Sie sind wieder aufgetaucht, wieder und wieder. Die paar Mal reichen mir schon aus aber ich weiß, dass sie nicht locker lassen werden. Wie sehr ich das hasse!
Und Lex hat es doch gemerkt … verdammt! Er sollte nichts mitkriegen, nicht wegen solchen Kleinigkeiten. Aber wie konnte ich auch glauben, dass er es nicht sehen würde? Da kann ich noch so lange mit den anderen Jungs abhängen und ihn völlig links liegen lassen aber Lex sieht es mir trotzdem an. Nicht mal ich könnte erkennen, ob es mir schlecht oder gut geht. Na ja, vielleicht ist es ja doch gut, dass er etwas gesagt hat. Ich gehe eben die Treppen herunter und aus dem Haus. Mir ist auch klar, dass mein Bro wieder schaut und danach gleich weiter zockt. Eigentlich habe ich keine Lust auf Krankenhaus. Was können die mir schon groß sagen? Nach einer Stunde, die ich im Vorraum der Notaufnahme verbracht habe, weiß ich es. „Sie kommen erst … ist das Ihr ernst, junger Mann?!“, fährt der Arzt völlig aus der Haut. Er vergisst seine Haltung, sogar so sehr, dass nach diesem leichten Wutausbruch ein zweifelndes Schmunzeln zu hören ist: „O Gott, wie lange haben Sie die Wunden denn schon? Wann wollten Sie denn zu uns kommen? Hatten Sie das überhaupt vor?!“ „Hhhhm nö, eigentlich nich' und hörst jetzt wohl auf mich zu Siezen? Das is' echt zu krass, klingt so alt.“ Der Mann schweigt für die Sekunde, hat mich bis eben auch noch nicht sprechen gehört. Irgendwie … bringt ihn das wohl ein wenig durcheinander aber es liegt nicht an der Ausdrucksweise, wie ich gleich erfahren darf. „Sie … ähm, du … sprichst mit mir, als hättest du überhaupt nichts. Wie schafft man das? Na los, Sie … du musst sofort genäht werden.“, berichtet er mir, wendet sich dann an eine Frau hinter sich, „Schwester, holen Sie mir Desinfektionsmittel, Nadel, …“ Ab da habe ich abgeschaltet. Unnötig zu wissen, was die Frau ihm heran schleppen soll. Ich lege mich in der Zeit hin, ziehe mein Oberteil komplett aus und der Kerl neben mir, in seiner sexy Uniform, nimmt die blutdurchzogenen Verbände von mir. Eigentlich lasse ich mir so etwas nicht gefallen aber … als er mir so nah mit dem Kopf kommt, nur um zu sehen und die Wunde vom Eiter und Schmutz zu befreien … „Also, eigentlich bin ich ja in festen Händen aber Ihre könnten noch viel fester sein.“, flüstere ich ihm zu, trotz der Anwesenheit der Schwestern, die aber so beschäftigt sind, dass sie nichts verstehen. Der Mann zuckt regelrecht zusammen. Er tut irgendwie all das, was man von einem Arzt nicht gewohnt ist. Seine Antwort lässt nicht lang auf sich warten. „Ähhhm, d-danke für das Angebot a-aber …“ O Gott, o Gott, dieser Arzt!!! Ich kann es nicht lassen ihn in seinem Satz zu unterbrechen und lauthals los zu lachen. Der Mann unterbricht seine Arbeit, sieht mich nur an und wartet darauf, dass ich mich beruhige. Er kann nicht arbeiten, wenn mein Bauch vor Lachen zuckt und ich mich im Bett krümme. Leider folgt daraufhin auch ein Husten, welches dem Mann nur bestätigt, dass es wirklich notwendig war vorbei zu kommen. „Na, junger Mann, genug gelacht und fertig mit den Scherzen? Du scheinst ja wirklich hart im Nehmen zu sein. “ Ich schenke ihm ein schmales Lächeln, mehr braucht es nicht, um zu verstehen. Seiner Arbeit nachgehend, ignoriert er mich halb. So ganz abschalten kann er nicht. Ich glaube, er hat verstanden, dass das Angebot ernst gemeint war. Nur die Wunde holt ihn immer wieder aus seinen Gedanken. Ich glaube, er ist einer von denen, die Albträume davon bekommen, wenn sie nur daran denken, etwas mit einem Kerl anzufangen. Ich muss ihm wohl so eben den Tag versaut haben … super! Auch nach einer Woche bereitet mir die Erinnerung noch Freude. Ich musste nicht im Krankenhaus bleiben aber … „Was stehst du denn schon wieder auf?! Harmony, du solltest liegen bleiben. Der Arzt hat doch gesagt mindestens zwei Wochen Ruhe! Ich bin doch da, wenn du was brauchst.“, betont er den letzten Satz besonders stark. Lex freut sich jeden Tag darüber, dass ich nur bei ihm herum liege und nichts tun darf. Er macht immer vieeel Essen, also eigentlich perfekt aber dann auch irgendwie nicht. Er nervt extrem mit seiner Sorge. „Es ist doch Nichts, außerdem muss ich auf's Klo. Komm her!“, befehle ich ihm und wende mich vom Schreibtisch ab. Jaaaa … vor Langeweile habe ich angefangen immer mal wieder aufzuräumen und solange er nicht da war, bin ich auch jeden Tag raus gegangen. Das mit dem Klo eben war keine Lüge aber irgendwie schon eine Ablenkung. Lex denkt zu viel und nervt mit seiner Angst, dass die Wunde wieder auf gehen könnte. Er hat sie noch nicht gesehen, sieht aber sehr Wohl die Verbände um meinem ganzen Oberkörper. Inzwischen steht er direkt vor mir, hat meinem Befehl folge geleistet und sieht mich mit seinen großen, runden, kindlichen Augen an. Ich habe meine Arme um seinen Hals gelegt, ziehe ihn zu mir herunter und hauche in den Kuss hinein: „Sage erst mal guten Tag, wenn du schon so früh zurück bist.“ Seine Schultern sinken sofort. Er lässt sich voll darauf ein, verlangt nach mehr, nach meiner Zunge und unbewusst auch nach einer Pause. Mit beiden Händen habe ich über seine Wangen um sein Gesicht gegriffen, spüre seine Ohren zwischen meinen Fingern und bremse damit seine Begrüßung aus. Ich löse mich und er darf nicht nach mehr verlangen, sonst lasse ich sofort los. Er hat sich etwas mehr an meine Zungenküsse gewöhnt. Sein Atem geht noch immer hörbar aber doch schon irgendwie … kontrollierter. Nach so langer Zeit sollte er auch wirklich endlich etwas dazu gelernt haben. „Guten Tag, Liebster.“, haucht er mit halb geschlossenen Augen, genießt den Kuss sogar noch danach. Man merkt, wie er mehr und mehr seine Fassung zurück gewinnt und er fragt sogleich in gleichbleibendem, ruhigem Ton: „Was kann ich dir zu Essen machen? Worauf hast du Hunger? Und bitte, lege dich wieder hin. Ich mache mir doch nur S... G-Gedanken.“ Ohne noch etwas dazu zu sagen, verschwinde ich im Bad. Er soll endlich aufhören mit dem Scheiß. Mir geht es gut, bestens sogar. Der Arzt hat auch nur übertrieben mit den zwei Wochen und das nur, weil ich ihn ein bisschen geärgert habe. Na und? Eine Woche ist ja zum Glück bald rum, länger bleibe ich nicht sinnlos hier liegen und lass mich bemuttern. Zwar nicht gleich wieder in die Schule aber wenigstens wieder mehr Bewegung und Freiraum! Als ich mich zurück in sein Bett lege, ist er noch immer unten in der Küche. Ob er wohl eingeschnappt ist? Bestimmt, ist aber eigentlich auch egal. Sobald er wieder da ist, legt er sich so oder so dazu, wir essen und nachdem ich ihn genervt gefragt habe, was er wohl in der Schule gemacht hat, hat er endlich wieder normal erzählt. Als es dann zumindest mal Donnerstag ist, nachdem sich die nächsten Tage so unendlich gezogen haben, muss ich einfach wieder mehr tun. Also ich meine noch mehr als den ganzen Vormittag draußen rum rennen oder Armin beim Zocken zu schlagen. Mir geht es hervorragend. Die Wunde ist inzwischen vernarbt, die Fäden wurden gezogen und ich muss keinen Verband mehr Tragen. Die Zwillinge sind in der Schule. Je mehr ich darüber nachdenke, desto eher verschlägt es mich diesmal auch da hin. Es ist immer wieder erschreckend vor diesem großen, pinken Gebäude zu stehen und zu wissen, dass man da jetzt rein muss. Doch das hier ist das geringere Übel, also betrete ich das Gelände und schaue zuerst im Klassenraum nach. Hmm … niemand da aber alle Sachen stehen hier. In Lex seinem Plan steht, dass sie eben Sport haben müssen. Das passt ja wunderbar. Endlich wieder Bewegung. Ich tauche mitten im Unterricht auf, habe nur meine Schuhe in der Umkleide gelassen und warte am Rand. Die anderen spielen eben Fußball, na ja, außer die Mädchen halt. Ich lehne mich neben dem Eingang gegen die Wand und warte erst mal etwas. Da fällt mir auf, irgendwie spielen nicht alle Jungs. Jemand fehlt. „Du lebst ja doch noch und wir dachten schon, du wärst sonst wie schwer krank.“ Irgendwie … erleichternd, seine Stimme zu hören. Ich lasse einen Blick nach links schweifen und das Erste was auffällt ist sein leuchtend rotes Haar. „Und du? Heute nicht am Spielen? Etwa krank?“, will ich irgendwie wirklich wissen. Er wirkt immer so sportlich und ärgert am liebsten diesen Army. Es gibt also keinen Grund nicht mitzuspielen. „Nö, hatte einfach keinen Bock. Muss doch meinen Notenschnitt halten.“, grinst er mir breit entgegen und ich kann mir ein leises Lachen nicht verkneifen. Er hält mir eine Faust entgegen und ich schlage ein. „Echt cool, dass es dir wieder besser geht. Alexy hat schon richtig genervt. Jeden Tag das selbe Thema und man war nirgendwo sicher davor.“, berichtet er mir, doch hält sich mit seiner Beschwerde noch immer zurück. Er hat meinen Blick also bemerkt oder sich erinnert, was beim letzten Mal passiert ist, als er zu schlecht von ihm geredet hat. „Ist ja schon gut, ich sage ja schon nichts mehr.“, murrt er. „Habt mich also alle vermisst, ja? Er übertreibt, wie immer. Hoffentlich hat er sich nicht irgendetwas ausgedacht.“, gehe ich innerlich schon durch, wie viel Mühe es mich kosten würde, so viele Geschichten los zu werden. „Keine Ahnung, er schien selbst nicht viel zu wissen. Also? Was hattest du nun? Mal so ganz kurz und verständlich.“ Der Gitarrist hat sich einfach nur zu mir gestellt, als ich nicht direkt darauf antworte, und wir sehen eine Weile lang zu, unterhalten uns und sehen zu, doch zu Zweit scheinen wir mehr aufzufallen als allein, vor allem, wenn wir uns über die Spielweise der Jungs lustig machen. Als ich ihm gerade knapp erklären will was Sache ist, mischt sich da wieder wer ein, winkt uns Beide zu sich. „Ahhhh, da bist du ja Harmony. Dir fehlen Noten und du kannst doch sicher spielen, richtig? Castiel, du im übrigen auch!“ Der Moment reißt alle aus dem Spiel raus. Armin stolpert halb über seine eigenen Füße und der Streber und Kentin rennen ineinander. Bevor auch nur einer etwas sagen kann, lachen wir diese Möchtegern-Spieler aus. Sie beschweren sich sofort, wollen, dass wir beide es besser machen. Was für eine Herausforderung! „Was? Wir Beide? Aber sicher doch!“, rufe ich dem Brünetten entgegen, der sich wohl am meisten beschwert hat. Nathaniel setzt sich eben auf die Bank. Ihn scheint es etwas mehr getroffen zu haben. Seine Lippe blutet – wie heiß. O Gott, da darf ich echt nicht hinschauen. „Aber nicht zusammen!“, mischt sich der Lehrer gleich mit ein, „Da wird sicher kein Spiel draus, wenn ihr zwei in einem Team seid.“ Er nimmt uns damit irgendwie schon den Wind aus den Segeln. Das wäre auf jeden Fall spannend geworden aber so halt als Gegner. Ich grinse den neben mir breit an. „Na dann, mal schauen, ob er Recht behält.“ Klingt das wie eine Aufforderung zum Scheiße bauen? Ich? Niemals! Der Mann erklärt uns, dass sie nicht ausreichend Trikots haben und sie sich ausgemacht haben, dass es ein Team ohne Oberteil gibt. Jetzt verstehe ich, glaube ich auch, warum die Mädchen nur zuschauen wollen … und sollen. Lex, Old Man und Castiel bilden das normale Team und Kentin, Armin und ich das Team ohne Oberteil. O... kaay, damit habe ich jetzt nicht so ganz gerechnet. Mir wäre es lieber gewesen, ich könnte es Lex heute Abend ganz privat zeigen aber so … nehme ich wie immer kein Blatt vor mich, ziehe mein Oberteil aus und … werde sofort im Tun unterbrochen. „H-H-Halt, halt, halt! W-Was ist das denn?“, kommt der Lehrer nun sogar schon auf mich zu. Boaaar, da habe ich einfach keine Lust mehr drauf. Immer solche Erklärungen. Patzig werfe ich ihm entgegen, „'Ne Narbe! Zieht sich quer über meine Brust und meinen Bauch! Sieht man das etwa nicht?! Die hatte ich schon lange, sind nur um einiges tiefer und größer geworden!!!“ „D-Deswegen warst du Krank? Setz dich, setz dich einfach und zieh dir wieder etwas an!“, fordert er mich auf. Ich setze mich, ja aber etwas anziehen deswegen? Nein. Auf dem Weg zur Bank steht auch direkt hinter mir Lex. Er hat so große Augen. Als ob er so etwas nicht hätte ahnen können. Direkt vor ihm stehend, will ich aber eins wissen: „Na, willst du mich immer noch Nachts bei dir haben und mich anfassen?“ Meine tiefe Stimme durchzieht sein Gehör und er schmilzt geradezu. Das letzte Wort ist es, worauf ich es abgesehen habe … und er ganz offensichtlich auch. Lex hat sich näher gestellt und fährt nach prüfendem Blick zu mir herab über die tiefen Kerben der Narben. Er hat wohl endlich verstanden, warum er die Wunde und auch die Nähte nicht hätte sehen sollen. Sie ließ sich nur schwer nähen, wodurch sie sehr breit geworden ist und nun aussieht, als hätte mich ein Grizzly angegriffen. Er hätte sich nur unnötigerweise wieder und wieder übergeben. Seine Hände lösen sich ja kaum davon. Er scheint schon jetzt mehr zu wollen. Seine Stimme zittert, bringt ein leises, nur mir bestimmtes: „Unbedingt!!!“, hervor. Sein letzter Kommentar … ist geradezu eine Bitte und spielt wie Musik in meinen Ohren.
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