Ich kann mich kaum noch erinnern. Wie komme ich hier her? Was wollen die zwei von mir? , und noch während ich darüber nachdenke, bekomme ich immer weniger mit.
Einer von beiden schaut zu mir nach hinten, versucht es unauffällig zu tun, doch es gelingt ihm nicht. „Yagari, lass ihn endlich.“, mahnt ihn der andere. Auf dessen Lippen legt sich ein freundliches Schmunzeln, wodurch er unweigerlich weniger autoritär wirkt. Der Mann mit dem dunklen, ungestümen Haar wendet sich wieder nach vorn. Als sich die Blicke der beiden Männer treffen, schmunzelt auch der Angesprochene. Seines jedoch wirkt ernster. Wie kann man schmunzeln und zugleich ernst wirken? Es muss wohl an seiner Ausstrahlung liegen. Immer wieder reißen die Stimmen mich aus meinen Gedanken, aus meiner Starre. Sobald ein Ton erklingt, zucke ich zusammen und zwänge mich noch etwas mehr in die Ecke. Je öfter ich sie höre, je schwerer fällt es mir wieder zur Ruhe zu kommen. Die Töne dröhnen in meinem Kopf. Ich kann nur schwer verstehen worum es geht, teilweise auch gar nicht. Es fühlt sich an, als wären da überall nur Schwingungen. Eine Art Wellen, die immer wieder von mir aus abgegeben und von den beiden Stimmen verändert, unterbrochen, sogar zerstört werden. Nicht selten kommt es mir vor, als würden diese Schwingungen mit meiner Aufregung, meiner Angst mehr werden. Als sie lauter werden, wird mir das zu viel. Die Klänge werden zu stark, zu heftig, dröhnen zu sehr, so dass es meinem Körper zu viel wird. Mein Kopf gibt endlich ruhe und ich falle zur Seite gegen eine Glasscheibe. Irritiert dehen sich beide zu mir um, sogar derjenige der fährt. „Er ist eingeschlafen. Ein Wunder, dass er das noch kann.“, sieht der Mann nicht gut genug hin, um das Richtige zu erkennen. „Nein! Seine Wunden!“, braucht der Herr der auf den Namen Yagari hört nur zu erwähnen. Er schnallt sich ab und will schon über die Mittelkonsole zu den hinteren Sitzen steigen, als der Fahrer ihn erneut mahnt. „Nicht Yagari. Er erschrickt sich nur wieder.“ Irritiert hält er in seiner Bewegung inne. Er hält sich mit einem Arm am Sitz fest, mit dem anderen stützt er sich auf der vorderen Ablage. Gebückt sieht er zum Fahrer hinab. Er erlebt den Mann neben sich nur selten so. Wie genau? Ernst und geknickt zugleich. „Ja, gut.“, gibt er sich geschlagen und setzt sich wieder. Unterdessen sieht keiner, dass ich nicht mal mehr richtig atme. „Hey Zero, na los, wir kommen nur wieder zu spät!“, schiebt ein Mädchen den eben benannten vor sich her. „Warum müssen wir überhaupt immer diese Groupies zurück halten. Sollen die aus der Night Class sich doch selber darum kümmern.“ „Zero! Wir sind doch die Vertrauensschüler. Wer kümmert sich denn darum, wenn nicht wir?!“, regt sich das Mädchen kindlich auf. Genervt stöhnt der Junge. Träge macht er sich auf den Weg wo sich Day Class und Night Class über den Weg laufen. Ein wenig verwundert sieht das Mädchen sich um und stellt fest, dass etwas fehlt, „Sage mal, wo sind eigentlich Rektor Cross und Yagari? Der Direktor war erst nicht einmal in seinem Büro.“, dabei versucht sie die Mädchen vom Tor zur anderen Klasse fernzuhalten. „Wen interessiert das schon!“, beschwert sich der gefragte. „Yúki, wie schön zu sehen, dass du deiner Arbeit auch heute wieder so gewissenhaft nachgehst.“ Erschrocken dreht sie sich um und verneigt sich sofort. „Ah, Kaname, d-danke. Ich – Ich meine das ist doch meine – meine Aufgabe als Vertrauensschüler!“ Sobald seine Augen das Gesicht des Mädchens erfassen können, wird sein Blick um ein vielfaches weicher. Er freut sich sichtlich sie zu sehen, genauso wie sie ihn. Er versucht seine intensiven Blicke ihr gegenüber zu unterbrechen und wendet nun die gleiche Frage an sie. Wo sind die Zwei? Enttäuscht sieht sie zu Boden und gleich wieder auf. „Das weiß ich leider nicht. Wir haben ihn den ganzen Tag über nicht gesehen und im Büro ist Rektor Cross auch nicht.“ Man sieht ihm an, wie er anfängt sich deswegen Gedanken zu machen. „A-Aber darüber musst du dir keine Gedanken machen. Er treibt sich bestimmt nur irgendwo auf dem Schulgelände herum.“, versucht sie ihn zu beruhigen. Seine Gedanken verdrängt er für den Moment und lächelt sie schmal an. Es wirkt zwar recht kalt, geplant, doch es erreicht dennoch seine Augen. Sie kann ihre Blicke kaum von ihm lassen, zumindest so lange nicht, bis er geht. Kurz bevor er beim Rest der Klasse ist, wendet er sich erneut an die Brünette. „Pass gut auf dich auf, ja Yúki.“ Seine warme Stimme erreicht sie sogar noch, wenn er so weit weg steht. In der ganzen Zeit betrachtet Zero skeptisch das Spiel und vertreibt zugleich die vielen anderen Mädchen. Sobald er seine Stimme erhebt, hören sie sofort. Ganz zum Leid von Yúki, die mal wieder gar nichts erreicht hat außer sich der bösen Blicke der anderen Mädchen bewusst zu werden. Noch während die zwei ihrer Aufgabe nachgehen, fährt ein helles, großes Auto die Straße zur Schule hinauf. Die zwei Männer haben endlich aufgehört zu reden und ich merke, wie meine Atmung und mein Herzschlag besser werden. Als wir allmählich langsamer werden, ist mir das so ziemlich egal. Ich habe abgeschalten, weiß weder wo noch warum ich hier bin. Mir egal. Weiter als bis hier, geht es für mich eh nicht. Sobald ein grelles quietschen ertönt, ist mir klar, dass wir halten. Die Bremse ist unerträglich. Alles vor mir verschwimmt wieder und es tut weh, es immer wieder hören zu müssen. Sobald ich wieder halbwegs klar mitbekomme was los ist, irritieren die Zwei mich. Das Gefährt ist aus und doch bleiben für den Moment beide sitzen. Sie atmen tief durch und sehen stur geradeaus. „Und nun?“, flüstert der mit dem dunklem, verwehtem Haar. Der neben ihm, der Fahrer, weiß es auch nicht genau. Sie sehen mit einem mal beide zu mir nach hinten. Ich sitze ganz in die Ecke gepresst da und umschlinge mit beiden Armen meine dicht angezogenen Beine. Meine Augen sind zu. Hätte ich sie jedoch offen, würde ich zu Boden sehen. Fast komplett verstecke ich mich hinter meinen Beinen. Die Zwei bewegen sich endlich wieder. Wortlos steigen sie aus und schließen so leise wie möglich die Tür. Erneut schrecke ich zusammen und atme scharf aus. Sie hören zum Glück nichts. Die Beiden bleiben noch an ihren Autotüren stehen. Yagari stützt sich mit beiden Armen auf dem Dach ab, der andere hingegen steht ganz normal davor. Sie sind so groß. Das macht mir nur noch mehr Angst. Nach und nach ziehe ich meinen Kopf immer weiter hinter meinen Körper. Schon bald schalte ich wieder ab. „Was wird jetzt mit ihm Herr Rektor.“ „Nicht so förmlich mein Lieber. Wir kennen uns ja nicht erst seit gestern.“, grinst er ihn freundlich an. Da muss der Mann sich wohl doch erklären, „Das sollte auch nur ein kleiner Scherz sein. Wie dem auch sei, er soll doch mit ins Haus oder? Also sollten wir ihn mitnehmen.“ Wieder ernster, verändert sich die Mimik des Direktors, vor allem das Licht in seinen Augen wird schwach, „Ja, nur … er lässt sich nicht anfassen. Es war schon schwer genug ihn ins Auto zu bekommen. Sein Herz ist dabei fast stehen geblieben vor Angst.“ „Das ist ihm ja auch nicht zu verübeln oder Kaien? Versuchen wir es.“ Ich habe nicht zuhören können, was sie da bereden. Mein Kopf ist vollkommen leer, so wie mein Ausdruck. Der Mann mit der Augenklappe denkt tatsächlich daran, dass es klappen könnte. Eifrig reißt er die Tür halb auf. Schon sein erster Fehler. Der plötzlich aufkommende Wind zieht sich durch jede Lücke, die mein Körper noch zulässt. Die leichte Wärme peitscht mir sogar ins Gesicht, wie auch immer das noch möglich ist. Die Gerüche die mich umgeben überschlagen sich und mir wird auf der Stelle schlecht. Sobald ich ihn näher kommen spüre, presse ich mich noch in die letzten Leerräume hinter mir. Mit meinen Beinen versuche ich mich noch weiter von ihm weg zu schieben. Mit meinen nackten, aufgerissenen und leicht blutigen Füßen kralle ich mich im Leder fest. Zugleich halte ich mir mit einem Mal beide Hände vor Mund und Nase. Ich drücke doll zu, heftig genug, um zu spüren wie sehr der Luftzug von eben meine Haut hat anspannen lassen. Es ist ein ähnliches Gefühl, wie wenn man stundenlang einen Berg hinauf steigt, nur um dann die eisige Kälte zu spüren und tief durchatmen zu können. Diesmal jedoch ist es wegen der Wärme. Meine Fingernägel bohren sich in meine Wangen. Das, was auch immer es ist, meine Speiseröhre hinauf klettert, soll sofort damit aufhören. Er kommt mir immer mal ein paar Zentimeter näher. Sein bereits zweiter Fehler. Unerwartet erschrocken schaut er mich an. Meine Reaktionen sind schlimmer als wo sie mich hier hinein bugsieren wollten. Ich verletzte mich sogar selber, nur damit er Abstand von mir hält. Er betrachtet sich kurz meine Füße und denkt sich wohl, dass sie lieber dunkles Leder hätten wählen sollen. Alles um mich herum ist schmutzig. Er sieht, wie meine Beine vor lauter Anstrengung schon zittern. Es ist nicht nur einfach anstrengend für ihn, viel mehr hat er Angst. Wie schlimm es wohl für ihn gewesen sein musste. Obwohl ihn seine Gedanken nur noch mehr runter ziehen, huscht ihm ein leises, ehrliches Lächeln über die Lippen. Er erfreut sich über das schmutzige, unsagbar teure Leder. „Gut, dann bleibe hier.“, gesteht er mir zu. Sobald er wieder aussteigt, lassen meine Beine nach. Nur meinen Mund halte ich mir noch. Die Hand von der Nase jedoch rutscht tiefer. Bevor es zu spät ist, drücke ich meinen Hals so weit zusammen, dass nichts mehr hinauf kann. Der sogenannte Yagari schaut in ein Paar fragender Augen. Schultern zuckend hebt der Mann seine Arme, „Gib mir einfach nur eine Decke. Das Auto wird schon keiner haben wollen.“ Recht schnell begreift der ihm Gegenüber, was er meint, „Ja, vielleicht hast du Recht. Wenn er will, wird er schon kommen. Geben wir ihm etwas Ruhe.“ Die Zwei gehen sehr vertraut und dennoch respektvoll miteinander um. Sie scheinen sich schon eine Weile zu kennen. Der Direktor sucht aus seinem Kofferraum das gewünschte Stück. So wie er das Hinterteil des Gefährts öffnet und schließt zucke ich zusammen. Wortlos übergibt er das hellgraue Stück an den Einäugigen. Nickend kümmert er sich um den Rest. Er fasst es an einem Zipfel und wie von Zauberhand fällt es auseinander. Das Stück Stoff ist riesig, zumindest empfinde ich das so. Ich wüsste nicht, wo ich so etwas jemals zuvor gesehen habe und doch kommt es mir bekannt vor. Wie kann ich so etwas einfaches nicht mehr kennen? Was ist passiert? Er knüllt es wie ein Stück Abfall zusammen und legt das Knäuel auf den freien Sitz vor sich, neben mich. Den Zipfel lässt er mir mit einer schnellen Handbewegung entgegen gleiten. Sein dritter Fehler ist das jetzt schon. Seine so schnellen Bewegungen machen mir Angst. Ich kann dem nicht folgen und wenn mir dann noch etwas entgegen kommt, fürchte ich mich nur noch mehr. Erneut presse ich mich in die letzten kleinen Luftlöcher neben mich. Mein Atem stockt, setzt immer mal wieder aus, so dass ich leicht quietschend stöhne, wenn ich ab und an doch mal neuen Sauerstoff abbekomme. Er bemerkt, dass er etwas falsch gemacht hat und starrt sich auf seine Hand. Sobald er sich davon lösen kann, sieht er zu Kaien, Herr Cross. Der zuckt, wie erst bereits Yagari, nur mit seinen Schultern. Bevor er noch etwas falsch macht, geht er lieber. Der Direktor lässt die Hintertür des Wagens vorsichtig zu fallen. Als er sich schon abwendet, sieht er aus einem Augenwinkel heraus, dass mich mein erneutes zucken zu einer Bewegung gezwungen haben muss. Hastig greife ich nach dem Ende der Decke und ziehe das rechteckige Stücke zu mir. Vertraut legt er dem dunkelhaarigem Mann von hinten eine Hand auf die Schulter. Der Mann versteht sofort was er meint. Immerhin können die Zwei jetzt mal locker lassen. Die Anspannung beider verschwindet mit einem tiefen einatmen. Sobald die Tür neben mir zu gemacht wurde, kann ich genauso durchatmen.
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