Dieser Lehrer ist echt eine Nummer für sich. Die letzte Stunde hat er komplett damit zugebracht mich nochmal durchzunehmen. Er hat mich für einen Moment echt damit überrascht, so mitten im Gang, ohne sicher zu gehen, dass da auch keiner mehr ist. Es geht hier um seinen Ruf, nicht um meinen. Wobei … dann kann mir das auch eigentlich egal sein. Sein Geheule hinterher wäre aber unerträglich also vielleicht schon besser so, dass ich nochmal nachgesehen habe. Die Besenkammer sah hinterher noch schlimmer aus als das Krankenzimmer. Aufräumen durfte er das natürlich allein. Er wollte mich nehmen, er darf das Chaos beseitigen, ganz einfach.
„Du solltest deine Gitarre endlich mal stimmen, klingt grauenhaft!“, holt mich eine eintönig genervte Stimme aus meinen Gedanken zurück. „Hmm? Mach du doch, wenn's dich stört!“, murre ich im selben Ton zurück. Der Rotschopf wirft eben seine Zigarette zu Boden und tritt drauf. „Beschwere dich wie du willst, ich kann wenigstens Noten lesen.“ Knapp, tief und mit sehr rauer Stimme lasse ich ihn wissen: „Fresse!“ Er schweigt, zum Glück aber ein genervtes Stöhnen kann er sich nicht verkneifen. Jetzt, wo ich wieder halbwegs in der Realität schwebe, fällt mir auch wieder ein, dass ich eigentlich gleich zu Lex wollte. „Dann mal bis Morgen.“, hält der neben mir sich knapp und geht ohne eine Antwort zu erwarten. Maaan, der ist wohl echt beleidigt. Ein Grinsen breitet sich in meinem Gesicht aus. Gut so! Ich lasse ihm ein bisschen Abstand, eh ich mich auch auf den Weg mache. Passiert vielleicht selten aber ich freue mich echt schon richtig drauf Lex die Neuigkeit zu erzählen. Er weiß zwar nicht mal, dass ich versetzt werden sollte aber zu hören dass ich bleiben darf, wird ihm sicher gefallen. Wenn ich mal ehrlich bin … … wundert es mich fast, mich noch so auf etwas freuen zu können. Ich lasse so blödes Gedöns von Frust und „ich kann nicht lachen“ echt nicht gerne fallen aber wenn ich da an die Sache im Kaufhaus denke … dieser blöde Strichcode, ich konnt's mir schon fast denken. Eigentlich schon, seitdem ich das Teil habe. Ich hätte mit etwas Offensichtlicherem gerechnet. Ich glaube, Lex etwas positives zu erzählen, lässt mich vergessen, dass da noch andere Dinge warten, die nicht mehr aufgeschoben werden können. Der Artikel war echt grauenhaft. Ich habe ihn mir seitdem bestimmt noch hunderte Male durchgelesen. Er soll bestimmt eine … ach wer weiß … nicht weiter dran denken, nicht jetzt! Auf dem schmalen Weg, den ich normalerweise mit dem Skateboard überwinde, verträumt in Richtung Zwillinge gehend, fällt mir in einer wirklich sehr kleinen Sekunde etwas auf, was ich schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen habe. Diese Person … dieses Gesicht … es war nur eine Sekunde, in der er an mir vorüber zog a-aber … meine Beine kommen zum stillstand, völlig automatisch und ich merke, wie der direkt hinter mir auch in seinem Gehen innehält. Zu bekannt, zu widerlich, zu sehr zum Kotzen … dieses Gesicht … dieses VERDAMMTE FACE … verdammt, verdammt, verdammt! Ich würde ihn so gern … ich würde ihm einfach den Hals … ihm den Kopf … boaaaar fuck! Mein Kopf ist so voller Wut, voller Hass, will die Person hinter mir nur noch umbringen! Meine Hände sind zu Fäusten geballt, welche so unter Strom stehen, dass eine einzige falsche Bewegung reichen würde, um … „Naaahhhh?!“, höre ich stattdessen nur seine Stimme. Ich kann spüren wie er breit Grinst, leise, fies Lacht. Ich sage nichts. Passiert selten aber soll vorkommen. Er hat nur darauf gewartet, dass ich ihn mitbekomme. Wie lange hat er wohl schon hier draußen gestanden? Wen hat er alles gesehen?! Verdammt! Er nutzt die Gunst, die Sekunden, in denen ich wieder unaufmerksam bin. Er muss das Stück zurück gekommen sein, hält beide meiner Handgelenke fest, lässt meine Fäuste in einem Schreckmoment schwinden, mich stattdessen nur angewidert nach hinten blicken und die Nase rümpfen. „Ja, ja, schaue mich ruhig weiter so an, das wird dir auch nicht …“ „FRESSE!!!!“, brülle ich ihm dazwischen, blicke nach vorn, auf den Weg vor uns. Er tut es nicht, natürlich tut er das nicht. „Du riskierst viel, wenn man mal bedenkt, dass du …“ Er merkt, auch ohne mich ansehen zu können, wie sich mein Blick ändert. Die Wut … muss einfach mal weichen. Es bringt nichts, wenn ich jetzt durchdrehe. „Gut so, mein Junge.“, lobt er mich, als wäre ich sein Hund. Er zieht mich noch näher an sich, lässt mich seinen viel zu fetten Bauch am Rücken spüren. Er nähert sich meinem Ohr, nimmt seine vergoldeten Zähne auseinander und lässt mich fast kotzen, bei so einem Mundgeruch. Hass, purer Hass durchströmt mich. Mit fieser Stimme säuselt er: „Naaaa, hast du unsere Nachricht etwa noch nicht erhalten? Hmmm, doch, ich denke, das hast du. Und warst du auch schlau genug sie zu verstehen? Mein kleines Schäfchen ist doch nicht dumm oder? …“, seine Stimme wird von einem Moment zum anderen fester, seine Hände um meine Handgelenke schließen sich stärker darum und er knurrt mir mit tiefer Stimme ins Ohr: „Du hast unsere Drohung ganz bestimmt verstanden, oder?!“ Mein Knurren hallt ihm sofort zurück, wie mich seine Worte, samt seiner böse blitzenden Augen erreicht haben. Dieser verdammte fette Bastard, doch was er mir danach noch ins Ohr flüstert, lässt mein Knurren erst leiser werden und dann ganz verstummen. … Scheiße … „Und jetzt sei brav und mach, was ich von dir will!“ Was er will? Hier? Mitten auf dem Weg, mit der Straße neben uns? Er gibt mir keine Zeit viel mehr darüber nachzudenken, presst mich mit aller Kraft und allem Gewicht an die raue Schulmauer. Der Fettsack nimmt meine beiden Handgelenke zusammen, hält mich mit einer Hand fest, um mich mit der anderen anzufassen. Verdammt, wär' ich doch nur etwas größer, etwas kräftiger … er könnte niemals eine Hand an mich legen! Fuuuuck! Ohne Widerworte, nur mit Gedanken gefüllt, die mich wirklich die ganze Zeit über beschäftigen und ablenken, stellt er das mit mir an, was eh immer alle wollen … Ich sag's ja … Übung …Gewohnheit …
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