eh schwer sprechen.
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