Mein tatsächlicher Name ist Minosawa. Sprich: viel zu lang um ihn komplett in irgendein Formular einzutragen! Wo ich gerade vom Formular spreche, kommt da auch schon wieder dieser Schülersprecher an. Ich stehe soeben auf dem Gang in der Nähe meines Spindes. Je näher er kommt, desto böser lasse ich ein Augen unter meiner Kapuze hervor blitzen. Er scheint die Warnung nicht so gut zu verstehen wie es der Braunschopf aus meiner alten Schule kann.
Er lässt sich keineswegs aufhalten seinen Weg zu mir zu finden. Genervt stoße ich mich mit einer Schulter von der Wand ab und blicke so zur aufgestellten Spindreihe schräg gegenüber. Mit einem Fuß und meiner anderen Schulter stütze ich mich weiter an der Wand. Meine Arme habe ich vor meinem Körper verschränkt. Ich fixiere den Boden unter meinen Füßen so sehr, dass ich nicht mitbekommen wie er schon längst vor mir steht. Seine Blicke sind so weich geworden. Ein Glück bekomme ich es nicht mit. „Du hast dich immer noch nicht um das Foto gekümmert und das Geld ist auch noch nicht bei uns angekommen!“, mahnt er mich und versucht dabei streng zu werden … ohne Erfolg, also gibt er es lieber auf. „A-Aber deswegen bin ich nicht hier … Ich habe endlich dein Formular gefunden. Ich weiß jetzt auch wieder, warum ich es in deiner Mappe nicht finden konnte. Es ist noch nicht ganz ausgefüllt.“ Warum er sich so schwer mit der Antwort tut? Ganz einfach: Als er versucht hat mir scherzhaft zu vermitteln, dass er es nicht finden könne, bin ich vielleicht 'ETWAS' wütend geworden. Ich glaube sogar, dass er sich ein bisschen vor mir fürchtet. Er hält mir den Zettel schon die ganze Zeit vor die Nase wie er spricht. Genervt löse ich eine Hand aus meinem eigenem Griff und schnappe ihm das Stück Papier unter der Nase weg. Er kann gar nicht so schnell reagieren wie es verschwunden ist. Irritiert knickt er die Finger seiner Hand und zieht sie anschließend zurück. Ihm ist hoffentlich selber aufgefallen wie albern er dabei aussieht. Ein fieses Grinsen kann ich mir dadurch nicht verkneifen. Mehr als meine schmalen Lippen und das Blitzen von ein paar Zähnen bekommt er nicht zu sehen. Gespielt irritiert sehe ich auf das Blatt. Natürlich weiß ich, dass es nicht ganz ausgefüllt ist! Ich habe es schließlich darauf angelegt. Vielleicht hätte es ja keiner bemerkt aber dieser Idiot ist zu aufmerksam. Das muss er ja aber alles nicht wissen. „A-Ach ja … Es fehlt noch die Angabe deines Geschlechts und in welcher AG du gerne wärst.“ Ich blicke kurz an mir herab. Das erkennt er auch ohne mir in die Augen sehen zu müssen. „Ja ich weiß ja, eigentlich ist es ganz eindeutig aber trotzdem. Es ist wichtig für die Anmeldung.“, erklärt er mir gutmütig. Böse zischend stoß ich mich von der Wand ab und stelle mich, weiterhin das Gesicht verdeckt, gerade vor ihm hin. Er weiß nun gar nicht mehr was er sagen soll. Perplex bleiben ihm sogar mal die Worte weg. Dabei mache ich doch gar nichts außer mich hinstellen. Ich will raus, er steht mir nur im Weg. Begreift er das nicht? „Oh hey Nathaniel. Da bist du ja. Ich habe eben etwas zu Essen geholt. Kommst du?“, durchdringt eine liebliche Stimme die eben aufgekommene Ruhe und beendet somit seine Starre. Erschrocken dreht er sich um. „Ä-Ähm ja also …“ „Kommst du?“, hilft sie ihm auf die Sprünge. „Klar doch Misa.“, freut er sich sichtlich über das kleine Essen zu zweit. Er folgt ihr bereits, als ihm erneut einfällt, was er erst noch los werden wollte. Sich kurz zu mir drehend meint er, „Vergiss die AG nicht!“ Na schönen Dank auch! Und woher soll ich jetzt wissen welche AG's es gibt?, geht mir provozierend durch den Kopf. Ich sage lieber nichts, das würde bei ihm wohl eh nichts bringen. Viel mehr denke ich erneut nach. Das Foto? Das Foto … hmm … das kann man bestimmt irgendwo in der Stadt machen lassen und … das Geld … Ein wenig schuldig fühle ich mich zwar aber was soll's. Aus meiner linken Hosentasche ziehe ich kurz die neue Schachten Zigaretten heraus. Meine letzte war eben leer, da kann man eben nichts machen! Ich frage mom heute Abend einfach nochmal nach dem Geld. Sie hat es bestimmt vergessen! Ist schließlich schon eine Woche her. Als ich mir das Blatt erneut ansehe, fällt mir auf, dass man mehrere Interessen eintragen kann, mehrere AG's sozusagen. Ich wüsste zu gerne welche es gibt, doch um genauer darauf einzugehen fehlt mir einfach die Zeit. Schmunzelnd betrachte ich den Namen, den ich eingetragen habe. Sogar der Herr Schülersprecher glaubt, dass ich ein Junge sei. Als ich es mal wage geradeaus zu sehen, erkenne ich ihn von weitem immer noch. Gott, der hängt an ihr wie eine Klette. Ein wenig genervt folge ich den beiden. Sie sind auf dem Weg zum Hof. Auch ich gehe ab und zu nach draußen, wegen den Zigaretten versteht sich! Irgendwie schaffe ich es erneut mich unbemerkt heraus zu schleichen. Es gibt hier eins, zwei Ecken, in denen sich aus welchem Grund auch immer keiner herum treibt. Hinter dem Lehrgebäude, zwischen Mauer und Mauer, fühle ich mich gleich viel wohler. Hier ist es schön schattig und so ruhig. Niemand stört einen, niemand nervt. Die zweite Seite der Mauer ist die Mauer des gesamten Schulgeländes. Sie ist ziemlich hoch, fast wie in einem Gefängnis, doch so etwas hat mich noch nie wirklich aufgehalten. Gleich neben mir steht ein stattlicher Baum. Mit etwas Anlauf schaffe ich es sogar ohne mich irgendwo festzuhalten auf den ersten Ast zu springen. Dieser Army-Typ wäre glatt neidisch. So etwas hätte er bestimmt nie hinbekommen!, grinse ich in mich hinein. So ganz allein erreicht das stumme Lächeln sogar meine Augen. Entspannt hocke ich mich an den Rand der Mauer. Ich könnte ohne zu zögern von dieser Schule abhauen. Unter mir befindet sich der Fußweg. Eben ist jemand mit dem Fahrrad vorbei gehuscht, ansonsten ist es hier leer. Leicht lege ich mich auf die breite Mauer und starre in den Himmel. Was … mache ich nun wegen der Anmeldung? Fülle ich sie richtig aus? Ich meine komplett, so wie es sich gehört. Mutter meinte, wenn irgendwelche Nachmittagskurse für Musiker dabei sein sollten, müsse ich mitmachen. AG's sind wohl so etwas ähnliches. Wüsste ich nur welche es gibt, wäre die Auswahl einfacher … Und mein Name und mein Geschlecht? Während ich so darüber nachdenke, hole ich eine der Zigaretten aus der Schachtel und halte sie unangezündet in meiner rechten Hand. Die linke strecke ich samt Blatt in die Luft. So blendet die Sonne nicht mehr und ich kann nochmals drüber schauen. Die Zigarette ist lediglich dafür da, damit ich sie langsam in alle Einzelteile zersetzen kann. Mit einer rollenden Bewegung zwischen zwei Fingern fällt sie nach und nach auseinander. Stille. Bis … „Hey! Was machst du da oben!“, werde ich scharf ermahnt. Zusammenzuckend ziehe ich meinen Arm zu mir zurück und lasse dabei das Blatt los. Erschrocken versuche ich es zumindest noch mit der anderen zu erwischen, dabei verliere ich auch noch den Rest der verstümmelten Zigarette. Naaa toll! „Was denn, so schreckhaft?“, werde ich erneut von unten angeblafft. Dabei entflieht ihm ein kleines Schmunzeln. Sofort richte ich mich auf, schaue ganz kurz nach unten und dann starr in die Luft. Ich will nicht, dass er mich ansieht. Der Rotschopf. Von dem spreche ich. Erst im nächsten Moment fällt mir auf, wie dumm das von mir war. So fällt das Formular weiter nach unten und wenn ich das richtig einschätze kann er es mit Leichtigkeit auffangen! Erneut zucke ich zusammen. Der Rotschopf streckt bereits seine Hand danach aus, als er es auch schon nicht mehr vor sich hat. Ich habe es noch im letzten Moment geschafft vom Absatz zu springen. Jetzt stehe ich direkt hinter ihm, kurz vor der Schulwand. Er braucht eine Sekunde um das alles zu realisieren. „Wie hast du …“ Ignorierend blicke ich erneut auf das Stück Papier. Was mache ich nur damit?, stellt sich mir abermals die Frage. Den hinter mir habe ich für den Moment schon wieder vergessen. Auch das war dumm von mir, denn es gibt dem hinter mir die Gelegenheit sich zu mir zu wenden. Diesmal bin ich nicht schnell genug. Er reißt es mir einfach aus der Hand und das obwohl ich von ihm weggedreht stehe. Er hätte halb über mich drüber fassen müssen um es zu bekommen. Bin ich tatsächlich so viel kleiner als er? „Dein Formular … Mino also …“, spricht er nur in halben Sätzen. Das reicht mir aus um zu verstehen. Mist!, verfluche ich mich, meine Dummheit und meine Trägheit. Ich war einfach zu langsam. „Einen Kerl als Banknachbar … ist auch mal was neues.“ Mich mit einer Seite zu ihm wendend, blicke ich über meine Schulter zu ihm. „Du willst wohl lieber die Kleine, die Neue, neben dir haben, hmm …“, provoziere ich ihn grinsend, fies grinsend. Die Provokation wirkt nicht. Seltsam. Er kommt mir ein Stück näher, zu nah wenn man mich fragt und doch bleibe ich stehen. Von oben herab sieht er mich an, erblickt dabei nur das Auge welches ich ihm gewähre zu sehen. „Du bist jetzt der Neue!“, spricht er mit einem mir unbekanntem Unterton. Ich nehme lediglich das Blatt näher an mich und drehe mich erneut weg, diesmal um zu gehen. „Dein Alter fehlt darauf!“, erwähnt er, damit er mich erneut aus der Ruhe bringen kann. Wieder! Wieder bleibe ich stehen. Schlecht für mich. Äußerst schlecht. „Also!“, fordert er meine Antwort schneller. Er muss schon ziemlich neugierig sein, wenn er das wissen will. Mein Auge verschwindet unter der Kapuze, wohingegen mein Lächeln deutlich zu sehen ist. Er findet es sieht ziemlich gefährlich aus, stört sich aber nicht weiter daran. Viel mehr stört ihn was ich daraufhin tu. Ihn erneut provozierend nehme ich einen Stift aus meiner Jackentasche, drehe mich so von ihm weg, dass er nur noch Bewegungen wahrnehmen kann und trage die fehlenden Daten ein. Ohne mich noch einmal an ihn zu wenden, gehe ich. Diesmal weiß ich es. Auch wenn er kaum darauf reagiert weiß ich, dass es ihn stört. Zum krönenden Abschluss zeige ich nur noch von weitem den Zettel hoch. Er kann es ja eh nicht lesen. Sein anschließend wütendes zittern kann ich sogar bis vor zum Schulhof spüren. Es macht mich glücklich erneut jemanden so aus der Fassung gebracht zu haben. Nun … das Ende des Liedes jedoch heißt: Name: Mino Tanaka Alter: 15 Geschlecht: Männlich Interessen: Keine Vielleicht ärgert es den Schülersprecher ja auch noch ein bisschen.
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